Mädchen starb, weil es ihrem Mörder zu laut war Janina (11) in der Silvesternacht erschossen – ihr Vater hat sein Glück zurück

Janinas Vater Vater Toni Mokris mit dem vierjährigen Mariyan
Janinas Vater Vater Toni Mokris mit dem vierjährigen Mariyan (Foto: privat)
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von Michaela Johannsen

„Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Janina denke.“
Mariyan weiß, dass er eine große Schwester hat. Er weiß aber nicht, warum Janina nicht mehr da ist. Er ist noch zu klein, um zu verstehen. Im Wohnzimmer stehen Bilder von Janina. „Papa! Janina!“, sagt der Vierjährige manchmal, wenn er die alten Fotos sieht, so sein Vater Toni Mokris (45). „Wenn er alt genug ist, werde ich es ihm erzählen. Aber da hat er noch Zeit.“ Er ist sich sicher, auch für Mariyan wird der Tod und die Erinnerung an seine große Schwester „ein Moment der Trauer.“ „Deshalb soll er alt genug sein“, um zu verstehen.

Dieses Foto seiner Tochter zeigen wir mit Einverständnis ihres Vaters
Dieses Foto seiner Tochter zeigen wir mit Einverständnis ihres Vaters (Foto: privat)
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Janina starb in der Silvesternacht 2016. Das neue Jahr war gerade eine Stunde alt. Ein damals 53-jähriger Mann schießt in eine Gruppe feiernder und fröhlicher Menschen und trifft Janina in den Hinterkopf. Der Lärm der Raketen und Kracher haben ihn gestört. Janina war ein Zufallsopfer. Sie wurde nur elf Jahre alt.

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„Rigatoni war ihr Lieblingsgericht“

Der Tod von Janina verändert alles. Ihr Vater Toni erlebt maximale Verzweiflung. Es gibt ein Leben davor und ein Leben danach. Davor war Toni unbeschwert, ein junger Vater, glücklich mit seiner Familie und mit seinem Job als Schichtleiter bei einem Fast-Food-Riesen. Von Janinas Mutter hat er sich getrennt, ist aber in einer neuen Beziehung. Janina sieht ihren Vater und seine Partnerin regelmäßig, vor allem an den Wochenenden. „Wenn sie nicht bei Papa sein konnte, war sie traurig“, erinnert er sich.

Ein Kreuz mit Lichtern zum Gedenken an die elfjährige Janina ist am 07.12.2016 in Unterschleichach (Bayern) an einem frostigen Morgen zu sehen.
Ein Kreuz mit Lichtern zum Gedenken an die elfjährige Janina ist am 07.12.2016 in Unterschleichach (Bayern) an einem frostigen Morgen zu sehen. (Foto: Archiv)
dpa

„Janina war immer lustig. Wir hatten ein super-Verhältnis, führten offene Gespräche“. „Ich finde, für ihr Alter war sie weit, umso schlimmer, dass sie so früh gehen musste.“ Oft haben Vater und Tochter zusammen gekocht: „Rigatoni war ihr Lieblingsgericht.“ Die beiden waren Fans von „DSDS - Deutschland sucht den Superstar.“ Der Samstagabend war für die RTL-Show reserviert, wenn die Staffel im TV lief.

„Ich hatte gleich das Gespür, dass was Schlimmes passiert ist“

In der Silvesternacht 2015/16 ist Toni nicht in Feierstimmung. Den ganzen Abend hat er ein „schlechtes Gefühl“. Warum, weiß er bis heute nicht. Es war wie eine Vorahnung. Seine Tochter ist das erste Mal alleine weg und feiert mit und bei Freundinnen. Das weiß ihr Vater aber nicht. Janinas Mutter hatte das ok gegeben. Kurz nach Mitternacht geht Toni Mokris ins Bett und schläft ein. Die Nacht ist unruhig, er schläft schlecht.

In den frühen Morgenstunden schaut er auf sein Handy und sieht etliche Anrufe seiner Ex-Frau. „Ich hatte gleich das Gespür, dass was Schlimmes passiert ist.“ Janina kämpft um ihr Leben. Sofort fährt er in die Klinik nach Schweinfurt. Bis er ankommt, ist sein Kind tot. „Der Anblick war ein Wahnsinn. Ich habe mein Kind nicht mehr erkennen können. Durch den Schuss, durch die OP. Ich habe den Anblick nicht ertragen. Ich habe zum Fenster rausgeschaut und bin dann wieder heimgefahren. Ich habe den Tag gar nicht mehr gewusst, was ich mache.“

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„Ich war traurig und hatte selbst keine Lust mehr zu leben“

Drei Monate nach Janinas Tod trennt sich Toni Mokris von seiner Partnerin. „Sie hat mir nicht den Halt gegeben, den ich gebraucht hätte.“ „Erst dann hatte ich Zeit, um mit mir selber klarzukommen. Zum Verarbeiten habe ich Ruhe gebraucht.“

Janinas Vater lebt alleine, zieht sich zurück. Sein Leben ist geprägt von Panikattacken, Kontrollverlust, Selbstentfremdung: „Ich habe mich schuldig gefühlt, obwohl ich nichts dafür kann. Es war schon so eine Zeit, so ein Druck in meinen Kopf - du denkst, dein Kopf platzt durch deine Gedanken.“ „Friedhof, Tod, Schuss.“ Diese drei Wörter sind ständig in seinem Kopf.

