„Es ist ein Spiel mit Angst und Hoffnung“Hundetrainerin erklärt: Deshalb macht Anti-Giftköder-Training gar keinen Sinn

Brauner Hund liegt in der Sonne auf der Wiese und leckt an einem Knochen
Manche Hunde fressen alles, was sie am Boden finden - im schlimmsten Fall auch Giftköder. Kann ein Anti-Giftköder-Training da Abhilfe schaffen?
Sasiwimol Koenig, iStockphoto

Sie schrecken vor nichts zurück!
Immer wieder gibt es Berichte von Tierhassern, die Leberwurst-Scheiben mit Rasierklingen oder Fleischbällchen mit Gift an gängigen Gassiwegen auslegen – und unsere Tiere damit in Lebensgefahr bringen. Viele Halter gehen deshalb mit ihren Hunden zum Anti-Giftköder-Training.
Doch ist das wirklich sinnvoll? Hundetrainerin Marion Huber erklärt, wieso dieses Training Hundehalter in falscher Sicherheit wiegt.

Giftköder treten vor allem in Großstädten vermehrt auf

„Rattengift“, „Düngerkugel“, „Brot mit Fleisch in Gebüschen“ – so lauten die letzten Giftköder-Warnungen auf der Hundehalter-App Dogorama. Hier können Halter unter anderem Bilder und einen exakten Standort angeben, wenn sie auf Spaziergängen auf mögliche, gefährliche Snacks für ihre Tiere stoßen. Besonders Großstädte sollen von Giftködern betroffen sein, wie Zahlen der App aus dem Jahr 2021 zeigen. In Nordrhein-Westfalen führte damals Köln die traurige Liste an, mit 255 gemeldeten Giftködern.

Genau deshalb gehen viele Hundehalter mit ihren Tieren zum Anti-Giftköder-Training. Hier wird dem Hund beigebracht, nichts vom Boden zu fressen und stattdessen Herrchen und Frauchen anzuzeigen, wenn etwas Leckeres gefunden wurde.

„Ein Anti-Giftköder-Training kann eine sinnvolle Ergänzung zur Grunderziehung darstellen“, schreibt auch der Berufsverband für professionelles Hundetraining, Verhaltensberatung und Dienstleistungen ProHunde in einer Stellungnahme an RTL. Aber: „Da das Training dem natürlichen Funktionskreis der Nahrungssuche des Hundes widerspricht, ist es mit viel Fleiß und hoher Fehleranfälligkeit verbunden“, schreibt ProHunde weiter. „Der Aufbau und die Anleitung des Trainings stellen hohe Anforderungen an Trainer und Halter, um zum Erfolg zu führen.“

Und genau deshalb sei das Anti-Giftköder-Training sinnlos, wie Hundeerziehungsberaterin Marion Huber im Gespräch mit RTL erklärt.

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Anti-Giftköder-Training ungeeignet und viel zu fehleranfällig

„Das Training ist für Ottonormalverbraucher gar nicht geeignet und viel zu fehleranfällig“, sagt sie. Der Hund zeige dem Halter durch Augenkontakt oder Vorstehen an, wenn er etwas gefunden habe. Verpasse der Halter jedoch den Augenkontakt, weil er abgelenkt sei, werde der Hund sich sofort wieder dem Fund zuwenden – auch wenn dieser ein Giftköder sei.

„An diesem Training muss man immer dran bleiben und darf nicht in Momente kommen, in denen man das Anzeigen des Hundes nicht mitbekommt. Aber genau das geschieht dem durchschnittlichen Halter irgendwann zwangsläufig“, so die Hundetrainerin.

Die Folge: Der Hund ist verwirrt, weil der Halter seinem Anzeigen nicht immer dieselbe Aufmerksamkeit zukommen lässt und zeigt im Zweifel nun seltener an, wenn er etwas gefunden hat.

Abgesehen davon, dass das Training für manche Hunde gar nicht geeignet ist – vor allem für die Hunde, die eigentlich die Zielgruppe des Trainings sind: „Staubsaugerhunde, also die Tiere, die alles vom Boden fressen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, haben meist massive Probleme mit der Selbstbeherrschung“, erklärt Huber. Und auf die komme es im Training schließlich an. Ganz zu schweigen davon, dass manche Hunde auch falsch anzeigen oder sich bewusst auf Köder-Suche begeben, nur um eine Belohnung abzustauben, was auch nicht Sinn und Zweck des Trainings sei.

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Doch wieso treibt es viele Halter dennoch in die Trainings, wenn die gar nicht so zuverlässig sind? „Das ist ein Spiel mit Angst und Hoffnung“, sagt Huber deutlich. „Jeder hat natürlich Angst um seinen Hund. Und jeder hat die Hoffnung, dass diese Angst schnell gelöst werden kann. Aber man muss einfach Angst haben, dass der Hund irgendwann einmal etwas frisst, was Blödsinn ist.“ Das müsse nicht unbedingt ein Giftköder sein, das könne auch der Zigarettenstummel sein.

„Viel passiert daher, dass man nicht auf seinen Hund achtet, ihn überall schnüffeln oder frei laufen lässt.“ Huber hat vor allem zwei Tipps, wie Halter ihre Vierbeiner auch ohne Anti-Giftköder-Training schützen können:

  • Wenn Hunde etwas vom Boden fressen, leben sie damit ihr Jagdverhalten aus. Statt das unkontrolliert im Freilauf zu tun, sollten Halter und Hund das lieber gemeinsam an der Leine ausleben – zum Beispiel mit Futter-Beuteln, die der Hund gezielt suchen muss.

  • Bleibt aufmerksam: „Wer seinen Hund im Auge hat, kann sofort reagieren, wenn er etwas vom Boden aufliest oder im Gebüsch verschwindet“, sagt Huber. Außerdem sollten Wegstrecken gemieden werden, die schlecht einsehbar sind oder wo viel Müll herumliegt, die der Hund aufsammeln könnte.

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Was tun, wenn der Hund möglicherweise einen Giftköder gefressen hat?

Wer dennoch beobachtet, dass sein Hund etwas Dubioses frisst, sollte sofort zum Tierarzt. „Der bringt den Hund zum Erbrechen, bevor etwas Gefährliches in den Darm wandert“, so Huber. Ihr Tipp: Wenn möglich, eine Probe des Gefressenen einsammeln und mitbringen. „Vielleicht kann der Tierarzt schon erkennen, was gefressen wurde und im Falle einer Vergiftung das Gegengift verabreichen.“

Übrigens: Bereits das Auslegen von Giftködern ist eine Straftat, wie die Polizei Nordrhein-Westfalen auf ihrer Website erklärt. Kommt ein Tier durch den Giftköder zu Schaden oder stirbt sogar daran, kann der Täter sogar mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verurteilt werden.

Darüber hinaus appelliert ProHunde jedoch auch an die Halter: „Anti-Giftköder-Training beginnt unserer Meinung nach bei der Grundeinstellung der Menschen und nicht am Hund.“ Aus Rücksicht auf unsere Mitmenschen sollten Halter präventiv die Hinterlassenschaften ihrer Hunde einsammeln, die Tiere nicht auf Spielplätzen frei herumlaufen oder stundenlang allein zu Hause lassen, wo sie jaulen. Heißt: „Toleranz und Rücksichtnahme auf allen Seiten.“

Wir halten also fest: Den Hund beim Gassigehen immer im Auge behalten, auf andere Menschen Rücksicht nehmen und bei auffälligen Symptomen sofort zum Tierarzt fahren.