„Sie wollte niemandem schaden”Oberärztin Elke in den Tod gemobbt? Jetzt spricht ihre Zwillingsschwester

von Melanie Haselhoff und Anna-Sophie Schütz

Das Wohl ihrer Patienten war für Dr. Elke Küßner immer das Wichtigste.
Deshalb wies sie jahrelang auf angebliche Missstände in einer Klinik in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) hin. Die Oberärztin war sich sicher: Menschenleben waren in Gefahr. Doch anstatt Gehör zu finden, sollte Elke Küßner offenbar schweigen.

Zwillingsschwester: Elkes Tod hätte verhindert werden können

Bettina Oertel trauert um ihre Zwillingsschwester.
Dr. Bettina Oertel trauert um ihre Zwillingsschwester.
RTL

Es muss dieser eine letzte Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat: Als Dr. Elke Küßner Ende November 2023 von ihrer Klinik eine fristlose Kündigung erhält, scheint in ihr etwas zerbrochen zu sein. „Meine Schwester war darüber so entsetzt, dass sie die Entscheidung getroffen hat, ihrem Leben ein Ende zu setzen”, berichtet ihre Zwillingsschwester im Gespräch mit RTL. Nur einen Tag später stirbt die erfahrene Oberärztin auf der Intensivstation, die sie selbst für viele Jahre geleitet hat.

Ihre Schwester ist sich bis heute sicher: „Sie wollte niemandem schaden, sie wollte niemanden vernichten. (...) Wenn die Geschäftsführung und der Chefarzt des Klinikums (...) viel früher reagiert hätten, wäre es nicht zum Suizid meiner Schwester gekommen.”

Patienten sollen gestorben sein

Dr. Elke Küßner arbeitete jahrelang als Intensivmedizinerin.
Dr. Elke Küßner arbeitete jahrelang als Intensivmedizinerin.

Bereits im Jahr 2021 will Oberärztin Elke Küßner bemerkt haben, dass es im Klinikum dramatische Probleme gegeben haben soll. Ärzte im Nachtdienst sollen überfordert, angeblich unqualifiziertes Personal auf der Intensivstation für mutmaßliche Behandlungsfehler verantwortlich gewesen sein. „Sodass dort Menschen gestorben sind, was vermeidbar gewesen ist. Davon war sie fest überzeugt”, erklärt ihr Anwalt Detlef Kröger im Gespräch mit RTL. Die leidenschaftliche Medizinerin habe daraufhin ihren Chefarzt über die Missstände informiert. Doch der soll nicht gehandelt haben.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

„Sie wurde schrittweise auseinandergenommen”

Dr. Elke Küßners Leben drehte sich um ihre Arbeit.
Dr. Elke Küßners Leben drehte sich um ihre Arbeit.

Die Oberärztin will nicht tatenlos bleiben und dokumentiert weiter Missstände, bis sie im September 2023 scheinbar endlich Gehör bei ihrem Chef und der Geschäftsführung des Klinikums findet. Doch dann kommt alles anders. Kurz vor ihrem Tod schildert Dr. Elke Küßner den Ablauf des Gesprächs in einem Interview mit Südkurier-Journalist Benjamin Schmidt: „Vier Stunden haben sie mich in die Mangel genommen. Die glauben immer noch, dass man das, was gelaufen ist, dass man mich tot kriegt. Ich habe manchmal das Gefühl, die warten nur darauf, dass ich (…) umfalle.”

Lese-Tipp: Viertklässler Sammy (10) begeht Suizid - Vater: „Sie wussten, dass das passiert“

Dr. Elke Küßner soll ihre Vorwürfe zurückziehen, wird erst auf eine andere Station versetzt, später freigestellt. Dann hält sie schließlich ihr Kündigungsschreiben in den Händen. „Sie wurde schrittweise auseinandergenommen. Über Monate. Und mit dieser Kündigung hat man diesen letzten Stein rausgezogen. Und dann ist sie zusammengebrochen”, schildert eine Mitarbeiterin des Klinikums, die anonym bleiben möchte, Elke Küßners Lage.

Ihr Chefarzt muss gehen

Nach dem Tod der 46-Jährigen scheint die Klinik handeln zu müssen. Eine interne Untersuchung beginnt, im Juli gibt es eine Pressekonferenz. Laut der Ergebnisse der Untersuchung soll auch Dr. Elke Küßner ein Behandlungsfehler unterlaufen sein, der zum Tod eines Patienten geführt hat. Ihr Anwalt hält das Nachtreten gegen seine verstorbene Mandantin für niveaulos.

Im Zuge der Pressekonferenz wird aber auch verkündet: Dr. Elke Küßners Chefarzt wird entlassen. Dessen Anwalt teilt auf RTL-Anfrage mit: „Mein Mandant hat die ihm im Rahmen der Compliance-Prüfung gemachten Vorwürfe angeblicher Behandlungsfehler (...) in einer umfangreichen und fundierten Stellungnahme zurückgewiesen.” Zwillingsschwester Dr. Bettina Oertel hat inzwischen Strafanzeige gegen den Chefarzt gestellt − wegen Körperverletzung, Verleumdung und übler Nachrede.

Nachtrag: Zwischenzeitlich teilt der Anwalt des Chefarztes mit, dass das Ermittlungsverfahren wegen einer Strafanzeige, die die Zwillingsschwester der verstorbenen Oberärztin gegen ihn gestellt hat, durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wurde.

Auch die Staatsanwaltschaft hat sich mittlerweile eingeschaltet und ermittelt gegen insgesamt fünf Ärzte. Für Elke Küßners Zwillingsschwester bleibt jedoch die endlose Trauer und ein dringender Wunsch: „Ich hoffe, dass ihre Message, die sie noch ausgesendet hat, mit ihrem Tod, dass sie gehört wird!”

Hier findet ihr Hilfe in schwierigen Situationen

Solltet ihr selbst von Suizidgedanken betroffen sein, sucht euch bitte umgehend Hilfe. Versucht, mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen über eure Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.

Wenn ihr schnell Hilfe braucht, dann findet ihr unter der kostenlosen Telefon-Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 Menschen, die euch Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.