Enormer Stress in Notaufnahmen
Aggressive Patienten, überlastetes Personal - Fachkräftemangel sorgt für Chaos

Kliniken kommen an ihr absolutes Limit!
Lange Wartezeiten gehören in der Notaufnahme des Klinikum Osnabrück leider längst zur Realität. Nicht nur Patienten sind deshalb verzweifelt, auch das Personal steht unter enormen Stress. Kann die Notfallreform helfen?
Jede siebte Schicht ist unterbesetzt
Im Klinikum Osnabrück spitzt sich die Lage immer weiter zu. Zu viele Patienten, zu wenig Personal. „Wir haben täglich zwischen 120 und 150 Patienten und wir kommen zuallererst an räumliche Kapazitätsgrenzen”, sagt Chefarzt Dr. Lars Roman Herda. Da würden die insgesamt 19 Behandlungsplätze nicht ausreichen.
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Dann kommt eine Notfallinformation über die Handys der Mitarbeiter: zwei neue Notfälle werden angekündigt. Währenddessen füllt sich der Wartebereich immer weiter. Dabei sind laut Chefarzt Dr. Herda nicht alle davon wirklich „akute Notfälle”. Aber durch Krankenhausschließungen und überlastete Hausarztpraxen würden auch immer mehr Patienten mit kleinen Beschwerden in die Notaufnahme kommen. Weggeschickt wird keiner. Nach einem Bericht des Spitzenverbands der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft ist in fast jeder siebten Schicht zu wenig Pflegepersonal auf den Stationen anwesend. Dadurch kommt es zu langen Wartezeiten und Frust bei den Patienten.
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Patienten gehen Personal körperlich an
„Wir haben auch schon Fälle gehabt, in dem Patienten nicht nur verbal, sondern auch körperlich aggressiv gegenüber dem Personal wurden”, berichtet Dr. Lars Roman Herda. Um das zu verhindern, setzt die Klinik auf Transparenz. Monitore in den Wartezimmern zeigen, wie viele Patienten aktuell in Behandlung sind und wie viele warten. Krankenschwester Angelika Booker kann die Situation der Patienten nachvollziehen: „Für die Leute ist es schwierig da draußen, weil ich arbeite hier und ich mache meine Sachen. Für mich vergeht die Zeit, die da draußen sitzen, die sitzen und warten und denken, man vergisst sie.”
Es bräuchte viel mehr Personal, doch das hat kein Interesse an dem stressigen Beruf. „Man muss ja den Beruf attraktiver machen. Den kann ich attraktiv machen, wenn ich viel Personal habe und sagen kann ‘Du musst nicht jedes zweite Wochenende arbeiten’”, so Angelika Booker. Laut der Krankenkasse DAK könnte der Personalmangel aber sogar noch größer werden. In den kommenden zehn Jahren müsste landesweit mehr als jede fünfte Pflegekraft ersetzt werden, weil viele in Rente gehen.
Notfallreform soll entlasten
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mit seiner Notfallreform die Situation in den Krankenhäusern verbessern. Im Klinikum Osnabrück gibt es hierfür eine integrierte Notdienstpraxis. Sie entlastet die Notaufnahme vor allem abends und am Wochenende. Ein Konzept, das in Zukunft weiter ausgebaut werden soll. Trotzdem kommt es vor allem am Montag und Freitag immer wieder zu einer viel zu vollen Notaufnahme, sagt Dr. Lars Roman Herda.
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Doppelschichten sind für die Mitarbeiter hier kein Einzelfall. Auch heute muss Dr. Herda noch spontan eine zweite Schicht übernehmen, da ein Kollege krank geworden ist. Nochmal acht Stunden Dienst. Trotzdem würde Dr. Herda immer wieder den Job wählen: „Wenn ich sehe, dass ihnen in dieser größten Not geholfen werden kann, ist das für mich sehr erfüllend.“
Um Notaufnahmen zu entlasten, können Patienten bei dringenden, nicht lebensbedrohlichen Beschwerden außerhalb von normalen Praxisöffnungszeiten die ärztliche Bereitschaftsnummer 116117 anrufen. Diese ist nachts, an Wochenenden oder Feiertagen kostenlos zu erreichen.