Falscher Beauty-Doc machte mit ihr Kasse
Andrea sieht nach Gesichts-Behandlung aus „wie ein Wasserspeier“

Ihr „Arzt” war eigentlich nur Tätowierer...
Andrea (60) verlässt das Haus nur noch mit bedecktem Gesicht. Eine Gesichtsauffüllung sollte ihr eigentlich gleichmäßigere Wangenknochen bescheren. Doch sie gerät an einen falschen Arzt, das Resultat der Behandlung beschreibt sie selbst als „etwas Schreckliches, Widerliches“. Der Schummel-Doc ist sich keiner Schuld bewusst.
England: Andrea leidet noch immer unter Schmerzen
Zwei Jahre ist der Eingriff jetzt her, aber noch immer spürt die 60-Jährige aus dem englischen Hull die schmerzhaften Folgen. „Ich lebe jeden einzelnen Tag einen Albtraum“, schildert sie ihr Leid der BBC. Sie selbst findet, sie sehe aus „wie ein Wasserspeier“. Andrea besucht im Dezember 2021 erstmals die Kosmetikklinik Reshape U in Hull, um sich ihre Brüste aufspritzen zu lassen. Sie vertraut der Klinik, die sich auf ihrer Internetseite mit Auszeichnungen schmückt.
Sie trifft auf Dr. Sean Scott, seines Zeichens Klinikdirektor. Das zumindest, gibt er vor zu sein. Die BBC hat jedoch herausgefunden, dass Mr. Scott keine medizinische Ausbildung hat. Sein Doktortitel ist in Wahrheit ein gekaufter Ehrendoktortitel in Unternehmensberatung. Er sagt hingegen, er habe sich nicht als Arzt ausgegeben. Er habe seine „Kunden“ darüber informiert, dass er nicht medizinisch qualifiziert sei. Den falschen Titel habe er auf Anraten des Hull City Council (HCC) im Jahr 2024 nicht mehr verwendet. Die Behörde hatte ihn als „irreführend“ bezeichnet.
Falscher Arzt wollte Andreas Gesicht „harmonisieren“
„Ich habe auf alles vertraut, was er mir gesagt hat, … denn er wusste, wovon er sprach – er war der Arzt“, gibt Andrea zu. Während einer früheren Brust-Behandlung soll er ihr außerdem Antibiotika gegeben haben. Nur medizinisches Fachpersonal mit Verschreibungsberechtigung darf Antibiotika verschreiben. Mr. Scott erklärt der BBC, er habe weder die Antibiotika noch das Botox für die Brustfülleroperation verschrieben. Viel mehr will er sich die Medikamente online von einem „registrierten Arzt und einer autorisierten Apotheke“ besorgt haben.
Lese-Tipp: Emilia (4) stirbt nach Narkose beim Zahnarzt – was dem Pfusch-Arzt noch vorgeworfen wird
Der falsche Arzt wittert bei Andrea offenbar ein gutes Geschäft. Er rät ihr zu einem weiteren Eingriff. Sogenannte Dermalfiller sollen ihr zu gleichmäßigeren Wangenknochen verhelfen. Dermalfiller sind Injektionen aus Hyaluronsäure, die zum Auffüllen von Fältchen und zur Volumenverstärkung des Gewebes dienen. Andrea behauptet, Mr. Scott habe ihr gesagt, ihre Wangen seien seiner Meinung nach „ungleichmäßig“ und er könne ihr helfen, ihr Gesicht zu „harmonisieren“.
Andrea ließ sich Wangen, Kinn und Kiefer auffüllen
Andrea lässt sich auf seinen Rat hin Wangen, Kinn und Kiefer auffüllen, doch ihr Gesicht beginnt schon bald darauf anzuschwellen. Dunkle Flecken treten auf. Von da an, sagt sie, ist aus dem angeblich einfachen Eingriff eine ganze Reihe verpfuschter Behandlungen geworden. Sie behauptet, Mr. Scott habe ihr gesagt, die Schwellungen seien durch einen Insektenstich verursacht worden.
Er habe ihr dann zu weiteren Nachbehandlungen geraten. Andrea verkauft sogar ihren Schmuck, um diese zu finanzieren. Der falsche Beauty-Doc bestreitet die Vorwürfe: „Wir haben kein einziges Mal eine Behandlung durchgeführt, während der Klient Anzeichen von Schwellungen, Blutergüssen oder anderen Nebenwirkungen zeigte.“ Seiner Aussage nach, habe Andrea sich anfangs nur darüber beschwert, dass sie mit den Behandlungen „nicht ganz zufrieden“ gewesen sei. Er macht zudem andere Kliniken, in denen sich Andrea zwischenzeitig Hilfe geholt hat, verantwortlich.
Im Video: RTL undercover in türkischer Beauty-Klinik
Experte gibt Infektion als Ursache an
Ein Kosmetikexperte, der Andrea inzwischen untersucht hat, sagt, ihre Narben seien wahrscheinlich durch eine Infektion verursacht worden. Die können bei kosmetischen Eingriffen zwar auftreten, seien in einer sauberen Umgebung jedoch selten. Im Oktober 2022 ist Andreas Zustand so schlimm, dass sie kaum noch die Augen öffnen kann. Sie geht in ein Krankenhaus und erfährt von den echten Ärzten dort, dass ihre Schmerzen durch die kosmetischen Eingriffe verursacht wurden.
Scott sagt im Gespräch mit der BBC, die Klinik habe sich beraten lassen und seitdem „alle unsere Verfahren vollständig überarbeitet“. Er fügt hinzu: „Auch wenn wir anfangs vielleicht Fehler gemacht haben, haben wir unseren Kunden immer 100 Prozent unseres Könnens gegeben. Wir haben wertvolle Lektionen gelernt und uns bereits weitergebildet und weiterentwickelt.“ Für Andrea ein schwacher Trost. Und Fälle wie ihrer nehmen rasant zu.
Lese-Tipp: In Tränen aufgelöst! Frau trifft ihren Pfusch-Arzt vor Gericht
„Mehr Todesfälle und mehr Entstellungen“
Der erste Todesfall infolge eines kosmetischen Eingriffs wurde im Vereinigten Königreich im Jahr 2024 verzeichnet. Dr. Paul Charlson, Arzt für Ästhetik in East Yorkshire und Mitglied des Joint Council for Cosmetics Practitioners (JCCP), warnt davor, dass es „mehr Todesfälle und mehr Entstellungen“ geben wird, wenn die Regierung die von ihm und anderen Vertretern der Branche mit ausgearbeiteten Gesetze nicht in Kraft setzt.
Die JCCP erklärt, sie habe sich mit einer „Explosion von Beschwerden“ über schlechte Praktiken in diesem Sektor befasst. Im Jahr 2023 waren ihr die Beschwerden von zwei lokalen Behörden bekannt, während es Ende 2024 bereits 65 waren. Andrea sagt, sie sei sowohl psychisch als auch physisch gezeichnet, leide regelmäßig unter Schmerzen im Gesicht und habe eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert bekommen. Für Andrea steht fest: „Ich würde es nie wieder tun und ich würde auch niemandem dazu raten.“ (xes)