Fataler Ärztefehler
Ärzte operieren falsches Knie! Für Michaela (51) der Beginn eines unendlichen Leidensweges

Sie wollte endlich wieder schmerzfrei leben ...
... doch nach der OP beginnt der Albtraum: Die Ärzte operierten das falsche Knie. Ein fataler Fehler mit dramatischen Folgen. Nun kämpft Michaela nicht nur gegen ihre Schmerzen, sondern auch um Gerechtigkeit – und die Hoffnung auf ein Ende ihres Leidens. Wie ihr ergeht es jedes Jahr tausenden Patienten.
Heftige Kniebeschwerden: Nur eine OP kann Michaela wirklich helfen
Zweieinhalb Jahre hat die 51-jährige Michaela Lenzen aus dem nordrhein-westfälischen Goch Beschwerden im rechten Knie – schmerzhaft und stark einschränkend! Die stellvertretende Filialleiterin eines Rewe-Marktes wird bei ihrer Hausärztin vorstellig und bekommt eine Überweisung für eine MRT-Untersuchung. Bei einer Untersuchung am 14. August wird ein verschleißbedingter Riss des Meniskus sowie Arthrose hinter der Kniescheibe und in einem Kniegelenkabschnitt festgestellt. Keine guten Nachrichten. Doch eine OP könnte helfen, das Knie wieder fit zu bekommen.
Mit Diagnose und Befund begibt sie sich ins Sankt-Clemens-Hospital nach Geldern und stellt sich dort einem Chirurgen vor. Eine Operation wird für den 16. Oktober 2023 angesetzt. Drei Tage vor dem OP-Termin hat sie, wie üblich, noch einmal einen Termin, zur finalen Vorbereitung des Eingriffs. „Mein rechtes Knie wurde dabei mit einem Textmarker gekennzeichnet“, sagt Michaela uns im Gespräch.
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„Ich dachte zuerst, ich sei vom OP-Tisch gefallen und auf das linke Knie gestürzt”
Am Tag der OP wird sie laut eigener Aussage vor der Narkose-Einleitung dreimal gefragt, welches Bein operiert werden soll – dreimal gibt sie an, dass es das rechte sei. Außerdem sei die Textmarker-Markierung auf dem rechten Knie noch sichtbar gewesen, so die 51-Jährige. Als sie wieder aufwacht, ist sie verwirrt. Sie hatte Schmerzen am rechten Knie erwartet, doch stattdessen schmerzt ihr linkes, beschwerdefreies Knie.
„Ich dachte zuerst, ich sei vom OP-Tisch gefallen und auf das linke Knie gestürzt“, erinnert sie sich im Interview mit RTL. Dann wird ihr allmählich klar: Die Ärzte haben am linken, statt am rechten Bein operiert. Michaela beschwert sich noch im Aufwachraum deutlich. „Vor der Tür wurde der Operateur plötzlich laut“, erinnert sie sich.
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Arzt gibt zu: „Es war mein Fehler”
Wir konfrontieren die Klinik in Geldern mit Michaelas Aussagen. Eine Pressesprecherin räumt ein: „Laut Patientenakte ist es tatsächlich bedauerlicherweise so, dass es zu einer Operation (OP) am linken, statt des rechten Knies der Patientin kam.“ Das hatte der zuständige Operateur laut der 51-Jährigen bereits unmittelbar nach der OP selbst zugegeben, erzählt uns Michaela. „Es war mein Fehler“, habe er gesagt.
„Er habe den Bericht nicht noch einmal gelesen, bevor er angefangen habe zu operieren”, schildert sie seine Worte.
