Hohe Belastung durch gestiegene Kosten
Kinderreiche Familien leben am Limit: „Das ist gravierend, das ist Armut"

Mutter, Vater, sechs Kinder - geht es zum Einkaufen, ist der Wagen immer bis oben hin randvoll. Der Familie Nagel reichten im Jahr 2021 monatlich noch 1.150 Euro für Hygieneartikel und Lebensmittel, 2022 brauchte die Familie dafür 1.400 bis 1.500 Euro. Die seit Monaten anhaltende Inflation trifft Haushalte mit vielen Kindern überproportional stark. In etwa jeder achten Familie in Deutschland werden drei oder mehr Kinder groß.
"Vielen sind keine gemeinsamen Aktivitäten mehr möglich"
Mario Nagel arbeitet bei einer Landesbehörde, seine Frau Marion ist Grundschullehrerin. „Es geht noch relativ gut mit unseren zwei Vollzeiteinkommen. Aber wir merken, dass alles teurer wird“, schildert der Familienvater. Die Schule, in der Marion Nagel tätig ist, liegt in einem sozial benachteiligten Viertel. Dort stellt sie fest: „Die Kinder haben kein Obst und Gemüse mehr dabei. Die Familien haben kein Geld dafür. Und vielen sind auch keine gemeinsamen Aktivitäten mehr möglich“, erzählt die 44-Jährige. „Das ist gravierend, das ist Armut. Zumindest bei gesunden Lebensmitteln müssten die Preise dringend gesenkt werden, zum Beispiel über die Mehrwertsteuer.“
Aber auch die Familie Nagel selbst spart. Die Temperatur im Haus ist um zwei Grad heruntergeregelt. Auch die Waschmaschine läuft bei gesenkter Gradzahl. Die enorm gestiegenen Spritkosten belasten die Familie nicht so sehr, denn alle sind in dem Ballungszentrum möglichst mit Bus, Bahn und Fahrrad unterwegs.
"Wir müssen sehr die Zähne zusammenbeißen"

Auf dem Land läuft hingegen fast nichts ohne Auto. Der Familie Vockeroth, die ländlich in der Nähe der bayerischen Grenze wohnt, tun die hohen Spritkosten weh, wie Dachdecker- und Zimmermeister David Vockeroth erzählt. Seine Frau Nicole ist Polizeibeamtin. Bisher reichten die zwei Gehälter so gerade. Nun ist es für die Vockeroths - drei Mädchen, sechs Jungen zwischen zwei und 22 Jahren - wirklich eng.
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Bei einem sparsamen Einkauf für eine Woche kamen sie früher mit 120 bis 150 Euro für das Allernotwendigste aus. „Jetzt liegen wir weit über 200 Euro.“ Urlaub machen die Acht schon seit Jahren auf dem Bauernhof oder sie gehen Wandern - nicht kostenintensiv. Marion Nagel betont: „Schade, dass viele sagen, dass sie keine Kinder wollen.“ Ohne Kinder werde es künftig keine Leistungen mehr aus den Sozialsystemen - Krankenversicherung oder Rente - geben. Das Paar fände es fair, das bei aktuellen Berechnungen zu berücksichtigen, etwa mit einem Renteneintrittsalter gestaffelt nach Kinderzahl.
1,3 Millionen Mehrkindfamilien bundesweit
Fakt ist: Neben Kindern in alleinerziehenden Familien sind in Deutschland vor allem Jungen und Mädchen in Mehrkindfamilien armutsgefährdet. Das zeigen Studien immer wieder. Auch zu den Tafeln kommen viele Eltern mit mehreren Kindern, weiß der NRW-Landesverband. Dabei sind Mehrkindfamilien Leistungsträger der Gesellschaft und tragen erheblich dazu bei, dass der Generationenvertrag der solidarisch organisierten Sozialversicherungssysteme funktioniert, wie auch der Verband kinderreicher Familien Deutschland (VKFD) unterstreicht. Es gebe rund 1,3 Millionen Mehrkindfamilien bundesweit - Familien mit drei oder mehr Kindern. Das entspreche etwa jeder achten Familie. Die Politik müsse mehr für sie tun, mahnt VKFD-Chefin Elisabeth Müller. (dpa/mmü)
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Folgen der Energiekrise - Deutschland vor dem Blackout?
Deutschland steckt in einer Energiekrise. Der Krieg in der Ukraine zwingt die Bundesregierung dazu, auf alternative Energiequellen auszuweichen. Dabei rücken auch nationale Ressourcen in den Fokus. Doch helfen heimisches Gas und Öl durch den Engpass? Die Dokumentation „Folgen der Energiekrise - Deutschland vor dem Blackout?“ auf RTL+ wirft einen Blick auf den Energiemarkt und lässt Experten zu Wort kommen. Sie bewerten u.a. den Umgang mit Kohle und Kernkraft und erklären, was den Ausbau von erneuerbaren Energien bremst.