„Wir reanimieren gerade noch”ntv-Moderatorin Jessika Westen erlebte Loveparade-Katastrophe mit! Dieses Telefonat wird sie nie wieder vergessen
„Das sitzt noch immer tief.“
Sie stand für Liebe, Zusammenhalt und gemeinsames Feiern: die Loveparade. Doch seit 2010 bei der Parade in Duisburg Dutzende Menschen starben, ziehen die Erinnerungen vor allem ein Gefühl der Trauer mit sich. ntv-Moderatorin Jessika Westen war damals, vor genau 15 Jahren, vor Ort – und bekommt heute noch Gänsehaut, wenn sie an die Tragödie denkt, wie sie auch im Video erzählt.
Polizei bestätigte Westen: „Mindestens zehn Tote, aber wahrscheinlich noch mehr”
21 Tote, Hunderte Verletzte, unzählige traumatisierte Menschen – die Loveparade 2010 bleibt als Katastrophe in Erinnerung. Vor genau 15 Jahren werden am Ein- und Ausgang der Technoparade, einem Tunnel, die Menschen förmlich erdrückt. Nur wenige Meter entfernt am Hauptbahnhof in Duisburg steht Jessika Westen (45), die als Reporterin für den WDR von der Party berichtet.
„Das sitzt noch immer tief. Ich merke, wenn ich darüber spreche, habe ich direkt wieder so ein schweres Gefühl auf der Brust“, sagt die heutige ntv-Moderatorin bei RTL. Das sei ein Moment, der präge sich unheimlich ein und begleite sie noch bis heute. „Ich war da eigentlich als Partyreporterin und bin innerhalb kürzester Zeit zur Katastrophenberichterstatterin geworden.“ Inmitten der Feiernden habe sie einen Anruf aus der Redaktion bekommen, ob sie etwas von Toten gehört habe. „Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich hatte die Handynummer vom Pressesprecher der Duisburger Polizei und habe den erreicht.“
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Dass sie den Pressesprecher überhaupt erreicht, ist ein glücklicher Zufall, schließlich bricht das Handynetz während der Veranstaltung immer wieder ein. Doch was der Sprecher Westen sagt, wird sie nie vergessen: „Frau Westen, ich kann Ihnen bestätigen, mindestens zehn Tote, aber wahrscheinlich noch mehr. Wir reanimieren gerade noch.“
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Eltern fragen Westen, ob sie ihre Kinder gesehen habe
Westen ist vor 2010 regelmäßig als Feiernde auf der Loveparade und freut sich riesig, als sie endlich als Reporterin von der Parade berichten darf. „Und dann, ausgerechnet als ich da stehe, passiert da so etwas Schreckliches. Das kann man gar nicht in Worte fassen.“ Noch heute erinnert sie sich an die Betroffenen und Überlebenden, die nur einen Tag später am Tunnel Blumen niederlegen und Kerzen aufstellen.
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„Da gab es auch noch Eltern, die ihre Kinder gesucht haben“, sagt Westen. Angehörige fragen sie, ob sie wisse, wo ihre Tochter sei, ihr Sohn, ihr Kind. „Ich stand da als Reporterin und wusste es ja auch nicht und konnte nicht helfen. Und diese Hilflosigkeit dann auch in den Augen der Menschen zu sehen, das hat mich wirklich sehr bewegt.“ Diese Szenen und der Gottesdienst, der später am Tunnel abgehalten wird, bringen Westen an ihre Grenzen. „Da habe ich gemerkt, jetzt wird es wirklich schwierig, professionelle Distanz zu wahren.“

Sie lernt Eltern kennen, deren Kinder nie wieder durch die Haustüre treten, Ersthelfer und den leitenden Notarzt, die versuchten, inmitten des Chaos’ Leben zu retten. Während ihrer Berichterstattung und in den Jahren darauf spürt Westen immer wieder diese nagende Frage: Wie kann sowas passieren? Und so schreibt sie 2020 das Buch „Dance or Die. Die Loveparade-Katastrophe“ (Emons, 2020).
„Mir war ganz wichtig, dass klar wird: Sowas darf nie wieder passieren“, sagt Westen. „Und mir war wichtig, zu zeigen, dass die Menschen nicht selber schuld waren, sondern es einfach eine komplette Fehlplanung war.“ Es habe sich nicht, wie vielfach berichtet, um eine Massenpanik gehandelt. „Die Menschen hatten nicht mal Platz für Panik.“ Das habe der Gutachter später festgestellt.
Jessika Westen über die Loveparade-Katastrophe in Duisburg: „Unbeschwertheit einer ganzen Generation gestorben”
Mittlerweile begleite die Loveparade 2010 sie zwar nicht mehr im Alltag; Westen hat im Laufe der Zeit Abstand zu der Katastrophe gewonnen. Bei Jahrestagen oder wenn sie von Großveranstaltungen berichtet, seien die Erinnerungen und die „Gänsehaut“ jedoch sofort wieder da.
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Ob sich bei der Veranstaltungsplanung in Deutschland nach der Loveparade etwas zum Besseren gewendet hat, mag Westen nicht beurteilen. Doch einer Sache ist sie sich sicher: „Für mich ist mit der Katastrophe ein bisschen die Unbeschwertheit von einer ganzen Generation gestorben.“ Diese Art des Feierns und des Gemeinschaftsgefühls, die sie bis dahin mit der Loveparade verbunden habe, sei mit einem Mal vorbei gewesen.
„Dementsprechend ist es für mich schön zu sehen, dass es in Berlin wieder Nachfolgeveranstaltungen gibt – die Rave The Planet Parade.“ Die gibt es seit 2022 und sei das „Epizentrum von Technomusik, Gemeinschaft, Transformation und Liebe“, wie es auf der Webseite der Parade heißt. Und genau das wünscht sich auch Westen. Dass das Gefühl, das die Loveparade einst vermittelt habe, wiederkommt – und bleibt.
„Loveparade 2010 – Die Geschichte einer Tragödie” jetzt auf RTL+
Seit der Katastrophe vor 15 Jahren sind einige Serien, Dokumentationen, Bücher und Podcasts über die Loveparade erschienen. Darunter ist auch der Podcast „Loveparade 2010 – Die Geschichte einer Tragödie”, den ihr jederzeit auf RTL+ hören könnt.