„Es kommt auf die konkrete Situation an”Polizeischüsse auf Zwölfjährige – was ein Rechtsexperte dazu sagt

von Festim Beqiri und Samira Bonneik

Wie konnte dieser Einsatz so eskalieren?
Die zwölfjährige Maria (Name geändert) soll in Bochum mit zwei Messern Polizisten attackiert haben. Daraufhin haben diese geschossen. Das gehörlose Mädchen wurde dabei lebensgefährlich verletzt. Waren die Schüsse der Polizei wirklich nötig?

„Jeder Messerangriff kann tödlich enden”

Nach dem Schuss eines Polizisten auf die zwölfjährige Maria in Bochum gehen die Ermittler davon aus, dass das Mädchen die Beamten zuvor angegriffen hat. Die Ermittlungen der Mordkommission laufen weiter auf Hochtouren, wie die Behörden mitteilen. Denn noch sind viele Fragen offen – auch, ob der Schuss wirklich hätte fallen müssen. „Von außen wirkt das erst mal völlig unverhältnismäßig, wenn wir uns mal so die Kräfteverhältnisse überlegen”, sagt Rechtsexperte Arndt Kempgens im Gespräch mit RTL. „Eine 12-jährige Gehörlose, dann Polizeibeamte, die aufeinander treffen, das wirkt erst mal völlig unverhältnismäßig. Aber es kommt natürlich auf die konkrete Situation an, weil jeder Messerangriff kann tödlich enden.” Genau das hätten Polizeibeamte in solchen Situationen „natürlich auch im Kopf.”

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Insgesamt zwei Polizisten haben laut dpa vor Ort zu ihren Waffen gegriffen. Einer nutzte demnach ein Elektroimpulsgerät, also eine Waffe, die das Mädchen durch einen Stromstoß kurz handlungsunfähig machen sollte. Der andere griff aber zu seiner Dienstwaffe. „Als sie sich unmittelbar vor den Polizisten befand, setzten diese die Schusswaffe und das DEIG ein”, so Polizei und Staatsanwaltschaft. War es eine bedrohliche Ausnahmesituation?

„Wir sind ja hier im Notwehrrecht, wenn es eine Notwehrsituation ist. Durch diesen Angriff wird ja sozusagen herausgefordert und dann dürfen die Beamten nur das tun, was sozusagen in der Situation das mildeste Mittel ist”, erklärt Rechtsexperte Arndt Kempgens. Ob die Reaktion der Beamten wirklich angemessen war, wird noch geprüft.

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Zwölfjährige mittlerweile außer Lebensgefahr

Als das gehörlose Mädchen aus der betreuten Wohngruppe verschwunden war, hatten die Polizisten nach ihr gesucht, denn sie ist auf lebenswichtige Medikamente angewiesen. Die Beamten klingelten bei der ebenfalls gehörlosen Mutter. In der Wohnung hätten die Beamten dann das vermisste Mädchen und ihren Bruder sehen können. Allerdings habe die Mutter ihnen den Zutritt zur Wohnung versperrt, woraufhin sie von Beamten fixiert wurde, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilen. Dann soll Maria die Polizisten mit zwei großen Küchenmessern angegriffen haben.

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Bislang konnte die Zwölfjährige noch nicht befragt werden, sie liegt auf der Intensivstation. Ihr Zustand sei weiterhin „kritisch, aber stabil”, sagt ein Sprecher der Polizei Essen. Ermittlungen gegen sie wegen des mutmaßlichen Messerangriffs gibt es nicht, da sie mit zwölf Jahren noch nicht strafmündig ist.

Verwendete Quellen: dpa, eigene RTL-Recherche