Die Klinik erklärt den Hergang des Fehlers in einer Mitteilung an RTL dadurch, dass „in der Vorbereitung auf die Operation (…) das rechte Knie abgedeckt und das linke für die Operation vorbereitet wurde”. Zwar gebe es einen Sicherheitscheck vor der OP, bei dem der Operateur gemäß dem OP-Plan noch einmal im Beisein von Anästhesisten und OP-Pflege die vorzunehmende OP ansagt. Hier wurde der Fehler jedoch nicht mehr entdeckt, da „die falsche Seite bereits gewaschen und für die OP vorbereitet war und das rechte Knie komplett abgedeckt war”.
Weiter erklärt die Klinik: „Dadurch konnte eine Markierung – sofern diese noch sichtbar vorhanden war – nicht gesehen werden.”

Gelenkschlitten soll ihr linkes Knie retten
Doch für die 51-Jährige hört der Ärger nicht auf. Auch ihr linkes, fälschlich operiertes Knie verursacht nun Probleme: Erst reißt der Meniskus, dann wird in einem anderen Krankenhaus in Xanten Arthrose im Endstadium festgestellt. Michaela bekommt jetzt eine weitere Operation, ein Gelenkschlitten wird eingesetzt, sie kommt in die Reha.
Doch es bleiben starke Schmerzen – und das in dem Knie, das bis zu der verpfuschten Operation beschwerdefrei war.
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Michaela ist kein Einzelfall: Mehr als 3000 Behandlungsfehler im Jahr 2023
So wie Michaela ergeht es jährlich tausenden Menschen in Deutschland. Gutachter des Medizinischen Dienstes haben im vergangenen Jahr mehr als dreitausend Behandlungsfehler festgestellt, bei denen Patienten zu Schaden gekommen sind. In 75 Fällen führte ein Fehler sogar zum Tod, heißt es in einer Ende August in Berlin vorgestellten Auswertung. In jedem fünften Fall war ein Behandlungsfehler die Ursache für einen erlittenen Schaden.
Bei knapp 30 Prozent der Betroffenen wurden dauerhafte Schäden festgestellt.
Dazu zählen leichte, mittlere und schwere Dauerschäden – von Narben über chronische Schmerzsymptome bis zu Pflegebedürftigkeit, Erblindung oder Lähmungen. Für die Betroffenen gibt es dann die Chance auf Schadenersatz. Eigentlich.
Finanzielle Wiedergutmachung gerät ins Stocken: „Ich weiß nicht, was noch auf mich zukommt”
Auch Michaela wartet immer noch darauf, dass ihr Schaden vollständig reguliert wird. Der Streitwert wurde in ihrem Fall auf 40.000 Euro gerichtlich festgesetzt – Verdienstausfälle und zusätzliche Kosten inklusive. Doch die Verhandlungen über eine finanzielle Wiedergutmachung geraten immer mehr ins Stocken. „Ob der Betrag meine Kosten decken wird?“, fragt sich Michaela angesichts dieser Summe. „Ich kann immer noch nicht laufen und weiß nicht, was noch auf mich zukommt.“
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Doch die Anwälte argumentieren, dass aufgrund der in Xanten entdeckten Arthrose am linken, bis vor der OP noch beschwerdefreien Knies die Chancen jetzt schlechter stünden. Michaela ist enttäuscht und hat den Eindruck, dass ihr rechtlicher Beistand die Sache nicht mehr mit dem nötigen Druck verfolgt. Aber ein Anwaltswechsel lässt ihre Rechtsschutzversicherung nicht zu.
Mittlerweile hat die 51-Jährige die Reha verlassen dürfen. Doch die Freude darüber wird von den anhaltenden Schmerzen in ihrem linken Knie überschattet. Jeder Schritt fällt ihr schwer, und die Angst vor bleibenden Schäden und chronischen Schmerzen lässt sie nicht los. Zu allem Überfluss muss ihr rechtes Knie, der eigentliche Grund für ihren Leidensweg, immer noch auf die notwendige Operation warten. Zehn Monate sind vergangen – gefüllt mit Schmerz, Frust und der Ungewissheit, ob sie jemals wieder ein normales Leben führen kann.