Aus fürs Verbrenner-AusDie Zukunft der Automobilbranche: Kurswechsel bei E-Autos – was bedeutet das für NRW?
Die Zukunft der Automobilbranche wirkt aktuell wie ein Blick in die Glaskugel. Jahrelang schienen alle Zeichen klar auf E-Mobilität zu stehen, Verbrennungsmotoren galten als Auslaufmodell. Doch nun mehren sich die Signale für einen Kurswechsel: Die EU-Kommission lockert das geplante Verbrenner-Verbot, der Autokonzern Ford fährt seine Elektrostrategie zurück – und in Nordrhein-Westfalen wächst die Verunsicherung.
Ford bremst beim Elektroauto – Schockwellen bis Köln
Besonders deutlich wird der Strategiewechsel beim Traditionshersteller Ford. Aus den USA sendet der Konzern ein klares Signal: Vollbremsung und Rückwärtsgang in Sachen E-Mobilität. Mehrere geplante oder bereits angelaufene Elektro-Modelle werden gestrichen, weltweit werden Abschreibungen in Höhe von 19,5 Milliarden Dollar verbucht. Künftig will Ford wieder stärker auf Hybridmodelle und Verbrenner setzen. Für Köln ist das brisant. Im dortigen Ford-Werk laufen seit 2023 keine klassischen Verbrenner mehr vom Band, das Werk wurde mit hohem Aufwand auf die Produktion von Elektrofahrzeugen umgestellt. Doch die E-Modelle aus der Domstadt verkaufen sich längst nicht so gut wie erhofft. Der Konzern steht unter Spardruck, Stellen werden abgebaut. Der Betriebsratsvorsitzende von Ford Köln, Benjamin Gruschka, beschreibt die Stimmung in der Belegschaft so: „Wenn Modelle verschwinden im ganzen Ford-Segment weltweit, sorgt das natürlich für Ängste. Wir sind gerade mitten in der Phase, dass sich die Belegschaft entscheiden muss: Gehe ich, bleibe ich, nehme ich das Abfindungsangebot an? Und es schürt natürlich weiter Unruhe in diesem Unternehmen.“
EU lockert das Verbrenner-Aus – mehr Luft oder neue Probleme?
Parallel zur Ford-Entscheidung sendet auch die EU-Kommission ein Signal, das viele als Abkehr vom reinen Elektro-Kurs deuten. Eigentlich sollten ab 2035 keine neuen Fahrzeuge mit klassischem Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Nun schlägt die Kommission vor, das Verbot abzumildern: Es soll nur noch für 90 Prozent der Neuwagen gelten, 10 Prozent könnten weiterhin mit Verbrennungsmotor verkauft werden. Für manche klingt das nach einer Atempause für Hersteller, Zulieferer und Kundschaft. Doch bei Neuwagen soll trotzdem auf grünen Stahl und klimaneutrale Kraftstoffe wie E-Fuels gesetzt werden. Und auch für den Endverbraucher könnte es unangenehme Folgen geben, sagt der Automobilexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Er warnt vor Nebenwirkungen: „Wenn es zu einer Verknappung der Neuwagen von Benzinern und Diesel kommt, kann das am Ende dazu führen, dass die bisherigen Fahrzeuge, also Benziner und Diesel, im Bestand länger gefahren werden.“ Die Folge könnte sein, dass es deutlich weniger Gebrauchtwagen gibt – und dass die wenigen verbleibenden Neuwagen mit Verbrennungsmotor preislich weiter anziehen. Für viele Menschen, die sich (noch) kein Elektroauto leisten können oder wollen, würde individuelle Mobilität so tendenziell teurer.
Flottenquoten und Bürokratie
Noch ein weiterer Baustein der europäischen Klimapolitik sorgt für Diskussionen: die geplante E-Quote für gewerbliche Flotten. Nach den Vorstellungen der EU soll bis 2030 rund die Hälfte der gewerblich genutzten Fahrzeuge in Deutschland elektrisch sein. Betroffen wären insbesondere Firmen- und Dienstwagen großer Unternehmen, aber auch Mietwagenflotten. In Nordrhein-Westfalen, wo viele Mittelständler auf Transporter, Lieferfahrzeuge und Dienstwagen angewiesen sind, lösen solche Pläne Widerstand aus. Der Fraktionsvorsitzende der FDP im NRW-Landtag, Henning Höne, kritisiert: „Ich finde, solche Flottenquoten sind zu planwirtschaftlich und sind ein zu starker Eingriff. Das sollte nicht in Brüssel entschieden werden. Genau diese Detailsteuerung führt doch dazu, dass wir innerhalb der Europäischen Union so bürokratisch und so langsam geworden sind.“
Aus Sicht der Kritiker drohen zusätzliche Kosten für Unternehmen, die ihre Fahrzeugflotten schneller umstellen müssten, als es wirtschaftlich sinnvoll oder technisch praktikabel wäre. Befürworter hingegen argumentieren, nur mit klaren Vorgaben lasse sich die Verkehrswende rechtzeitig erreichen.
Chinas E-Auto-Industrie als Profiteur?
Hinzu kommt eine geopolitische Dimension. Während Europa noch um Tempo und die passenden Instrumente ringt, hat sich China längst als Leitmarkt für Elektromobilität etabliert. Chinesische Hersteller bringen immer mehr wettbewerbsfähige E-Modelle nach Europa, oft deutlich günstiger als die Angebote europäischer Konzerne. Kritiker warnen: Wenn Europa von seiner Strategie abweicht, könnte das am Ende die heimische Autoindustrie schwächen und chinesischen Herstellern einen noch größeren Vorsprung verschaffen. Ob Verbrenner-Verbot oder Flottenquote oder Produktionsstopp einzelner E-Modelle: Noch ist nichts endgültig entschieden. Das geplante Aus vom Verbrenner-Aus muss im Europäischen Parlament und im Rat der 27 Mitgliedstaaten weiterverhandelt werden.


































