Zehra B. stirbt nach Entbindung im Klinikum Lüdenscheid„Ich würde mein Leben geben, damit meine Schwester wieder aufwacht“

Firat D. schöpft neue Hoffnung durch die liebevolle Verbindung zu seiner Nichte, dem lebendigen Andenken an seine Schwester Zehra B. (Symbolbild)
Firat D. schöpft neue Hoffnung durch die liebevolle Verbindung zu seiner Nichte, dem lebendigen Andenken an seine Schwester Zehra B. (Symbolbild)
picture alliance
von Gizem Schumann

Ein Schock, der noch immer tief sitzt.
Firat D. kann es kaum fassen, dass seine geliebte Schwester Zehra B. im Dezember völlig unerwartet nach der Geburt eines gesunden Mädchens stirbt. Nach der Entbindung folgt ein Routine-Eingriff, der für Zehra letztlich tödlich endet. In einem bewegenden Gespräch mit RTL spricht Firat über den tragischen Tag, der das Leben seiner Familie für immer veränderte.

Nach alarmierendem Anruf: „Der Anblick war erstmal schrecklich“

Am Abend des 13. Dezember bringt Zehra B. aus Lüdenscheid ein zauberhaftes Mädchen zur Welt und hält es liebevoll in ihren Armen. Kurz darauf wird sie zu einer Ausschabung gebracht. Um 23.30 Uhr erhält Firat D. einen alarmierenden Anruf, dass etwas mit seiner Schwester nicht stimmt. Nur wenige Minuten später befindet er sich bereits im Krankenhaus, in dem eine spürbare Unruhe herrscht. „Der Anblick war erstmal schrecklich, weil man nur gesehen hat, wie Ärzte, Schwestern, Hebammen hin und her rennen. Wir wussten nichts, wir haben dann da gewartet“, erinnert sich Firat D. im Gespräch mit RTL.

Lese-Tipp: Warum musste Zehra B. (26) nach Entbindung sterben? Familie steht vor Rätsel

Nur eine halbe Stunde später teilt man der Familie mit, dass die 26-jährige Zehra sich in einem kritischen Zustand befindet und viel Blut verloren hat. „Uns ist erstmal die Welt auf den Kopf gefallen.“ Zehra wird noch in der Nacht notoperiert und liegt anschließend im Koma.

„Wir hatten für sie eine kleine Feier bei ihr vorbereitet“

Kein Mitglied der Familie hat mit einer solch tragischen Nachricht gerechnet. „Jeder hat eine Tüte mit Geschenken und Sachen zu Hause. Wir wollten am nächsten Tag zu ihr“, erzählt der 30-jährige Firat im RTL-Interview. „Wir hatten für sie eine kleine Feier bei ihr vorbereitet und am Ende bekommt man so eine Nachricht. Das war für uns ein kompletter Schock.“

Alle suchen nach Antworten auf den kritischen Zustand von Zehra, doch die Antworten bleiben aus. „Das hat uns komplett zerstört. Die Familie war sowieso am Boden. Das war meine kleine Schwester“, sagt Firat mit zittriger Stimme. „Wir haben die Welt nicht mehr verstanden. Wie das Klinikum sich verhalten hat, hat den Schmerz sogar verdreifacht.“

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Führte ein ärztlicher Fehler zum Tod von Zehra?

Tagelang sollen die Mitarbeiter den Familienmitgliedern aus dem Weg gegangen sein. War ein ärztlicher Fehler der Grund für den tragischen Tod der jungen Mutter? Die Familie fordert die Berichte und Befunde, um eine zweite Meinung einzuholen. Doch das Krankenhaus zögert, der mysteriöse Zustand dauert bis zum 16. Dezember an. „Und auch dann teilten sie mit, dass sie die Unterlagen nicht herausgeben dürfen, weil sie eine Vollmacht bräuchten von der Patientin, die im Koma liegt“, teilt die Anwältin RTL mit, die ab diesem Zeitpunkt eingeschaltet wird.

