Sprengstoff und Giftgas auf unserem Teller

Gefährliche Kampfstoffe in Fisch und Muscheln: Unser tägliches Essen ist belastet

Knapp zwei Millionen Tonnen Sprengstoff (TNT) und chemische Kampfstoffe wie Sarin oder Senfgas liegen vor der deutschen Nord – und Ostseeküste. Es ist das verhängnisvolle Erbe zweier Weltkriege. 74 Jahre ist das her. Und genau das ist das große Problem. Denn die Bomben verrotten am Meeresgrund und geben nun ihr Gift frei.

Das Gift kommt langsam, aber unaufhaltsam

Und somit wird es auch für uns bedrohlich. Denn der gefährliche Sprengstoff TNT, aber auch die Nervengifte Sarin und Senfgas wurden nun in der Miesmuschel, im Ostseedorsch und im Plattfisch Kliesche nachgewiesen. Und die landen auch auf unserem Teller.

„Wir haben zehn Stoffe in der Galle der Kliesche nachgewiesen, darunter auch TNT,“ so der Fischereiökologe Dr. Martin Lange vom Thünen-Institut in Bremerhaven „Fünf dieser Stoffe kennen wir noch gar nicht. Das sind Umbauprodukte, also Stoffe, die der Fisch auch aus dem TNT selbst herstellt. Und die müssen deshalb nicht weniger gefährlich sein.“

So wirkt TNT auf den menschlichen Körper

Versenkte Munition
Ein versenkter Munitionsrest liegt in der Ostsee.
deutsche presse agentur

Das gefährliche Erbe bereitet vielen Wissenschaftlern arge Bauschmerzen. Wie TNT auf den tierischen Organismus wirkt, ist zwar noch nicht vollends erforscht. Deutlich aber ist, dass bei untersuchten Fischen aus den Verklappungsgebieten Lebertumore deutlich häufiger anzutreffen sind als in unbelasteten Vergleichsregionen.

Wie TNT auf Menschen wirkt, ist ebenfalls bekannt. In chinesischen Munitionsfabriken, in denen Arbeiter TNT Staub und Dämpfe eingeatmet haben, gab es einen deutlichen Anstieg von Lebertumoren sowie bösartigen Bluterkrankungen.

Die hohen Werte finden sich vor allem in den bekannten Verklappungsgebieten. In denen darf nicht gefischt werden. Doch erstens halten sich die Fische leider nicht an staatliche Auflagen, und zweitens sind bei weitem nicht alle Gebiete bekannt.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Es liegen noch massenweise Kampfstoffe am Meeresgrund

Die wichtigste Frage aber ist noch offen: Wie sollen die Altlasten überhaupt entsorgt werden? Denn allein die Menge ist gewaltig. „Wenn wir die Kampfstoffe, die allein vor der deutschen Nord- und Ostseeküste liegen, mit der Bahn abtransportieren wollten, dann bräuchten wir einen Güterzug von 3.000 Kilometern Länge“, sagt der Toxikologe Prof. Dr. Edmund Maser von der Uni Kiel.

Es gibt erste Versuche mit Robotern, die die Munition bergen und sie dann zur Verbrennung auf ein Schiff bringen. Ein Verfahren, das bei knapp zwei Millionen Tonnen Sprengstoff und chemischem Kampfstoff hoffnungsvoll wirkt, aber von einem großflächigen Einsatz noch weit entfernt ist. Und auch wer die Kosten in geschätzter Milliardenhöhe übernimmt, ist noch unklar. Denn Schleswig-Holstein allein wäre damit allein komplett überfordert.

70 Jahre lang hat sich niemand um die Altlasten gekümmert

Dr. Thomas Lang schlägt deshalb einen Stufenplan vor. Zunächst müssten unbekannte Verklappungsgebiete gesucht werden, dann sollte schnell ein Monitoring einsetzen. Heißt, die genaue Beobachtung der Gebiete um den Zustand der Bomben und der Fischbestände zu analysieren. Und wo schnell gehandelt werden muss, dort müsste man dann als Erstes ansetzen. Und dann müsste schnell Geld in die Entwicklung von Entsorgungsverfahren gesteckt werden.

Wichtig ist aber zunächst, dass die Politik endlich entschieden handelt. Über 70 Jahre hat sich niemand um die Altlasten gekümmert. Und jetzt wird deutlich: Das Gift kommt, und es kommt unaufhaltsam. Und es landet auf unserem Tisch.