Lacey Fletcher (36) lebte mit dem Locked-in-Syndrom und war auf Hilfe angewiesen
Leiche mit Maden und Geschwüren übersät: Eltern sollen kranke Tochter "nicht besser als ein Tier" behandelt haben

Als die Polizei die Leiche von Lacey Fletcher aus Slaughter (US-Bundesstaat Louisiana) findet, vernehmen die Beamten einen nicht zu beschreibenden Geruch. Die 36-Jährige liegt offenbar schon länger tot auf der Wohnzimmercouch, ihr völlig verwahrloster Leichnam ist übersät mit Fäkalien, Maden und Geschwüren. Der Bezirksstaatsanwalt Sam D’Aquilla ist sich sicher: Laceys Eltern müssen etwas mit dem Tod ihrer pflegebedürftigen Tochter zu tun haben.
Locked-In-Syndrom: Betroffene fühlen sich im eigenen Körper eingesperrt
Denn Lacey Fletcher lebte mit einer Form des Locked-In-Syndroms, bei dem Patienten bei klarem Bewusstsein im eigenen Körper eingesperrt sind. Ihre gesamte Körper-, Gesichts- oder Sprechmuskulatur ist wie beim Wachkoma gelähmt, aber sie konnte hören und sehen. Entsprechend lebte die 36-Jährige zurückgezogen, war auf ständige Hilfe und Betreuung ihrer Eltern angewiesen. Umso ungeheuerlicher sind die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, über das, was Anfang Januar in Slaughter passiert sein soll.
Am ersten Montag des Jahres ruft Laceys Mutter, Sheila Fletcher, den Notruf an. Sie findet ihre Tochter tot und in ihren eigenen Exkrementen liegend auf. Es muss ein schreckliches Bild gewesen sein. Wie der Bezirksstaatsanwalt Sam D'Aquilla dem amerikanischen Magazin „The Advocate“ später berichtet, hatten sich Laceys sterbliche Überreste bereits durch die Polsterung der Couch gegraben. Wann die 36-Jährige das letzte Mal diese Couch verlassen hat, sei ungewiss. Es könnte schon Jahre her gewesen sein, so der Staatsanwalt. „Ihre Pfleger ließen sie einfach auf der Couch sitzen. Sie urinierte und benutzte die Couch als Toilette, auf der sie selbst lag", sagte D'Aquilla dem Magazin.
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Für den Staatsanwalt ist die Sachlage klar – Laceys Eltern haben ihre pflegebedürftige Tochter vernachlässigt. Dafür möchte D’Aquilla die Eltern zur Rechenschaft ziehen. Eine Anklage wegen Mordes zweiten Grades sei geplant. „Sie haben eine Tochter verloren. Ich habe nicht viel, aber ich habe ein Mitgefühl für sie“, so der Staatsanwalt. „Ihr müsst euch besser um eure Mitmenschen kümmern als um eure Tiere.“

Verdacht der Staatsanwaltschaft: Eltern ließen pflegebedürftige Lacey Fletcher verwahrlosen
In einem Interview mit dem US-Magazin „The Advocate“ beschreiben Laceys Eltern, dass sie durch diese Tortur selbst „Herzschmerz“ erlitten hätten. „Jeder, der ein Kind verloren hat, weiß, wie das ist“, sagten die Eltern dem Magazin.
Lacey litt den elterlichen Angaben nach seit der High School an der Krankheit. Irgendwann habe sie unter schweren sozialen Ängsten gelitten, weshalb die Eltern ihre Tochter zu Hause unterrichteten. In einem Verhör vom 18. Januar gaben die Fletchers an, dass ihre Tochter sich weigerte, die Wohnzimmercouch zu verlassen. Sheila Fletcher behauptete sogar, sie habe die Wunden ihrer Tochter regelmäßig gereinigt. Sie hätte ihrer Tochter regelmäßig Mahlzeiten gebracht sowie Handtücher. Nach Aussage ihrer Eltern war Lacey „bei klarem Verstand, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen“.
Nach Ansicht des Staatsanwaltes muss es sich hier um eine verschobene Wahrnehmung der Eltern gehandelt haben. Der Anblick der verstorbenen Lacey „sei entsetzlich“ gewesen, erinnert sich D’Aquilla, der die Fletchers genauer unter die Lupe nehmen will.
Deshalb möchte D’Aquilla die Eltern wegen Mordes zweiten Grades anklagen. Der Bezirksstaatsanwalt ist sich sicher, dass die Eltern die junge Frau vor ihrem Tod in dem Haus möglicherweise jahrelang vernachlässigt haben. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass jemand anderes außer den Eltern die junge Frau in den Jahren vor ihrem Tod gesehen habe. Für Erwachsene bedeutet eine Verurteilung wegen Mordes zweiten Grades in Louisiana zwingend eine lebenslange Gefängnisstrafe ohne Bewährung.

Grand Jury entscheidet über Sheila und Clay Fletchers Anklage
Dass es zu einer Anklage kommt, wird indes immer wahrscheinlicher. Der Gerichtsmediziner der Gemeinde, Dr. Ewell Dewitt Bickham III, musste bei der Verstorbenen außerdem eine bakterielle Infektion und Geschwüre am Unterkörper feststellen. Außerdem sei Lacey Fletcher positiv auf Covid-19 getestet worden. „Ihre Todesursache ist auf mindestens ein Jahrzehnt medizinischer Vernachlässigung zurückzuführen“, erklärte der Gerichtsmediziner dem US-Fernsehsender WAFB. Am 2. Mai werden die Fletchers vor Gericht erwartet. Dann will der Staatsanwalt eine Anklage vorschlagen. Die Grand Jury wird dann entscheiden, ob wirklich Anklage erhoben wird. (kra)