Krankheitswelle in Baden-Württemberg und Bayern
Kinderärzte warnen vor Mykoplasmen-Infektion – müssen wir uns Sorgen machen?

Husten, Schnupfen, Lungenentzündung?
Läuft die Nase und kratzt der Hals beim eigenen Kind, denken viele Eltern erst mal an eine klassische Erkältung. Im Herbst schließlich auch nicht ungewöhnlich. Kommt jedoch ein hartnäckiger Husten hinzu, sollten Eltern wachsam sein, denn dann könnte eine Mykoplasmen-Infektion dahinterstecken – und die endet im schlimmsten Fall mit einer Lungenentzündung. Warum der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Baden-Württemberg gerade davor warnt und was Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht Eltern rät.
Was sind Mykoplasmen?
„Mykoplasmen sind besondere Formen von Bakterien”, erklärt Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht im Interview. „Besonders insofern, weil sie die kleinsten Bakterien sind, die man so kennt und vor allem, weil sie keine Wand haben.” Das Problem hierbei: Antibiotika wie Penicillin greifen genau diese Zellwand an – und sind hier darum wirkungslos. Infolgedessen sind spezielle Antibiotika nötig, um eine Mykoplasmen-Infektion zu bekämpfen.
Auslösen können Mykoplasmen Mittelohrentzündungen oder sogenannte atypische Pneumonien (Lungenentzündungen). „Das haben die immer schon gemacht, allerdings was jetzt besonders ist: dass relativ viele betroffen sind, was man sonst nicht so gesehen hat”, sagt Specht. Mykoplasmen seien Bakterien, die auch sonst mal im Körper anzufinden seien, uns bei einem normalen Immunsystem aber nicht unbedingt krank machen.
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Warum gibt es jetzt so viele Mykoplasmen-Infektionen?
Bei den aktuell hohen Fällen in Baden-Württemberg und Bayern handele es sich aber um krankmachende Mykoplasmen. „Die sind bisher nicht so massiv aufgetreten”, so der Mediziner weiter. Den Grund für die mindestens seit dem Sommer verstärkt aufgetretenen Fälle sieht Specht vor allem in den Maßnahmen der Pandemie. „Wir hatten in der Pandemie-Zeit besonders wenig Infekte. Es war damals schon klar, dass das aufgeholt werden würde und dann in den Jahren nach den Maßnahmen vermehrt Infektionen auftreten würden.” Weil Viren und Bakterien lange Zeit kaum zirkulierten, konnten Kinder keine Immunität entwickeln. Die Folge sehe man jetzt.
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Was sind die Symptome einer Mykoplasmen-Infektion und wie unterscheidet man sie von anderen Erkrankungen?
„Die Lungenentzündung, die aus einer Mykoplasmen-Infektion entsteht, zeigt sich normalerweise mit wenig starken Symptomen”, so Specht. Es könne zwar Fieber auftreten, aber der Verlauf sei nicht wie sonst bei Pneumonien, die durch heftige Symptome gekennzeichnet wären, sondern eher langsam und unterschwellig. Das Problem dabei: „Man kann sie ohne Test ganz schlecht von beispielsweise einer viralen Infektion abgrenzen”, sagt der Experte. Darum sei es wichtig, einen Abstrich zu machen, um dann auch das richtige Antibiotikum geben zu können.
Zum Arzt sollten Eltern mit ihren Kindern, wenn diese längere Zeit Symptome wie vor allem Husten haben, der nicht weggeht, rät Specht.
Weitere Symptome bei einer Mykoplasmen-Infektion sind:
Schnupfen
Halsschmerzen
leichtes Fieber
ein über mehrere Tage andauernder, heftiger Husten
Wie steckt man sich an und wie lang ist man ansteckend?
Die Ansteckung funktioniere über Anhusten und wahrscheinlich auch Schmierinfektionen, also Oberflächen, auf die die Bakterien gelangen und man sich darüber anstecke, erklärt Specht. Ansteckend sei man auch schon einige Tage vor den ersten Symptomen und auch Wochen danach noch. Gehe man zum Arzt, sollte man dort darum eine Maske tragen, rät der Mediziner. Zum Schutz anderer, aber auch zum eigenen Schutz.
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Gilt die Infektionswelle nur für Süddeutschland oder bundesweit?
Auch wenn die Infektionszahlen derzeit vor allem in Baden-Württemberg und Bayern sehr hoch sind, heiße das nicht, dass man sich beispielsweise in Bremen sicher fühlen könne, erklärt Specht. „Man muss schon davon ausgehen, dass das eine bundesweite und sicher auch europäische Welle wird.”
Auslöschen lassen sich die Mykoplasmen übrigens laut Specht nicht. „Es war einfach nur so, dass in den früheren Jahren eine gewisse Immunität bestanden hat bei den Kindern und Jugendlichen, sodass das nicht so durchgeschlagen hat. Und jetzt scheint es eben so zu sein, dass diese Immunität nicht ausreichend ist.”