Durch Verhaltenshypnotherapie geheilt
Seltene ARFID-Essstörung: Zachary (10) konnte immer nur Schmelzkäse-Sandwiches essen

Nach der Milch kommt der Brei - und dann eröffnet sich für Kleinkinder allmählich das ganze Universum der verlockend duftenden und lecker schmeckenden Lebensmittel. In der Regel ist das so. Doch bei Zachary Twigger aus dem englischen Coventry läuft alles anders. Das einzige Essen, das ihm schmeckt, sind Sandwiches mit Schmelzkäse. Immer wieder und ausschließlich, von Montag bis Sonntag, morgens, mittags, abends: Sandwiches mit Schmelzkäse. Zachary muss erst 10 Jahre alt werden, bis ein Verhaltenshypnotherapeut ihn kuriert. Denn Zachary leidet an der seltenen Essstörung ARFID.
„Er war körperlich nicht in der Lage, etwas anderes zu schlucken“
Die Ärzte waren sich sicher: Das legt sich wieder, da wächst der Junge wieder raus. Doch seine Mutter Becky ist zu diesem Zeitpunkt schon nahe an der Verzweiflung. Ihr Sohn Zachary will partout nichts anderes essen als Sandwiches mit Schmelzkäse der Marke Dairylea. Bereits als Zachary gerade einmal 18 Monate alt ist, entwickelte er diese Lebensmittelphobie, die vermeidend-restriktive Essstörung ARFID.
Soll er etwas anderes probieren als Schmelzkäse-Sandwiches, muss er anfangen zu würgen. „Jahrelang ging das so“, erzählt Dreifach-Mutter Becky der englischen Zeitung Metro. „Ich versuchte, ihn dazu zu bringen, andere Nahrungsmittel auszuprobieren, aber er war körperlich nicht in der Lage, sie zu schlucken. Er würgte und musste das Essen immer ausspucken, das Einzige, was er bei sich behalten konnte, waren die Sandwiches.“
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Er findet den Geruch von gekochten Sachen sehr interessant
Das Erstaunliche an der Sache ist: Oft riecht Zachary etwas Leckeres und ist interessiert daran. Allein: Er kann es nicht essen. „Wir gingen einmal an einem chinesischen Restaurant vorbei und er sagte, dass er den Geruch des Essens sehr mag, aber als er es probieren wollte, gelang es ihm nicht einmal, das Essen in den Mund zu bekommen“, erzählt Becky.
Und obwohl Zachary eigentlich Interesse am Geruch von anderen Lebensmitteln hat, ist er nicht wirklich traurig, dass er es nicht essen kann. „Mir wurde der Schmelzkäse nie wirklich langweilig, es war einfach das Einzige, was ich essen konnte, ohne zu würgen“, erzählt er Metro. „Ich habe mich zwar immer gefragt, wie ein Weihnachtsessen schmeckt, weil ich den Geruch beim Kochen wirklich mochte, aber ich konnte mich nie dazu bringen, das Essen tatsächlich in den Mund zu nehmen.“
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Untergewicht und Diabetes Typ 1
Natürlich führt die absolut einseitige Ernährung auch zu massiven gesundheitlichen Problemen: Zachary entwickelte eine Typ-1-Diabetes und ist für sein Alter und seinen BMI untergewichtig. „Er brauchte Insulin, um seine Diabetes unter Kontrolle zu halten, und ich wusste, dass wir seine Lebensmittelphobie bekämpfen mussten, sonst würde sich sein Gesundheitszustand mit zunehmendem Alter verschlechtern.“
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Hypnotherapie bringt die Erlösung

Becky ist schließlich so verzweifelt, dass sie sich an den Verhaltenshypnotherapeuten David Kilmurry wendet. Und dessen Behandlung hat Erfolg. Nach einer zweistündigen Sitzung wurde Zacharys Essstörung durch seine Hypnotherapie geheilt. Als erste Mahlzeit probiert der jetzt 10-jährige Junge Gemüse und einen Braten mit Bratensoße. Mutter Becky ist total erleichtert. Und Zachary erzählt stolz: „Es war erstaunlich, ich hätte nie gedacht, dass ich in der Lage sein würde, Gemüse und Bratensoße zu essen, aber nachdem ich hypnotisiert worden war, war meine Angst verschwunden.“
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Kein Gemüse, kein Salat, stattdessen am liebsten jeden Tag Nudeln: Vielen Eltern dürfte das bekannt vorkommen. Denn viele Kinder sind sehr wählerisch, was das Essen betrifft und lehnen viele Lebensmittel rigoros ab. Das sorgt nicht selten für Stress bei Eltern und Kindern. Dabei muss der laut Andrea Maier-Nöth gar nicht sein. Sie ist Professorin an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen und Expertin für frühkindliche Geschmacksprägung. Hier erklärt sie, warum der typische deutsche Babybrei nicht unbedingt ideal ist und wieso Kinder als Gourmets und nicht als Suppenkasper geboren werden – und wie Sie die Experimentierlust Ihrer Kinder fördern können.
Das ist die vermeidend-restriktive Essstörung ARFID:
ARFID ist die Abkürzung für Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder, also Vermeidende/Einschränkende Ernährungsstörung. Medizinjournalist Dr. Christoph Specht erklärt: "Das ARFID-Syndrom beschreibt eine Essstörung, bei der Menschen nur ganz bestimmte Nahrungsmittel zu sich nehmen und andere stark und rigoros ablehnen. So stark, dass sie Angst davor haben und denken, anderes Essen würde ihnen schaden. "Im Vorschulalter ist dieses Essverhalten vielleicht noch ganz normal, aber man muss aufpassen", weiß Specht. "Eine große Auswahl an Essen hilft, dass sich das Schema nicht verfestigt." Sobald Kinder längere Zeit Essen verweigern, sollten Eltern deshalb eingreifen.
Bei ARFID geht es nicht um ein verzerrtes Körperbild wie bei der Anorexia nervosa oder um einen Schlankheitswahn wie bei Bulimia nervosa.
Die vermeidende/restriktive Essstörung kann zu erheblichem Gewichtsverlust, Wachstumsverzögerungen bei Kindern, Schwierigkeiten bei der Teilnahme an normalen sozialen Aktivitäten und manchmal zu lebensbedrohlicher Mangelernährung führen.