24 Stunden später ist eine von beiden tot

Letztes Foto auf Corona-Intensivstation: Mutter und Tochter nehmen Abschied

Das letzte gemeinsame Foto von Anabel Sharma und ihrer Mutter Maria
Das letzte gemeinsame Foto von Anabel Sharma und ihrer Mutter Maria
Anabel Sharma

Eine letzte liebevolle Berührung zwischen Maschinen, Schläuchen und Masken, ohne die beide nicht mehr atmen können: Das Foto, das Anabel Sharma von Pflegern im britischen Leicester von sich und ihrer Mutter Maria machen lässt, zeigt die grausame Realität von Covid-19. Beide kämpfen zu diesem Zeitpunkt bereits seit Tagen auf der Intensivstation um ihr Leben. Doch nur Anabel wird es schaffen: Nur 24 Stunden später ist ihre geliebte Mutter tot.
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Trotz Vorsichtsmaßnahmen: Komplette Familie mit Corona infiziert

„Ich hätte nie gedacht, dass Covid uns erwischt – aber es ist passiert“, erklärt Anabel dem britischen „Mirror“. Da ihre Mutter bei ihr, ihrem Mann und ihren drei Söhnen lebte, seien sie extrem vorsichtig gewesen, hätten Essen nach Hause bestellt und nur die Kinder zur Schule gebracht. Doch im September vergangenen Jahres steckte Anabels jüngster Sohn sich in der Schule an. „Die Geschwindigkeit, mit der Covid in unserer Familie wütete, war beängstigend. Jeder kann es bekommen, und es ist wie Roulette, ob du überlebst“, warnt die 49-Jährige.

Während ihr Mann und die Kinder sich relativ schnell erholten, wurde der Zustand von Anabel und ihrer Mutter Maria immer kritischer. Mitte Oktober kamen sie ins Krankenhaus, mussten nur wenige Betten voneinander entfernt beatmet werden.

„Ich fragte jeden Tag, ob ich sterben würde“

„Ich musste 24/7 und vier Wochen lang eine Plastikhaube tragen, die Sauerstoff in meine Lungen presste. Es fühlte sich an, wie bei 50 kmh/h den Kopf aus dem Autofenster zu stecken, es war laut, ich konnte nichts sehen oder hören“, beschreibt Anabel in einem Facebook-Beitrag die Zeit auf der Intensivstation. „Ich fragte sie jeden Tag, ob ich sterben würde, und sie sagten, sie wüssten es nicht.“

Doch letztendlich war es nicht Anabel, die dem Coronavirus zum Opfer fiel. Zwei Wochen, nachdem sie eingeliefert worden waren, wurde Marias Bett neben das ihrer Tochter gerollt. „Mama hat versucht, zu sprechen. Alles, was ich hören konnte, war ‚einäschern‘ und ‚bereit, zu sterben‘. Ich weinte, aber Mama war so tapfer“, berichtet sie im „Mirror“.

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Anabel sah die Beerdigung ihrer Mutter im Livestream

Am nächsten Tag, dem 1. November 2020, brachten die Pfleger Maria erneut zu ihrer Tochter – zum letzten Mal: „Meine Mama ist auf der Intensivstation gestorben. Das liebe Team hat organisiert, dass mein Bett neben ihrem stand, damit ich bis zum Ende bei ihr sein konnte. Um mit ihr zu sprechen, ihre Hand zu halten“, schreibt Anabel in der Facebookgruppe „Humans of Covid-19“. Anabels Schwester durfte in Schutzkleidung ebenfalls Abschied nehmen.

„Es ging mir zu schlecht, um bei ihrer Beerdigung dabeizusein, ich schaute via Livestream zu“, so die 49-Jährige weiter. „Ich war alleine, genau wie meine Familie, wir konnten uns nicht trösten. Es hat mir mein ohnehin schon zerbrechliches Herz gebrochen.“

Lungenschäden bleiben für immer

Seit einigen Wochen ist Anabel nun wieder zu Hause. Doch sie muss nicht nur den Verlust ihrer geliebten Mutter verkraften: „Ich bin auf Sauerstoff und habe lebensverändernde, permanente Lungenschäden“, schreibt sie. „Meine Albträume sind furchtbar, ich wache schreiend und weinend auf. Ich fühle mich nicht mehr wie ich selbst!“ Anabel hofft, andere mit ihrem Schicksal zum Umdenken zu bewegen. „Das ist keine Grippe, Menschen sterben. Und wenn sie wie ich überleben, könnten es sein, dass sie nie wieder dieselben werden.“

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