25 Jahre nach Brandanschlag von Solingen: Wie Nazis eine türkische Familie auslöschten
Solingen am 29. Mai 1993. Ein Brandanschlag in der Unteren Wernerstraße. Fünf Menschen sterben in dieser Nacht qualvoll – weil sie Türken sind. 14 Opfer überleben teils schwer verletzt. Nicht nur Solingen, sondern ganz Deutschland steht unter Schock. Es ist kein zufälliges Unglück, sondern Höhepunkt einer Reihe von rassistischen Angriffen auf Einwanderer in den 90er-Jahren.
Täter waren rechtsradikale Jugendliche

Vom früheren Glück der Familie Genc ist nicht mehr viel übriggeblieben. Nur ein paar Stufen, die einst in den Keller führten. Und fünf Kastanienbäume, die an die Toten erinnern. Gürsün, Hatice, Gülistan, Hülya, Saime – fünf Frauen und Kinder sind gestorben, weil rechtsradikale Jugendliche aus der direkten Nachbarschaft das Haus in Brand setzten. 25 Jahre nach dem Inferno ist die Lücke zwischen den Häusern immer noch da. Ein Symbol für Ausländerhass.
Es ist das schlimmste rechtsextreme Verbrechen seit der Nazi-Zeit. Eine Familie, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebt. Ausgelöscht. Die vier jugendlichen Täter werden nur wenige Tage nach dem Anschlag festgenommen, müssen für viele Jahre hinter Gitter. Die Richter bescheinigen "schwere seelische Abartigkeit". Inzwischen sind sie wieder frei.
"Das waren Menschen, die ein hoffnungsvolles Leben vor sich hatten."

Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man. Mevlüde Genc, die zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren hat, empfindet immer noch tiefen Schmerz. Trotzdem verspürt sie keinen Hass auf die Deutschen: "Wir müssen zusammenhalten und standhaft bleiben." Für diese Großherzigkeit wird Mevlüde Genc sogar mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Doch nicht nur Familie Genc, sondern auch andere Menschen aus Solingen können einfach nicht fassen, wie ihre Stadt damals auf traurige Weise in die Schlagzeilen kam. "Wir waren so schockiert, haben alles liegen lassen und sind sofort in die Stadt gefahren, weil wir gehofft haben, dort Menschen zu treffen, denen es so ähnlich ging wie uns", erzählt Inge Krämer, die seit fast 60 Jahren in Solingen wohnt. "Das waren ja Menschen, die ein hoffnungsvolles Leben vor sich hatten, die waren durch so einen verbrecherischen Anschlag ums Leben gekommen."
Bis heute kein Mahnmal in der Solinger Innenstadt

Die Schuld am Anschlag sehen viele auch bei Politikern. 1993 eskaliert seit Monaten die Gewalt gegen Ausländer in Deutschland – der Staat tut nichts dagegen. Auf Demos machen Menschen Stimmung gegen Flüchtlinge. Sie grölen Parolen wie: "Das Boot ist voll", "Deutschland schafft sich ab", "Bald werden die Deutschen in der Minderheit sein". Zudem wird das Asylgesetz am 26. Mai 1993, nur drei Tage vor dem Brand, deutlich verschärft und das Recht auf Asyl eingeschränkt.
Ein Mahnmal gibt es in der City übrigens bis heute nicht, sondern nur am Rande der Stadt – weil Politiker Angst haben, dass es von Nazis beschmiert wird. Ein Armutszeugnis für Deutschland.
Im Video sehen Sie die dramatischen Aufnahmen von damals!