Er behauptet, es sei Notwehr gewesenModeratorin beleidigt und verletzt: 10.800 Euro Strafe für beißenden AfD-Politiker

von Samina Faizi und Cathleen Bergholz

August 2021: Musik-Journalistin Steph Karl will mit ihrer Freundin den warmen Berliner Sommerabend genießen und in einem Café nur ein paar Drinks zu sich nehmen. Doch am Ende ist ihr Körper übersät mit blauen Flecken, auf ihrem Unterarm finden sich sogar Bissspuren- zugefügt von AfD-Politiker Kai Borrmann. Der hatte die Tochter einer Kenianerin erst rassistisch beleidigt, dann verfolgt und ist schließlich in eine Prügelei mit ihr geraten. Das Amtsgericht Tiergarten hat den AfD-Mann nun wegen Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt.
Eine Entschuldigung brachte er auch am letzten Prozesstag nicht über die Lippen, eine Ausrede hatte er nach dem Urteil aber sofort parat. „Ich habe das gerade als nicht fair empfunden“, sagt Borrmann. Man hätte ihm nicht die Chance gegeben, „wertfrei zu Wort“ zu kommen.

Steph Karl: "Er hat ein Problem damit, wer ich bin"

Vor Gericht hat Steph Karl am letzten Prozesstag hingegen sehr viel Zuspruch von der Richterin bekommen. Deutlich sagte sie, dass sie der jungen Frau glaube, was passiert sei. „Ich bin einfach froh, dass sie das noch mal betont hat. Weil was passiert ist, ist so skurril und absurd, dass manche Menschen gedacht haben das ist halt nicht wahr ist.“, schildert die junge Frau nach der Verkündung.

Steph Karl wurde von Kai Bohrmann blau und grün gebissen
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Was Steph Karl als skurril und absurd beschreibt, startet zunächst in einem Café in Berlin Mitte: Hier wird sie vom Herren des Nachbartisches provoziert und beleidigt. Kai Borrmann ist es, der dort sitzt und nicht von ihr ablassen kann. Mehrmals äußert er sich rassistisch, benutzt das N-Wort. Noch vor dem Urteil sagt Steph Karl im Interview mit RTL-Reporterin Samina Faizi: „Ich habe das Gefühl, er ist einfach ein böser Mensch und er hat ein Problem damit, wer ich bin. Er hat ein Problem wegen meiner Hautfarbe, wie ich mich artikuliere.“

Nach Angriff: Körper der Moderatorin war blau-grün-lila verfärbt

Steph Karl ist in Nairobi geboren, wächst dort bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr auf und besucht eine deutsche Schule. Als Teenager zieht sie dann nach Deutschland. Bereits auf dem Gymnasium erlebt sie „sehr, sehr, sehr viel Rassismus“, schildert sie rückblickend. „Aber es blieb eigentlich immer nur bei Worten. Dass man mir körperlich aufgrund meiner Hautfarbe weh tut - das ist (jetzt) das erste Mal für mich“, so Steph Karl.

Rassistischer Angriff: Radio-Moderatorin verbal und körperlich verletzt
Bisswunde: Steph Karl wird von AfD-Politiker erst beleidigt, dann in den Arm gebissen
Privat

Denn aus den verbalen Beleidigungen im Café in Berlin wird ein handfester Streit. Ein Streit, der bis heute Spuren hinterlassen hat. Zunächst fliehen Steph Karl und ihre Freundin vor Kai Borrmann und verlassen das Café. Doch der folgt den Frauen, beleidigt sie auf der Straße weiter. „Ich bin kein N-Wort. Ich bin ein fucking Mensch“, brüllt Steph Karl. Plötzlich eskaliert die Situation, Borrmann schlägt der 30-Jährigen ins Gesicht. Sie wehrt sich und es kommt zu einer Prügelei. Der Politiker beißt sogar in den Arm der jungen Frau. Erst Passanten können die zwei trennen und informieren die Polizei. „Mein ganzer Körper war so blau-grün-lila verfärbt. Ich habe diese riesige Bisswunde am Arm gehabt, ich hatte überall Schürfwunden“, erinnert sich Steph Karl. Die Schmerzen hätten am nächsten Tag noch zugenommen, am schlimmsten sei aber die psychische Auswirkung gewesen. Lange Zeit hatte sie Angst, war arbeitsunfähig. Dann landet die Auseinandersetzung vor Gericht und die Richterin gibt Steph Karl recht: Kai Borrmann wird zu einer Geldstraße von 180 Tagessätzen je 60 Euro verurteilt.

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Noch ist das Urteil gegen Kai Borrmann nichts rechtskräftig. Der Angeklagte, der Nebenklägervertreter und auch die Staatsanwaltschaft haben die Möglichkeit, Berufung oder Revision innerhalb einer Woche einzulegen. Bis dahin gilt er unter Vorbehalt als vorbestraft. Und genau das macht auch Steph Karl glücklich. „Es ist wichtig, dass man das in seinen Akten hat.“

Außerdem will die 30-jährige anderen Frauen, denen ähnliches passiert ist, Mut machen sich gegen ihre Peiniger zu wehren. Den Tränen nahe betont sie am Ende des Prozesses, wie wichtig es sei, den schwierigen aber lohnenden Schritt vor Gericht zu wagen. „Weil Menschen, die so hasserfüllt sind und die zu so etwas fähig sind, dürfen nicht unbestraft draußen rumlaufen. Man muss für sich einstehen. Und ich glaube, dass heute Herr Borrmann sehen konnte, seine Aktionen haben Konsequenzen und dafür ist einfach kein Platz“.