Dr. Specht im RTL-Interview
Nach Tod von 16-Jähriger in Südtirol: Erfrieren lähmt Körper und Gehirn

Eine deutsche Urlauberin ist in Südtirol erfroren.
Minus 14 Grad waren es am frühen Freitagmorgen im Pustertal. Ein Kältetod kann sogar schon bei über 0 Grad eintreten. Üblicherweise dauert der Prozess aber einige Tage, wie Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht im RTL-Interview erklärt.
RTL.de ist auch auf WhatsApp – HIER ausprobieren!
Geringe Körpermasse kann Erfrierung beschleunigen
„Eine Erfrierung geht nicht so schnell. Auch bei den Temperaturen dauert das schon ein paar Stunden. Möglich ist das, dass sie an diesem Tag auch erfroren ist, üblicherweise ist das aber ein Prozess, der über Tage geht“, sagt Dr. Specht. Natürlich spiele auch die Körpermasse eine Rolle. „Wenn da nicht viel Körpermasse ist, kühlt man natürlich auch schneller aus.“ Die 16-Jährige Urlauberin soll zierlich gewesen sein.
Lese-Tipp: Wärmeflasche gegen Eiseskälte – wie eine einfache Idee Bedürftige vor dem Kältetod schützt
Dr.Specht: „Das Hirn steigt aus“

Entscheidend beim Erfrieren ist die Körperkerntemperatur. Normalerweise liegt die bei 36,5 – 37 Grad, unabhängig von der Außentemperatur. „Wenn die Körperkerntemperatur aber absinkt, und zwar schon um zwei Grad, und normalerweise sinkt die nicht um zwei Grad ab, dann fangen schon Störungen an“, so Specht. Natürlich, das kennen wir alle, wenn uns kalt ist, fängt der Körper zu zittern an. Das ist aber normal und eine gute Funktion unseres Körpers, da dadurch Wärme produziert wird. „Bei zwei Grad verminderter Körperkerntemperatur beginnt aber auch das Hirn auszusteigen, im Sinne von Verwirrtheit.“
Lese-Tipp: Tipps gegen das Kälte-Gefühl – Warum frieren wir eigentlich?
Wenn Körperzittern aufhört, kann man sich selbst nicht mehr retten
Die Verwirrtheit führe dazu, dass man den Prozess des Erfrierens dann nicht mehr voll mitbekomme, so Dr. Specht. „Üblicherweise steigt zwar letztendlich das Herz vor dem Gehirn aus, indem es zu Herz-Rhythmus-Störungen kommt und dann zum Herzstillstand. Aber das Gehirn, das zwar da noch aktiv ist, ist nicht mehr fähig, normal und richtig zu denken. Es kommt eine Schläfrigkeit dazu – alles über mehrere Stunden – und man hat nicht mehr die Möglichkeit sich zu bewegen oder zu sprechen.“ Das Gehirn setze dann so weit aus, dass das eigentliche Erfrieren, der eigentliche Tod nicht mehr wahrgenommen werde. Zu diesem Zeitpunkt zittert der Körper aber auch nicht mehr, weil er erschöpft ist. „Also die Leute zittern sich nicht in den Tod. Solange sie zittern, können Sie sich unter Umständen aus der Situation befreien.“ Das heißt, in der Zeit wäre man noch in der Lage, jemanden anzurufen oder einen Standort zu schicken, sofern man ein Smartphone dabei hat. Aber auch das gibt bei der Kälte irgendwann auf.
Oft kommt es zu „Kälte-Idiotie“
Häufig werden Erfrorene ohne Anziehsachen am Leib gefunden, erzählt der Medizinjournalist. Dabei spricht man von der Kälte-Idiotie: „Das ist sozusagen eine Fehlfunktion des Hirns. Es kommt zu dem Zusammenbruch der Temperaturregulation des Körpers dazu, dass die Menschen es beim Erfrieren als extrem heiß empfinden. Das zusammen mit dem nicht mehr richtig funktionierenden Gehirn führt dazu, dass sie sich ausziehen, weil ihnen zu warm ist.“