Michael M. erlitt am Steuer einen epileptischen Anfall
Vier Tote bei schwerem Unfall in Berlin: SUV-Fahrer bekommt zwei Jahre Haft auf Bewährung
Von Samina Faizi, Jan Dafeld und Uli Vonstein
Am 6. September 2019 erleidet Michael M. am Steuer seines SUVs einen epileptischen Anfall, drückt das Gaspedal durch und rast mitten in Berlin in eine Menschenmenge auf dem Gehweg. Vier Menschen sterben, darunter ein dreijähriger Junge und seine Oma – eine Tragödie! Vor dem Landgericht Berlin wurde M. nun zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt – eine höhere Strafe als ursprünglich gefordert worden war.
Berlin: SUV-Fahrer erlitt vier Monate zuvor bereits einen epileptischen Anfall
„Es steht fest, dass sie fahrlässig gehandelt haben“, sagt Richter Willi Thoms bei der Verkündung des Urteils mit Blick in Richtung des Angeklagten. „Es bestand jederzeit das Risiko, weitere epileptische Anfälle zu erleiden.“
Bereits vier Monate vor dem schrecklichen Unglück hatte M. seinen ersten Anfall erlitten. Der Unternehmer nässte sich damals im Schlaf ein, biss sich auf die Zunge und musste in die Notaufnahme eingeliefert werden.
M. ließ sich daraufhin einen Tumor im Kopf entfernen und nahm Medikamente, die einen weiteren Anfall verhindern sollten. Doch vergeblich.
Unfall in Berlin: Jüngstes Opfer war erst drei Jahre alt
Bei einer Fahrt mit seinem SUV verkrampft er, tritt das Gaspedal voll durch. Seine Mutter, die auf dem Beifahrersitz mitfährt, versucht noch verzweifelt, das Bein ihres Sohnes vom Gaspedal zu ziehen – doch keine Chance.
Der Wagen rast in eine Menschengruppe am Straßenrand. Vier Menschen sterben: Eine 64-jährige Großmutter mit ihrem dreijährigen Enkel sowie zwei Männer im Alter von 29 und 28 Jahren. „Die Opfer hatten keine Chance“, sagt der Richter.
„Wir krümmen uns vor Schmerz. Wir weinen und weinen und weinen“, teilte die 38-Jährige, die bei dem Unfall ihren Sohn und ihre Mutter verlor, vor Gericht mit. Sie selbst war nur haarscharf von dem SUV verfehlt worden. „Das Auto nimmt alles mit auf seinem Weg“, schilderte sie.
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Berlin: Angeklagter entband seine Ärzte von der Schweigepflicht
M. selbst argumentierte vor Gericht, dass seine Ärzte ihn nicht ausreichend über die Risiken informiert hätten. Eine Sichtweise, der der Richter nicht folgt. „Herr M., sie sind doch ein intelligenter Mann“, sagt er. Zwar hätten die Ärzte ihren Patienten tatsächlich nicht vollumfänglich über die Risiken aufgeklärt, einer soll M. jedoch noch gewarnt haben: „Denken Sie daran, nicht Auto zu fahren!“
Dass die Auskünfte der Ärzte vor Gericht überhaupt thematisiert werden konnten, hatte M. selbst möglich gemacht. Eigentlich sind Mediziner in Deutschland an die ärztliche Schweigepflicht gebunden. Der Angeklagte gestattete seinen Ärzten jedoch, Auskunft über den Fall zu geben.
Landgericht Berlin verurteilt SUV-Fahrer zu zwei Jahren auf Bewährung
Mehrere Punkte wurden M. daher strafmildernd ausgelegt: Der Angeklagte hatte nicht nur seine Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden, sondern auch ernsthafte Reue für seine Tat gezeigt und 50.000 Euro an die Hinterbliebenen der Opfer gespendet.
Die vier verunglückten Menschen bleiben jedoch tot. Eine niedrigere Strafe als die zwei Jahre auf Bewährung sowie der Entzug des Führerscheins kam für Richter Thoms daher nicht in Frage. Die Staatsanwaltschaft hatte eigentlich nur 1,5 Jahre auf Bewährung gefordert. Die Nebenkläger-Anwälte, die vor Gericht die Familien der Opfer vertraten, zeigten sich zufrieden mit dem Urteil.