Kommentar einer Mutter
Notbetreuung im Lockdown? Kita-Eltern, tragt endlich Verantwortung!

Hinter mir fliegt eine Schüssel mit Salzbrezeln durchs Wohnzimmer, während meine kleine Tochter auf dem Sofa rumspringt. Im Kinderzimmer schreit sich mein Großer die Seele aus dem Leib, weil die halbe Stunde, die er pro Tag an sein Kinder-Tablet darf, vorbei ist. Genau jetzt beginnt meine Videokonferenz, und ich stelle mir wieder einmal die Frage: Soll ich die Kinder nicht doch in die Kita bringen? Denn streng genommen dürfte ich. Ja, ich brauche Unterstützung, lebe hier am Rande des Wahnsinns. UND meine Kinder vermissen ihre Freunde. Aber: Ich will auch unser altes Leben zurück!
Und das so schnell wie möglich. Deshalb nehme ich das alles in Kauf. Oder eher: Entscheide ich, dass meine Kinder das in Kauf nehmen müssen, auch wenn sie darunter leiden und völlig unterfordert durch den Alltag gehen. Mit den Kita-Erziehern kann man einfach nicht mithalten – egal wie sehr man sich ins Zeug legt. Aber wir befinden uns in einer Pandemie, und deshalb müssen alle Eltern, die es können, Verantwortung übernehmen. Denn sonst wird es noch ewig so weiter gehen. In immer mehr Einrichtungen gibt es Fälle der mutierten Covid-19-Viren, doch viele Eltern denken offenbar immer noch, dass das alles nicht so schlimm und man durch die getrennten Gruppen gut geschützt ist. Dass sich die Erzieher jedoch gegenseitig in unterschiedlichen Gruppen vertreten müssen, weil so viele Kinder da sind, wenn eine Erzieherin ausfällt, und so das Virus munter verteilen könnten, daran denken wohl viele nicht.
Das muss jeder für sich entscheiden? Sehe ich anders!
In der Gruppe meiner Tochter werden neun Kinder betreut. Das Erschreckende: Außer ihr sind alle da. Obwohl viele der Eltern von zu Hause arbeiten können und sogar teilweise in Elternzeit sind. Wenn ich höre: „Das muss jeder für sich entscheiden!“, werde ich wirklich wütend. Nein, jeder, der in der Lage ist, mit seinem Kind zuhause zu bleiben, sollte so verantwortungsvoll sein, jetzt noch für ein paar Wochen die Pobacken zusammenzukneifen, auch wenn das bedeutet, dass man nicht wie aus dem Ei gepellt an der Videokonferenz teilnehmen kann und man das Risiko eingeht, dass das Kind im Hintergrund mal wieder einen Wutanfall bekommt. Denn die Entscheidung betrifft auch andere: Die überarbeiteten Erzieher, die selbst zuhause Kinder haben. Die Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten und ihre Kinder abgeben müssen und sich im Zweifel über die Kita infizieren. Und alle anderen, die sich seit vielen Monaten und Wochen dafür einsetzen, dass diese Pandemie irgendwann ein Ende hat.
Ich finde es auch ein Unding, dass man das Gefühl hat, der erste Schritt sei die Notbetreuung und nicht die Krankentage, die die Regierung zur Verfügung stellt. Weil so ziemlich alle um einen herum sagen: „Du musst das ja nicht aushalten, du kannst die Kinder ja bringen.“ Das Problem: Aus diesem Grund kassiert der Träger Monat für Monat den Beitrag plus Essensgeld, obwohl meine Kinder nicht betreut werden. Ich muss nämlich munter weiterzahlen, weil ich die Kleinen theoretisch bringen könnte, obwohl ich es auf der anderen Seite, wenn es nach der Regierung geht, auf gar keinen Fall soll.
Die Entscheider haben keine Kinder - und das ist das Problem
Man merkt leider immer wieder, dass die Entscheider keine Kinder im Kita- oder Schulalter haben. Und genau das ist ein Problem. Eine Erzieherin aus einer anderen Kölner Kita erzählte mir vor kurzem, dass viele Eltern tatsächlich sagen, dass sie zahlen und deshalb auch die Betreuung in Anspruch nehmen. Wieso wird einem nicht also einfach der Beitrag erstattet? Weil es finanziell sonst für die Städte nicht stemmbar ist? Ok, es ist ein anderer Topf, aber wieso werden währenddessen Corona-Prämien an beispielsweise Beamte in Ministerien gezahlt, die durchs Homeoffice sogar deutlich komfortabler arbeiten können und eher weniger statt mehr Arbeit durch die Pandemie haben? Finanziell würde das einen großen Spielraum ermöglichen. Da bin ich mir sicher. Aber das entscheiden nun einmal andere. Unser Job ist es, jetzt alles zu tun, damit wir diese für ALLE anstrengende Zeit endlich bald hinter uns lassen können.
LESE-TIPP: Warum ich mein Kind trotz Lockdown in die Notbetreuung bringe – eine Mutter erzählt
*Unsere Autorin hat diesen Artikel unter einem Pseudonym veröffentlicht.