Junger Mann ins Wachkoma geprügelt
Vater, Mutter und Schwester pflegen Aleksei (22): "Die Familie leistet Unmenschliches"
Es muss ein Alptraum für Familie Kreis sein, doch Sergej, Larissa und Alina klagen nicht. Rührend kümmern sich Vater, Mutter und Schwester um den 22-jährigen Aleksei, der nach einer Prügelattacke vor einer Hannoveraner Diskothek im Wachkoma liegt. Seit anderthalb Jahren ein Leben im Ausnahmezustand, alleingelassen von Krankenkassen und Behörden. Wie schwer dieses Schicksal für sie ist – in unserem Video. „Die Familie leistet Unmenschliches“, sagt auch ein Vertreter der Opferorganisation Weißer Ring. Ab Mittwoch wird Alekseis Peiniger vor dem Amtsgericht Hannover der Prozess gemacht.
Am 2. September 2018 wird Aleksei ins Wachkoma geprügelt
Es passiert am 2. September 2018 vor der Hannoveraner Diskothek „Infinity“. Aleksei bekommt Streit mit einem damals 21-jährigen Soldaten. Obwohl er laut Zeugen friedlich bleibt, schlägt ihm Fallschirmspringer Sebastian F. dreimal ins Gesicht. Aleksei stürzt, knallt mit dem Kopf auf das Pflaster. Er fällt ins Wachkoma. Der junge Mann wird mehrfach operiert - aber er bleibt ein Pflegefall.

Schwester Alina: „Pflegeheim hätte er nicht lange ausgehalten“
Familie Kreis lebt in Goslar im Harz zur Miete, in einer Wohnung im zweiten Stock. Rund um die Uhr kümmern sie sich um den einst so lebenslustigen Aleksei, seit er aus dem Krankhaus entlassen wurde. Die Wohnung ist alles andere als behindertengerecht, doch für Familie Kreis gibt es keine Alternative. „Das war immer klar als es hieß, Pflegeheim oder zuhause“, erzählt die 15-jährige Alina. „Pflegeheim hätte er nicht lange ausgehalten“, sagt das Mädchen mit brüchiger Stimme.
Ihr Bruder kann ohne Hilfe praktisch gar nichts mehr, nicht einmal den Kopf drehen. Vater Sergej steht nachts alle zwei Stunden auf, um seinen Sohn zu drehen, damit er sich nicht wund liegt. Lange vor der Arbeit wäscht er seinen Sohn mit einem Lappen, wechselt die Windeln. Hebt ihn aus dem Bett, damit dort die Auflagen gewechselt werden können.
Außerdem massiert er jeden Tag mehrmals die Arme und Beine seines Sohns, damit die Muskeln nicht verkrampfen.

Familie dankbar für jede Hilfe
Sergej und Mutter Larissa wechseln sich ab, doch Larissa kann ihren Sohn kaum allein aus dem Bett heben. Auch Alina hilft nach Kräften, so, wie eine 15-jährige Schülerin helfen kann. Nachbarn und Freunde packen ebenfalls mit an. „Wir sind sehr dankbar für jede Hilfe“, sagt Sergej.
„Die Familie leistet Unmenschliches“

Während sie privat unterstützt wird, fühl sich die Familie von offiziellen Stellen im Stich gelassen. „Die Familie wird alleine gelassen“, sagt Günter Koschig vom Weißen Ring. Die Kreis‘ suchen dringend eine neue Wohnung im Erdgeschoß, damit Sergej mit dem Rollstuhl spazieren gefahren werden kann. Sie bräuchten einen Kredit, sagt der Experte. Und fachgerechte Unterstützung bei der Pflege ihres Sohnes. „Die Familie leistet Unmenschliches“, so Koschig. Er habe Angst, dass das noch jahrelang so weitergehen soll.
"Warum ist uns das passiert?"

Ab Mittwoch wird der Mann, der Aleksei das mutmaßlich angetan hat, vor Gericht stehen. Anwalt Andrey Lepscheewe wird die Familie beim Prozess begleiten. „Wie hoffen auf eine gerechte Strafe“, sagt er, „Die Familie kämpft darum, dass für Aleksei die bestmögliche Bedingungen geschaffen werden. Das kostet, an keiner Stelle kommen sie weiter“, erklärt er.
Wie Aleksei seine Situation wahrnimmt, lässt sich nicht sagen. Man merke, wie es ihm geht, findet Alina. „Oft lächelt er, aber wenn es ihm schlecht geht, guckt er sauer oder starrt an die Decke oder gegen die Wand.“ Manchmal habe sie das Gefühl, dass er etwas fühlt, "aber manchmal scheint es so, als ob er nicht versteht, was in der Umgebung abgeht." "Warum ist uns das passiert?, fragt sich Alina. Dabei weint sie leise.