Aufruhr um Notfall-Gebühr
Wann ist es wirklich ein Notfall? Hinweise für Eltern, die sich um ihre kranken Kinder sorgen

Fieber, Weinen, Schreien – wenn es den Kindern schlecht geht, leiden die Eltern meist mit. In manchen Fällen hilft dann nur der Gang zur Notaufnahme. Doch nicht jedes Weinen ist gleich ein Notfall. Kinderärzte-Präsident Thomas Fischbach hatte deshalb eine Notfall-Gebühr gefordert, wenn Eltern ihre Kinder unnötig zur Notfallversorgung oder zum Notdienst bringen. Aber wie können Eltern entscheiden, ob es sich bei der Erkrankung des Kindes um einen Notfall handelt oder nicht? Ein Arzt schätzt die Lage ein.
Handelt es sich wirklich um einen Notfall?
In manchen Situationen wissen Eltern nicht, wann die gesundheitliche Situation des Kindes schon bedrohlich ist oder nicht. Auch für Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht ist es schwer zu sagen, wann Babys oder Kinder auf jeden Fall notärztlich behandelt werden sollten: „Eine Liste mit möglichen Symptomen wäre nicht erschöpfend“, so der Arzt. „Klar, wenn das Kind massive Atemnot hat und das hat sich sehr schnell entwickelt, dann ist das sicher ein Notfall.“ Jedoch gäbe es in der Notfallaufnahme immer wieder Fälle, „wo man eigentlich genau merkt, die Eltern selber sehen das auch nicht als Notfall an.“ So seien „Dinge, die sich länger entwickeln meistens kein Notfall.“ Aber es gäbe auch Ausnahmen: „Natürlich kann sich beispielsweise auch eine Meningitis beim Kind erst leicht zeigen und dann ganz schnell verstärken.“ Jedoch beginne beispielsweise ein anaphylaktischer Schock oder eine starke allergische Reaktion nicht am Freitag und sei dann am Samstag akut. Solche Dinge wären sofort akut. Genau so sei es bei Atemwegsproblemen: „Die Verlegung der Atemwege oder plötzlich einsetzende Atemschwierigkeiten, die können schon ein Notfall sein.“ Des Weiteren seien Bewusstseinsveränderungen auch Notfälle. „Bei Kindern gehen solche Dinge oft sehr schnell, das ist die Somnolenz, wenn die Kinder nicht mehr normal erweckbar und apathisch sind. Dann ist das auch ein Alarmzeichen“, so der Mediziner. Generell seien Situation, die sich sehr schnell verschlechtern oder unklar sind, ein Notfall.
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Bauchgefühl der Eltern
Ob ein Kind mit Ausschlag in die Notaufnahme gehört, ist für Dr. Specht fraglich: „Es gibt natürlich eine ganze Menge von Kinderkrankheiten mit Effloreszenzen auf der Haut, die absolut kein Notfall sind. Masern sind beispielsweise kein Fall für die Notfallaufnahme, weil sie alle Leute, vor allem Kinder, dort anstecken. Die vielleicht auch unter einem Jahr sind und noch nicht geimpft werden konnten.“
Auch nicht jeder Unfall sei ein Grund für die Notaufnahme: „Wenn jedoch der Kopf so beteiligt war bei diesem Unfall, dass eine Platzwunde entsteht oder eine Bewusstseinsveränderung danach eintritt, dann ist es ein Notfall.“
Ein Problem, was Dr. Specht sieht, ist das fehlende Wissen und die Erfahrung. Früher waren in der Regel die Großeltern präsenter im Leben der Kinder und konnten die Eltern durch ihr Wissen unterstützen. „Früher hat kaum eine Mutter ihre Kinder alleine erzogen.“ Großeltern konnten vieles durch ihre Erfahrung abfangen. Viele Eltern seien quasi alleine mit den Kindern und dann fehle die großelterliche Erfahrung, um ein sichereres Bauchgefühl zu haben. Und so suche man Rat „und das ist schnell mal die Notaufnahme“. Dennoch seien solche Unsicherheiten nicht immer ungerechtfertigt. Dr. Specht räumt ein: „Es wird immer wieder Fälle geben, wo man es falsch einschätzt. Die Eltern oder die Ärzte es falsch einschätzen.“
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Nummer des Giftnotrufs griffbereit haben
Wenn ihr Kind etwas verschluckt hat wie Reinigungsmittel oder giftige Beeren: Sofort die Giftnotrufzentrale anrufen. Diese ist 24 Stunden erreichbar. Dort arbeiten speziell ausgebildete Mitarbeiter aus den Bereichen Medizin, Pharmazie und Chemie, die bei einem Notfall mit mutmaßlicher Vergiftung schnell und vor allem zielgerichtet helfen und handeln können.
Hier können Sie bei einer Vergiftung anrufen:
Nordrhein-Westfalen: 0228 19240
Saarland: 06131-19240
Bayern: 089 19240
Baden-Württemberg: 0761 19240
Berlin, Brandenburg: 030 19240
Hessen, Rheinland-Pfalz: 06131 19240
Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen: 0551 19240
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen: 0361 730730
Sollte der Betroffene jedoch erbrechen oder ohnmächtig werden, sollte sofort der Notruf 112 alarmiert werden.
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Nummer des ärztlichen Notdienstes: 116 117
Wer sich unsicher ist, ob sein Kind eine Notfallversorgung braucht, der kann auch zum Telefon greifen und den ärztlichen Notdienst anrufen. Dieser ärztliche Bereitschaftsdienst hilft bei Erkrankungen, mit denen Patienten zum Arzt gehen würden, aber deren Behandlung nicht bis zum nächsten Tag warten kann.
In lebensbedrohliche Fällen sollte der Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 kontaktiert werden.
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Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel kann einen Besuch beim Arzt nicht ersetzen.