Lese-Tipp: Zehra B. (26) stirbt nach Entbindung – Kripo durchsucht Kreißsaal

Ein unermüdlicher Kampf beginnt – für seine geliebte Schwester, für seine neugeborene Nichte. Firat D. will nicht aufgeben, er kann die Situation nicht einfach so hinnehmen. „Meine Schwester lag noch da und ich wollte mich zusammenreißen. Wir hatten noch Hoffnung. Ich wollte, dass sie wieder auf die Beine kommt. Den Rest würde man dann noch irgendwie klären“, erzählt der 30-Jährige. Doch die Hoffnung schwindet mit jedem Tag. Zehra B. liegt weiterhin im Koma, ihr Zustand verbessert sich nicht. Die Familie ist verzweifelt, fühlt sich vom Klinikum im Stich gelassen. Sie stellt Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung. Am 27. Dezember werden die lebenserhaltenden Geräte abgestellt und Zehra B. für tot erklärt.

Klinikum Lüdenscheid: „Wir sind selbst tief betroffen“

Am Dienstag (14. Januar) äußert sich das Klinikum zu dem Fall. „Wir möchten unser tiefes Bedauern über das Versterben der jungen Frau ausdrücken. Wir sind selbst tief betroffen hiervon und in Gedanken bei der Familie“, heißt es in dem Statement. Es sei der Klinik ein großes Anliegen, Klarheit zu schaffen. Unmittelbar nach der Geburt sollen die zuständigen Mitarbeitenden die Angehörigen „in einem persönlichen Gespräch über den Zustand der Patientin informiert und die weiteren Schritte erklärt“ haben. „Auch nach der Operation erfolgten in engmaschigen zeitlichen Abständen immer wieder intensive Gespräche mit der Familie durch die behandelnden Ärzte über den gesamten Zeitraum hinweg bis zum Versterben der Patientin“, teilt das Krankenhaus mit. „Sollte hierbei der Eindruck entstanden sein, das Klinikum Lüdenscheid verhalte sich unkooperativ, so bedauern wir dies zutiefst.“

Das Klinikum Lüdenscheid von außen.
Die Polizei ermittelt im Klinikum Lüdenscheid die Todesumstände der jungen Mutter. (Archivbild)
RTL West

Die Ergebnisse der Obduktion stehen noch aus. „Wir ermitteln gegen Mitarbeitende des Klinikums Lüdenscheid wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung“, teilt Dr. Pauli, Oberstaatsanwalt von Hagen, im Gespräch mit RTL mit. Zehra B. wird am 4. Januar in der Türkei beigesetzt.

Familie von Zehra B. kämpft für Gerechtigkeit

Für Firat D. und seine Familie bleibt die Heilung noch in weiter Ferne. „Wir wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Wir wollen Gerechtigkeit und wir möchten, dass so etwas nicht nochmal passiert“, teilt der von Trauer gezeichnete Bruder mit RTL. Firat D. beschreibt seine Schwester als eine Person von unermesslicher Hilfsbereitschaft und Lebensfreude. Er muss sich beherrschen, denn die Wunden sind noch frisch, der Schmerz noch überwältigend. „Ich würde lieber mein Leben geben, damit meine Schwester wieder aufwacht. Ich würde alles für meine Familie tun.“

Playlist 50 Videos

Eine Familie bleibt zurück, geplagt von zahlreichen unbeantworteten Fragen. Ein kleines Mädchen muss nun ohne seine Mutter aufwachsen. „Sie fühlt es, glaube ich. Sie ist sehr ruhig und weint sehr selten. Ihr geht es gesundheitlich sehr gut“, sagt Firat D. liebevoll über seine Nichte, die wie ein kostbares Echo seiner geliebten Schwester Zehra B. in ihren Herzen weiterlebt.