„Meine Kinder spielen halbnackt in der Badi und werden fotografiert. Das geht doch nicht!”Drastische Maßnahmen! Ein kleiner Ort in der Schweiz wehrt sich gegen Touristen

In Lungern in der Schweiz werden Anti-Touri-Schilder verteilt.
In Lungern in der Schweiz werden Anti-Touri-Schilder verteilt. (Symbolbild)
picture alliance: blickwinkel/allOver/TPH | allOver/TPH // KEYSTONE | PETER KLAUNZER (Symbolbild) IMAGO/Geisser

Privatsphäre? Fehlanzeige!
Zumindest dann, wenn im Sommer wieder Touristenmassen durch die Gassen von Lungern strömen. Der Ort im Schweizer Kanton Obwalden gilt als Tourismus-Hotspot - doch der Andrang nimmt langsam überhand: Die Reisenden sollen angeblich teilweise blonde Kinder anfassen und fremde Wohnungen betreten. Weil das Privatleben der Bewohner in Lungern mittlerweile so stark eingeschränkt sein soll, hat die Gemeinde nun reagiert - mit ganz speziellen Schildern. Berechtigt oder total gaga?

Zu viele Touristen, Anwohner genervt - „Sie latschen in unsere Gärten und fotografieren unsere Häuser”

Lungern in der Schweiz - ein malerischer Ort, der vor allem ausländische Touristen - besonders aus Asien - anzieht wie ein Magnet. Zu sehen gibt es schließlich schöne traditionelle Häuschen, ein blau-grüner See, der zum Schwimmen einlädt, und gepflegte Gärten, wohin das Auge reicht.

Die Anwohner sind von der Situation jedoch ganz schön genervt. Denn die Touri-Situation spitzt sich immer weiter zu: „Sie latschen in unsere Gärten und fotografieren unsere Häuser. Doch nicht nur das: Meine Kinder spielen halbnackt in der Badi und werden fotografiert. Das geht doch nicht!”, erzählt eine Bewohnerin gegenüber der Schweizer Nachrichtenseite 20min.

Wird wenigstens dank der Touristen die Wirtschaft des kleinen Örtchens angekurbelt? Nein, wie ein weiterer Lungener sagt: „Sie kommen mit ihren Koffern, laufen durchs Dorf und verschwinden danach wieder. Wirtschaftlich bringt uns der Tourismus also kaum etwas.”

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Idyllische Kulisse und asiatische TV-Serie lockt die Touristen-Massen an

Die Lugener Gemeinde greift jetzt durch. Seit einigen Wochen, so 20min, stellt sie den Anwohnern gratis Verbotstafeln zur Verfügung. Diese könnten im Garten aufgestellt oder an Gittern aufgehängt werden, quasi als Stopp-Schilder gegen Touristen. Die Idee stamme von den Anwohnern selbst. Allerdings sei das nur eine kurzfristige Maßnahme, man habe nach einer schnellen Lösung gesucht, wie der Geschäftsführer der Gemeinde, Andreas Kammer, erzählt.

Mit den Schildern soll niemand verscheucht werden, sondern es geht vielmehr um Folgendes: Seit dem Ende der Coronavirus-Pandemie und der Ausstrahlung der bekannten asiatischen Serie „Crash Landing on You” seien deutlich mehr Touristen im Ort - und „auf einen solch rasanten Anstieg war Lungern nicht vorbereitet”, so Kammer.

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Den Run der Touristen begründet Daniel Scardino, Geschäftsführer von Obwalden Tourismus, wie folgt: „Die außergewöhnliche Landschaft mit dem markanten smaragdgrünen See, die Berge rundherum. Es gibt gute Gründe, warum Besucher begeistert sind.”

Die TV-Serie tut jetzt ihr Übriges: „Daher ‘irren’ die Gäste im idyllischen Ort herum, auf der Suche nach diesem besonderen Drehort. Das stört (wahrscheinlich) die Einheimischen, die plötzlich Fremde in ihren Gärten und sogar in ihren Wohnungen vorfinden”, sagt Scardino.

Besonders problematisch seien allerdings die Touristen, die Kinder anfassen. Eine Aufsichtsperson der Lungener Schule habe bereits mehrfach gemeldet, dass blonde Kinder nicht nur fotografiert, sondern auch schon angefasst worden seien.

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Touristen-Stoppschilder - hilfreicher Wegweiser oder unzulängliche Maßnahmen?

Was die Stopp-Schilder angeht, gehen die Meinungen auseinander. Eine Mitarbeiterin in einem Lungener Lokal schätze die Gäste, sie sagt, ohne die Touristen „wären wir schlecht dran.” Und: „Die Schilder sagen viel über uns aus und werfen ein schlechtes Bild auf unser Dorf.”

All denjenigen, die sich an den Touristen stören, rät etwa Scardino, „tolerant und geduldig” zu sein. Es bestehe Handlungsbedarf, die Besucher bei Ankunft über die in der Schweiz üblichen Verhaltensregeln aufzuklären.

Eine Touristin (20) aus Korea, die auf die Missstände angesprochen wurde, sagt: „Dass es Leute gibt, die Kinder anfassen und Wohnungen betreten, finden wir schrecklich. Niemals würde uns so etwas in den Sinn kommen. [...] Die Schweizer Kultur ist schon anders als unsere. Wenn man uns aber auf den Verhaltenskodex hinweist, beachten wir ihn normalerweise auch.”

Ob die Stopp-Schilder wirklich helfen? Das wird sich zeigen. (vdü)

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