Laschet lehnt pauschale Öffnungen für Geflüchtete ab

Kommt jetzt ein Flüchtlingsstrom aus Afghanistan nach Deutschland?

Hundreds of people gather outside the international airport in Kabul, Afghanistan, Tuesday, Aug. 17, 2021. The Taliban declared an “amnesty” across Afghanistan and urged women to join their government Tuesday, seeking to convince a wary population that they have changed a day after deadly chaos gripped the main airport as desperate crowds tried to flee the country. (AP Photo)
Hunderte von Menschen warten am Flughafen von Kabul auf die Möglichkeit einer Ausreise aus Afghanistan.
RG, AP, STR

Die Situation in Afghanistan eskaliert weiterhin. Die Menschen vor Ort sind verzweifelt und versuchen, schnellstmöglich das Land zu verlassen. Tausende Menschen warten am Flughafen in Kabul. Durch die Machtübernahme der Taliban werden Flüchtlingsströme Richtung Deutschland erwartet. Kanzlerkandidat Laschet hat allerdings bereits eine pauschale Öffnung für Flüchtlinge aus Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban abgelehnt. Wird es trotzdem ein ähnliches Szenario wie schon bei der Flüchtlingskrise 2015/2016 geben?
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Im Video: Über 600 Flüchtlinge finden Platz in US-Flieger

So ist die aktuelle Lage für Flüchtlinge am Flughafen von Kabul:

Kommen nun mehr Flüchtlinge nach Europa?

Die Machtübernahme der Taliban sowie das damit verbundene Chaos veranlasst viele Afghanen, das Land schnellstmöglich zu verlassen – egal auf welchem Weg. Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, dass ein Flüchtlingsstrom sich auch wieder auf den Weg nach Europa machen könnte. Ähnlich wie schon 2015 – als hunderttausende Menschen aus dem Nahen Osten nach Deutschland geflüchtet sind.

Doch es sprechen mehrere Punkte dafür, dass dies nun nicht zu erwarten ist:

Die große Entfernung zwischen Afghanistan und Deutschland
Der Migrationsforscher Steffen Angenendt hält Warnungen vor Flüchtlingszahlen in Deutschland in einer Größenordnung wie 2015 und 2016 für überzogen. Der Vergleich sei krumm, weil damals die meisten Flüchtlinge aus Syrien kamen. „Sie hatten also deutlich kürzere Wege nach Europa als die Afghanen.“

Die Grenzüberwachung wurde verschärft
Die meisten Transitländer zwischen Afghanistan und Deutschland haben in den vergangenen Jahren die Grenzüberwachung massiv verschärft: „Das macht die Flucht noch riskanter und teurer“, so Angenendt.

Flüchtlinge finden in Nachbarländern Schutz
Viele Flüchtlinge finden zunächst in den Nachbarländern Afghanistans, wie Iran, Pakistan oder Usbekistan, Schutz. Je besser die Bedingungen dort und je umfangreicher die aufzulegenden Aufnahmeprogramme von Deutschland und der EU, desto weniger Menschen seien gezwungen, sich auf den Weg in Richtung Europa zu machen.

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Das sagt die Politik zum Flüchtlingsstrom nach Deutschland

Auch viele Politiker haben sich klar zur Lage in Afghanistan und erwartbaren Konsequenzen für Deutschland geäußert.

Für FDP-Chef Christian Lindner ist die „Situation in Afghanistan erschütternd“. „Es ist zu erwarten, dass es zu einer Fluchtbewegung kommt.“ Um dies zu verhindern, fordert Lindner nun gemeinsam mit der EU Hilfe in den Nachbarstaaten zu organisieren, damit Flüchtlinge den Weg nach Europa gar nicht erst antreten müssten. Wichtig sei humanitäre Hilfe vor Ort.

Unions-Kanzlerkandidat Laschet hatte sich am Montag skeptisch über eine Aufnahme afghanischer Flüchtlinge in großer Zahl geäußert. „Ich glaube, dass wir jetzt nicht das Signal aussenden sollten, dass Deutschland alle, die jetzt in Not sind, quasi aufnehmen kann“, sagte er. „Die Konzentration muss darauf gerichtet sein, vor Ort, jetzt diesmal rechtzeitig - anders als 2015 - humanitäre Hilfe zu leisten.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angekündigt, den afghanischen Nachbarstaaten schnell Hilfe anzubieten, um Fluchtbewegungen nach Europa unter Kontrolle zu halten. „Hier geht es vor allen Dingen darum, dass wir den Nachbarstaaten helfen, in die die afghanischen Flüchtlinge gegebenenfalls kommen“, sagte Merkel am Montagabend bei einer Pressekonferenz zur Krisenlage in Afghanistan. Wichtig sei es auch, Kontakt zum UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aufzunehmen. Darüber werde am Mittwoch auch das Bundeskabinett beraten.

Göring-Eckardt im RTL-/ntv-"Frühstart": Nicht über Flüchtlingswellen sprechen, sondern Ortskräften schnell helfen!

Für Grünen-Politikern Göring-Eckardt gehe es aktuell nicht um Flüchtlingsströme: Jetzt müsse es vor allem darum gehen, die Menschen, die für die westlichen Nationen gearbeitet haben, schnell in Sicherheit zu bringen. „Es geht um diejenigen, die versucht haben, Freiheit und Menschenrechte zu gewährleisten. Denjenigen zu sagen, bleibt mal da, wir haben hier keinen Platz, das finde ich absurd."

20 Jahre Afghanistan Einsatz, der Versuch für freiheitliche Werte, Demokratie und Menschenrechte zu kämpfen, er ist in wenigen Wochen wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Das sieht auch Katrin Göring-Eckardt ähnlich. Zum Afghanistan Einsatz sagt sie: "Man muss sagen, dass es gescheitert ist.

Wer sind die Flüchtlinge und was sind ihre Beweggründe?

Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind vor allem vertriebene Frauen und Kinder vom Afghanistan-Konflikt betroffen. Rund 80 Prozent der knapp 400.000 Afghaninnen und Afghanen, die seit Ende Mai zur Flucht gezwungen wurden, sind Frauen und Kinder. Insgesamt sind es sogar über 3 Millionen Menschen, die innerhalb des eigenen Landes vertrieben wurden. Aufgrund der hohen Zahlen appelliert die Organisation an die Nachbarländer, ihre Grenzen offenzuhalten – das Leben unzähliger Menschen stehe auf dem Spiel.

Großbritannien will Zehntausende Frauen und Mädchen aus Afghanistan aufnehmen. Es heißt, dass Boris Johnson ein virtuelles G7 Treffen einberufen will, um über die Lage in Afghanistan mit den Ländern zu sprechen.