Kommentar einer Mutter

Warum ich die Notbetreuung für Kinder in Anspruch nehme

 Vor einer Glasfassade haengen Kinder-Jacken und liegen Schuhe von Kindergartenkindern. Kindergarten, Themenbild, Symbolbild, 04.01.17 Luebeck Schleswig-Holstein Germany Parkhaus Falkenstrasse Copyright: xAgentur54Gradx/xFelixxKoenigx
Kinderjacken in einer Betreuungseinrichtung
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Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten Anfang Januar verkündeten, dass Deutschland erneut in den Lockdown geht und Schulen und Kindergärten geschlossen bleiben, war ich dankbar, dass es trotzdem weiterhin das Angebot der Notbetreuung geben wird. Ich nutze dieses Angebot – aber frage mich täglich, ob das die richtige Entscheidung ist.

"Bringen Sie Ihr Kind nur, wenn es unbedingt sein muss"

Meine Tochter ist 18 Monate alt und war ein Wunschkind. Dass es ihr gut geht, dass sie gesund bleibt und sich weiterhin so positiv entwickelt wie bisher in ihrem Leben, ist für mich wahnsinnig wichtig. Ich habe täglich Sorge, dass sie oder ein anderes Familienmitglied sich mit dem Coronavirus infizieren. Der Schmerz, einen Angehörigen durch dieses Virus zu verlieren, muss unfassbar sein. Meine Familie und ich vermeiden jegliche Kontakte, um das Risiko zu minimieren, dass wir uns anstecken. Trotzdem haben mein Mann und ich uns dafür entschieden, unser Kind in die Notbetreuung zu geben. Obwohl sie dort mit anderen Kindern zusammen ist und mit der Tagesmutter Kontakt hat und wir nicht wissen, wie sich die Eltern und Angehörigen der anderen Kinder verhalten. Ob sie ebenso Kontakte vermeiden wie wir.

Wir haben den Appell der Landesregierung gehört und gelesen: Geben Sie ihr Kind nur dann in die Notbetreuung, wenn es unbedingt sein muss. Und sofort schoss mir die Frage in den Kopf, ob ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben muss, weil wir uns dafür entschieden haben, unsere Tochter in die Notbetreuung zu bringen.

Homeoffice, Homeschooling und ein Kleinkind

Mein Mann und ich arbeiten beide. Zwar von zu Hause, aber wir arbeiten morgens und nachmittags und betreuen zusätzlich unser großes Kind im Homeschooling. Das große Kind gibt sich alle Mühe, selbstständig zu lernen und zu arbeiten, aber es braucht mal mehr, mal weniger Unterstützung von uns. Mal müssen nur Aufgaben erklärt werden, mal müssen wir uns aber selbst tiefer in den Lernstoff einarbeiten, um überhaupt erklären zu können.

Hätten wir auch noch unser Kleinkind hier, könnten wir, so haben wir es uns zumindest ausgemalt, nur abwechselnd arbeiten. Denn sie ist aufgrund ihres Alters überhaupt noch nicht in der Lage, sich länger als fünf Minuten allein zu beschäftigen. Es ist unmöglich, an einer Konferenz teilzunehmen, wenn sie nebenher vorgelesen bekommen möchte. Sie akzeptiert es ein paar Mal, vertröstet zu werden, aber irgendwann ist sie frustriert und macht ihrem Ärger lautstark Luft.

Eine halbe Stunde konzentriertes Arbeiten am Rechner? Fehlanzeige. Packe ich den Rechner aus, will sie sofort auf den Schoß und tippt mit auf der Tastatur rum. Im schlimmsten Fall drückt sie den Powerknopf, weil er so schön leuchtet. Und schaltet somit den Rechner aus. Ein schnelles Telefonat? Schwierig. Wenn ich mit Kopfhörern telefoniere, möchte sie unbedingt auch einen Stöpsel im Ohr haben und mittelefonieren, ansonsten schimpft sie mit mir. Oder das Telefon halten und auf den Knöpfen herumdrücken. Und dann kann ein Telefonat sehr schnell beendet sein. Etwas aufschreiben? Das geht nur, wenn sie auch einen Zettel und ihre Buntstifte bekommt. Wobei sie viel lieber mit meinem Kugelschreiber malen würde. Aber auch dann werde ich schnell aufgefordert, ein „I-aaah“ oder eine „Datze“ zu malen.

Meine Tochter ist nicht übermäßig quengelig oder ungeduldig. Sie ist altersgemäß entwickelt und zu diesem Alter gehört es nun einmal dazu, dass Kinder viel Aufmerksamkeit einfordern und nur schwer teilen können. Ich möchte aber gern eine gute Arbeitsleistung liefern und konzentriert arbeiten können. Und das wäre, wenn sie Zuhause ist, nur dann möglich, wenn sie ihren Mittagsschlaf hält, für etwa 1 Stunde und 40 Minuten.

