Bewegende Ausstellung über sexuelle Übergriffe

„Er habe Druck und den müsse er loswerden”

Eine Betroffene war über 80, als sie missbraucht wurde. Sie trug ein Nachthemd.
Eine Betroffene war über 80, als sie missbraucht wurde. Sie trug ein Nachthemd.
RTL Nord

Was hattest du an?
Eine Frage, die vielen Frauen gestellt wird, die Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind. Eine Wanderausstellung beantwortet genau diese Frage und gibt betroffenen Frauen Platz, ihre Geschichten zu erzählen. Die Jüngste sechs, die Älteste über 80 Jahre alt.

Nicht die Frauen oder ihre Kleidung sind schuld

Jana ging in Leggings und Pulli zur Arbeit und wurde Opfer sexualisierter Gewalt.
Jana ging in Leggings und Pulli zur Arbeit und wurde Opfer sexualisierter Gewalt.
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Jana ist bei der Arbeit, als es passiert. Im Krankenhaus. „Ich trug eine schwarze Leggings und einen Kapuzenpullover”, steht auf dem Ausstellungs-Zettel neben ebendieser Kleidung. „In der Umkleidekabine auf Station überraschte mich dann mein Kollege mit hinuntergelassener Hose und schloss die Tür der Umkleidekabine ab, um sich an mir zu vergehen. Ein Nein und Hilferufe wurden ignoriert. Er habe Druck und den müsse er loswerden.” Jana wird missbraucht.

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So wie elf weitere Frauen, die so mutig sind, ihre Geschichten in der Wanderausstellung „Was ich anhatte....” zu erzählen. Seit Montag (26. August) ist die Ausstellung in den Räumen des Wilhelm Wagenfeld Haus bei der Polizei Bremen zu sehen. Die Ausstellung soll zeigen: Frauen werden nicht vergewaltigt, weil sie einen Minirock tragen. Nicht die Opfer oder ihre Kleidung sind schuld an dem, was ihnen passiert ist.

Im Video: Sonja erzählt RTL schon 2022 ihre Geschichte

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Mit 14 kann sich Ruth endlich gegen den Missbrauch wehren

Kuratorin Beatrix Wilmes zu RTL: „Die Frauen oder die Menschen, denen sexualisierte Gewalt passiert ist, die werden meistens als erstes gefragt: Was hattest du an? Und das ist nicht nur Polizei, das ist auch Vater, Mutter, Freundin - was hattest du an? Und in dem Fall wird den Frauen auch eine Schuld unterstellt. Dass sie nicht das richtige angehabt haben, etwas aufreizendes anhatten und deshalb ist die Tat passiert.” Hier würden Täter und Opfer umgekehrt.

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Auch die damals erst sechsjährige Ruth schreibt als Erwachsene für die Ausstellung ihre Geschichte auf. Auch sie ist jahrelang missbraucht worden - von ihrem Stiefvater. „Er kam in mein Zimmer. Wenn es dunkel war. Im Schlafanzug. Wenn meine Mutter nicht da war. Er stellte sich vor mein Bett. Ich musste ihn anfassen - da unten. Ich habe Angst vor ihm.” Ruth berichtet weiter, wie ihr Stiefvater sie vergewaltigt. Bis sie sich als 14-Jährige endlich wehren kann und er schließlich aufhört. In der Ausstellung zu sehen: Ihr Blümchenkleid in Kindergröße.

Die erst sechsjährige Ruth trug ein Blümchenkleid.
Die erst sechsjährige Ruth trug ein Blümchenkleid.
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12 Betroffene - stellvertretend für viele weitere

Esther Wilken, Gleichstellungsbeauftragte der Polizei Bremen hat die Ausstellung in die Stadt geholt. Sie zu RTL: „Ich habe das Gefühl, wenn man vor der Kleidung steht und sich das anguckt, dass man obwohl die Person ja nicht anwesend ist, dass man trotzdem sehr nahe ist, das macht etwas sehr nahbar. Und das berührt einen irgendwie, dass man das so sieht und man sieht eben durch die Kleidung auch, wie alltäglich es einfach ist, dass es völlig egal ist, was ich anhabe, wo ich bin, was ich sage, was ich tue.”

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Die 12 Fälle der Ausstellung stehen stellvertretend für das, was viel zu vielen Opfern passiert. In Bremen kam es 2023 zu 189 Fällen von Vergewaltigungen oder sexuellen Nötigungen, in Niedersachsen waren es 1.464. Jeder Fall - einer zu viel! Bremens Innensenator Ulrich Mäurer zu RTL: „Diese Gewalt ist weit verbreitet in dieser Gesellschaft und findet ihren Höhepunkt auch in dem Umstand, dass jeden dritten Tag eine Frau getötet wird. Das ist eine wahnsinnige Situation. Und insofern ist es wichtig, darüber zu informieren.” Das tut die Ausstellung nun bereits seit vier Jahren. In Bremen ist sie noch bis zum 6. September zu sehen.