Autistischer Junge (6) seit zwei Tagen vermisst
„Temperatur und Flüssigkeitszufuhr entscheidend” – Dr. Specht zu Pawlos Überlebenschancen

Ohne Schutz wird es schwierig!
Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ist Pawlos seit Tagen auf sich gestellt. Seit Dienstagnachmittag (25. März) wird der autistische Junge im hessischen Weilburg vermisst. Ohne Essen und Wasser verschwindet er aus der Schule. Für RTL ordnet Mediziner Dr. Christoph Specht ein, wie es unter den widrigen Bedingungen um den Sechsjährigen steht.
„Überlebenschancen hängen von Temperatur ab”
Unter Hochdruck suchen Polizei, Feuerwehr und Hunderte Freiwillige seit Tagen nach dem Sechsjährigen. In Hausschuhen und ohne Jacke verlässt Pawlos am Dienstag das Schulgelände. In der Nähe eines Bahnhofs wird er noch ein letztes Mal gesehen, dann verliert sich seine Spur. Zwei kalte Nächte liegen seitdem bereits hinter dem Kind.
Wie Dr. Specht erklärt, sind vor allem zwei Faktoren entscheidend für das Überleben des Jungen: „Eins ist natürlich die Temperatur und Nummer zwei ist die Flüssigkeitszufuhr, also Wasser, Ernährung.“ Letzteres spiele jedoch weniger eine Rolle, ein sechs Jahre altes Kind könne durchaus einige Tage ohne Nahrung überleben, so der Experte. Wichtiger ist es, dass Pawlos etwas zu trinken findet und einen geschützten Ort für die Nacht. Bei nur zwei Grad spitzt sich die Situation des Jungen ansonsten zu – denn sein kleiner Körper könnte schnell auskühlen.
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Kälte, Wind und Feuchtigkeit spitzen Situation zu
Die Außentemperatur spielt für den Körper eine wesentliche Rolle, sagt Dr. Specht. „Ohne Schutz kann so ein kleiner Körper relativ schnell auskühlen.” Die Kerntemperatur des Körpers müsse über 30 Grad bleiben, um richtig zu funktionieren. Normalerweise liegt unsere Körpertemperatur bei etwa 37 Grad. Wenn die durch die Kälte draußen nicht gehalten werden können, bekommt der Körper Schwierigkeiten, so Specht weiter.
„Die Durchblutung zentralisiert sich und letztendlich kommt es bei Temperaturen unter 26 Grad im Körperkern dann zum Tod.“ Feuchtigkeit und Wind würden das Problem verstärken. In der Praxis bedeuten das, dass Pawlos sich im besten Fall einen geschützten Ort für die Nächte gesucht hat. „Dann hat er selbstverständlich gute Überlebenschancen”, sagt der Mediziner.
Autismus lässt Pawlos Gefahren anders einschätzen
Je schneller Pawlos gefunden werde, desto besser. Da der Sechsjährige Autist ist, könnte in der Auffindesituation jedoch eine weitere Herausforderung liegen, meint der Experte. „Dieser Junge wird sich nicht so verhalten, wie man das sonst erwarten würde”, erklärt Specht. Autismus ist eine Spektrumsstörung, das heißt, es gibt ganz unterschiedliche Ausprägungen.
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„Man muss allerdings davon ausgehen, dass die Einschätzung der Umwelt bei einem autistischen Kind nicht so funktioniert, wie wir uns das normalerweise vorstellen.“ Das bedeutet, dass Pawlos möglicherweise Gefahren nicht als solche wahrnimmt. Gleichzeitig könnten jedoch auch wohlgesonnene aber fremde Menschen auf ihn beängstigend wirken. „Er wird sich dann eher verstecken. Und das ist natürlich für die Chancen des Auffindens eher negativ“, sagt der Experte.