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Abstand halten in der Notbetreuung, Kinder-krank-Tage und die Hilfe der Großeltern

Als die Notbetreuung verkündet wurde, haben sich Tagesmütter und -väter in den sozialen Netzwerken die Finger wund diskutiert. Ich habe mitgelesen, um ihre Sicht auf die Lage zu erfahren. Ich kann verstehen, wie unglücklich sie darüber sind, dass sie weiterhin dem Risiko der täglichen Ansteckung ausgesetzt sind. Denn die meisten berichteten davon, dass zu ihnen alle oder fast alle Betreuungskinder gebracht werden. Auch Kindertagesstätten sind trotz Notbetreuung gut gefüllt, wie wir immer wieder lesen können.

Ich kann verstehen, dass es die Betreuer ärgert, wenn ein Minister sie als „Helden der Pandemie“ bezeichnet, denn so fühlen sie sich nicht. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, weil die Regierung bislang wenig für ihren Schutz unternommen hat. Klar, sie dürfen sich alle paar Wochen auf Corona testen lassen. Aber reicht das aus? Diejenigen, die sich in der Notbetreuung um unsere Kinder kümmern, ärgern sich darüber, wenn bei ihnen „volles Haus“ ist. Unsere Tagesmutter begegnet uns und unserem Kind mit offenen Armen, ich weiß aber nicht, wie es in ihr aussieht. Ich denke darüber nach, ob sie findet, wir hätten unser Kind doch auch zuhause behalten können, sie weiß, dass wir im Homeoffice arbeiten. Ich mag sie und ich hoffe, dass sich bei keinem „ihrer“ Kinder ansteckt. Denn dass Abstand halten mit fünf Kindern unter zwei Jahren möglich sein soll, darüber kann sie bestimmt nur herzlich lachen. Aber ich finde es falsch, allein den Eltern die Schuld zu geben, dass sie ihr Kind zu Tagesmüttern und in der Kindertageseinrichtungen schicken.

Die Bundesregierung hat Eltern zusätzliche Kinder-krank-Tage eingeräumt, damit Kinder trotz Lockdown zuhause betreut werden können. 10 Tage pro Elternteil, 20 für Alleinerziehende. Mein erster Gedanke: wie will der Bäckereiinhaber das wuppen, wenn sich jetzt all seine Angestellten auf einmal Kinder-krank-Tage nehmen? Und selbst wenn wir auf die zusätzlichen Kinder-krank-Tage ausgewichen wären, um unsere Tochter Zuhause zu betreuen, diese sind ja endlich. Rein rechnerisch müssten wir sie dann im Februar in die Notbetreuung geben, wenn wir auch unserer Arbeit gerecht werden wollen. Zu den Schwierigkeiten, die Betreuung eines Kleinkindes und die Arbeit unter einen Hut zu bringen, hab ich mich ja oben schon geäußert. Und ich habe die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Die Menschen, die beispielsweise unseren ÖPNV aufrecht erhalten oder als Arzthelfer arbeite, haben das nicht.

War unsere Entscheidung richtig?

Ich hadere immer noch und immer wieder damit, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben, dass unsere Tochter trotz Lockdown weiterhin zur Tagesmutter geht. Man kann mir und meinem Mann sicherlich vorwerfen, dass wir es nicht wenigstens mal ausprobiert haben, sie zuhause zu lassen.

Auf der anderen Seite kenne ich ein Elternpaar, dass genau das versucht hat: beide Eltern im Homeoffice, zwei Kinder zuhause. Nach einem Tag haben sie sich auch für die Notbetreuung entschieden. Und wir kennen unsere Tochter und können einschätzen, wie intensiv wir sie hier betreuen müssten und dass wir in unserer Arbeitsleistung Abstriche machen müssten. Wenn sie früher mal Zuhause war, weil die Tagesmutter geschlossen hatte, und ich gearbeitet und mein Mann sie betreut hat, war ruhiges Arbeiten eben nur möglich, wenn ich in einem anderen Raum war. Ansonsten stand sie häufig neben mir, will etwas zeigen, will etwas spielen, will kuscheln. „Mamaaaaa!“ Eben typsich anderthalb Jahre alt.

Ich hadere aber auch wegen des Ansteckungsrisikos, dem sie ausgesetzt ist, und weil das auch bedeutet, dass wir uns nicht total isolieren können.

Dennoch möchte ich aber auch meinem eigenen Anspruch gerecht werden, ein guter Arbeitnehmer zu sein. Das mag man vielleicht egoistisch sehen, weil wir ja in Coronazeiten gerade auch an andere denken und Rücksicht nehmen sollen. Aber wäre es nicht auch unsozial, wenn ich nur halbherzig arbeiten würde und die Kollegen, die (noch) keine oder ältere Kinder haben, meine Arbeit mitmachen müssten? Vielleicht können andere berufstätige Eltern diese Gedanken nachvollziehen, das zumindest hoffe ich.

LESE-TIPP: Notbetreuung im Lockdown? Kita-Eltern, tragt endlich Verantwortung! Kommentar einer Mutter

*Unsere Autorin hat diesen Artikel unter einem Pseudonym veröffentlicht.