Toni Mokris beginnt eine Therapie und versucht wieder zu arbeiten, „auf die Beine zu kommen.“ 2019, drei Jahre nach Janinas Tod, kommt das Glück in sein Leben zurück. Auf der Arbeit lernt er seine jetzige Lebensgefährtin kennen. „Es war Liebe auf den ersten Blick,“ sagt Toni Mokris. Das Paar trifft sich häufig auf der Arbeit und dann auch privat. „Es war schnell klar, dass es passt.“ Seine neue Freundin wird schwanger. „Ich habe mich sehr gefreut,“ sagt Toni, aber es ist „wie so eine Waage.“

„Ich habe auch gleich an Janina gedacht“. Im November 2020 kommt Mariyan zur Welt. Toni Mokris wird zum zweiten Mal Vater: „Ich freue mich, dass ich nochmal einen Sohn habe. Er ist ein richtig glückliches Kind. Er lacht so viel. Er will leben und Freude am Leben haben.“ Vater und Sohn verbringen viel Zeit miteinander. Mit Janina vergleicht er ihn nicht. „Dinge, die Janina gemacht hat, der Charakter - die Kinder sind völlig verschieden.“ Toni Mokris merkt aber, er ist „oft übervorsichtig“ im Umgang mit seinem Sohn. „Vor allem habe ich Angst, dass er sich am Kopf stößt.“

„Der Schmerz ist immer da, ist bis heute nicht vergessen“

Seine Lebensgefährtin bremse ihn dann. Denn das ist die Erinnerung an den tödlichen Kopfschuss von Janina. Sein Therapeut hilft ihm Wege zu finden, um mit der Tat umzugehen, denn „der Schmerz ist immer da, ist bis heute nicht vergessen.“ Toni versucht sich an die schönen Zeiten mit seiner Janina zu erinnern. Diese Erinnerung soll überwiegen, nicht die Trauer. Dennoch kommen immer wieder Gedanken wie diese: „Wenn Janina noch da wäre, sie wäre schon volljährig. Wie würde sie sich fühlen, mit ihrem kleinen Bruder?“

Ab Herbst soll Mariyan in die Kita. Sein Papa freut sich mit ihm, auf den nächsten neuen Lebensabschnitt. Aber gleichzeitig hat er Angst, wenn Mariyan nicht mehr den ganzen Tag in seiner Nähe ist .Es gibt noch so viel zu verarbeiten. Toni Mokris hat an manchen Tagen Wut, wenn er an den Mörder seiner Tochter denkt. Aber sein Glaube hilft ihm, darüber hinwegzukommen. Seine Tochter wurde ermordet, sein Sohn gibt ihm neuen Lebensmut. „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Janina denke.“ Mit Mariyan hat ein neues Leben begonnen.

Anmerkung der Autorin: Ohne es zu wissen, sprach ich mit Janinas Mörder

Ich habe 2016 über den Fall Janina und ihren Tod in der Silvesternacht berichtet. Kurz ging die Polizei von einem Unfall mit Silvesterkrachern aus. Schnell wurde aber klar, Janina wurde mit einer Kleinkaliberwaffe erschossen. Die Polizei hat Spuren gesichert, Zeugen befragt und nach dem Schützen gesucht. Wenige Tage nach der Tat habe ich an dem Haus geklingelt, das neben der Wiese steht, auf der Janina erschossen wurde. Roland E. öffnete mir die Tür. Ohne es zu wissen, sprach ich mit Janinas Mörder. Auf meine Frage, wie es ihm geht, nach so einer schrecklichen Tat, sagte er mir: „Ich will davon nichts mehr hören“ und ich soll sofort gehen. Das tat ich auch.

Der Angeklagte Rudolf E. verdeckt am 07.12.2016 im Gerichtssaal im Landgericht in Bamberg (Bayern) mit einem Aktenordner sein Gesicht.
Der Angeklagte Rudolf E. im Dezember 2016 im Gerichtssaal im Landgericht in Bamberg (Bayern)
dpa

Ich war von seinem Verhalten irritiert. Keine Worte des Mitleids, der Trauer, so wie sie viele andere Menschen aus dem kleinen Ort geäußert hatten. Am nächsten Tag hat Roland E. in seinem Hof Schnee geschippt. Äußerlich völlig entspannt. Wenige Tage danach hat ihn die Polizei festgenommen. Die Patrone wurde eindeutig der Waffe des Sportschützen zugeordnet. Roland E. wurde wegen Mordes zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt.