DFB-Peinlichkeit hat Folgen
Wenn Uli Hoeneß schon sprachlos ist …

Drei Spiele, drei Siege, so hatte sich Bundestrainer Joachim Löw den Start in seine finale Mission beim DFB vorgestellt. Der Weg nach den Erfolgen gegen Island und Rumänien war bereitet, doch dann kam Nordmazedonien (!) …
Von Tobias Nordmann
Die gute Nachricht an diesem erschreckenden Abend ist: In der Tabelle der Gruppe J steht Deutschland noch immer vor den Nationalmannschaften aus Rumänien und Island. Und auch auf das punktlose Fürstentum Liechtenstein hat das Team von Bundestrainer Joachim Löw den Vorsprung von sechs Zählern gehalten. Die schlechte Nachricht ist: Auf dem Weg zur umstrittenen Weltmeisterschaft in Katar im Winter 2022 ist „Die Mannschaft“ nach drei Spieltagen nur Dritter – hinter Armenien (!) und Nordmazedonien (!).
Armenien (!) und Nordmazedonien (!), das waren vor nicht allzu langer Zeit noch Gegner für Deutschlands beste Fußballer, da ging es nicht um die Tendenz des Spiels – also Sieg, Remis oder Niederlage. Da ging es einzig und allein um das Ergebnis. Und das durfte gerne recht deutlich ausfallen. Diese Wahrheit wurde nun in Duisburg peinlich hergespielt. Jede noch so zarte Hoffnung auf eine erfolgreiche Abschiedsmission von Löw als Bundestrainer bei der EM im Sommer wurde erschreckend verstolpert. Gegen Nordmazedonien (!) kassierte „Die Mannschaft“ eine 1:2 (0:1)-Niederlage. Ein Wahnsinn.
Nordmazedonien siegt mit Leidenschaft und Robustheit
Ja, Nordmazedonien hat das gut gemacht. Nordmazedonien (!), der 65. der Weltrangliste, hat technisch wirklich gute Fußballer im Aufgebot. Und mit Sturmchef Goran Pandev, einen internationalen Spitzenmann unmittelbar vor dem Karriereende. Das Team hat Leidenschaft gezeigt, eine höchst emotionale Kommunikation und eine robuste Zweikampfführung. Dass das aber reicht, um Deutschland zu besiegen – erschreckend. Wie ein Satz aus einer anderen Welt wirkte hernach auch die Analyse von Segre Gnabry: „Kompliment an Nordmazedonien, sie haben es uns sehr schwer gemacht.“ Ein Wahnsinn.
Und nun war es auch nicht so, dass der Konjunktiv im Fall von Timo Werner reicht, um die Leistung zu kaschieren. Wenn der Stürmer des FC Chelsea beim Stand von 1:1 freistehend das Tor getroffen hätte …, ja, dann hätte die DFB-Auswahl vermutlich gewonnen. Verdient wäre das allerdings nicht gewesen (was noch erschreckender ist). Denn sowohl beim Ausgleich per Elfmeter (das Foul an Leroy Sané muss man nicht pfeifen), als auch bei einem Handspiel von Emre Can im Strafraum hatte Löws Team den Schiedsrichter auf seiner Seite. Eine Kontrolle per Videobeweis hätte wohl andere Entscheidung gebracht, aber den VAR gibt’s halt nicht.
VIDEO: Hoeneß`Euphorie ist verflogen
Hoeneß fehlt Verständnis für Löws Systemumstellung
Diese Niederlage zu erklären, fast nicht möglich. Ob es wirklich nur die Systemumstellung von der stabilen Vierer- auf eine variable Fünferkette war? TV-Experte Uli Hoeneß fehlte für den Plan des Bundestrainers zumindest das Verständnis. Zumal der sehr zuverlässige Lukas Klostermann als Rechtsverteidiger einsatzfähig gewesen wäre. Und Robin Gosens, der neu ins Team gerückt war, nur selten überzeugende Aktionen hatte. Nun, so gestand Hoeneß, sei er „ziemlich sprachlos.“ Ausgerechnet Hoeneß, der Dampfplauderer. Ein Wahnsinn.
Diese Niederlage, sie hat Folgen. Vor allem atmosphärische. Und sie zeigt, wie zerbrechlich diese letzte Mission von Löw ist. Denn kaum war das Spiel abgepfiffen, tobte sich bei Twitter ein nicht ganz kleiner Mob aus, der die sofortige Entlassung des Bundestrainers fordert, der tatsächlich im letzten WM-Qualifikationsspiel seiner Bundes-Jogi-Karriere seine erste Niederlage kassierte. Nun kann man dergleichen (den Twitter-Mob) souverän ignorieren. Schließlich sind solche Shitstorms ja nur selten gehaltvoll. Aber es gibt eben dennoch ein Stimmungsbild wieder. Und das ist, nun ja, schlecht. Das ist die Wahrheit. In schön.
Löw: „Wir können ein gutes Turnier spielen“
Alles wird nun hinterfragt. Zum Beispiel Folgendes: Waren die Siege gegen Island und Rumänien ein Trugbild? Nein, waren sie nicht. Sagt Löw. Aber was soll er auch sonst sagen? "Jeder hat gesehen, dass die Mannschaft in beiden Spielen einige Dinge gut umgesetzt hat. Da haben wir kaum Chancen zugelassen. Das war diesmal anders.“ Und jetzt? „Wir müssen uns stabilisieren, das ist uns nicht gelungen. Das müssen wir akzeptieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen." Sätze, die man längst hinter sich glaubte. Ein Wahnsinn.
Und wer glaubt, er hat diesen Wahnsinn gegen Nordmazedonien (!) nun erfolgreich zu Ende gelesen, sorry, leider nein. Denn angesichts der Kreativlosigkeit, des Mangels an Dynamik und den einfachsten Aussetzern in der Abwehr, wurde nach diesem Spiel natürlich SOFORT wieder die Diskussion um ein Comeback von Thomas Müller und Mats Hummels entfacht. Und, wie schaut’s aus? "Die Frage ist aufgrund des einen Spiels nicht zu beantworten. Die Entscheidung fällt im Mai. Wir gehen mit einer bitteren Niederlage in die Pause. Ich muss mir Gedanken machen, was wir besser machen können. Wir werden uns in den nächsten Tagen und Wochen intensiv Gedanken machen. Wir werden noch einmal alles überprüfen. Wir dürfen nicht den Glauben verlieren. Wir können ein gutes Turnier spielen.“ Wirklich?