Ausgestrahlt im Staatsfernsehen - Folter vermutet

Üble Propaganda-Show in Belarus: Lukaschenko führt Roman Protassewitsch öffentlich vor

HANDOUT - 02.06.2021, Belarus, Minsk: ARCHIV - Das vom belarussischen ONT-Kanal zur Verfügung gestellte Videostandbild zeigt den Aktivisten und Blogger Roman Protassewitsch, der an einem Tisch sitzt und eine Zigarette raucht. In einem einstündigen Video, das auf dem staatlichen Sender ONT ausgestrahlt wurde, wird der Regimekritiker in einem Haftzentrum gezeigt. Das vom Staatsfernsehen in Belarus ausgestrahlte «Geständnis» ist nach Ansicht von Oppositionsführerin Tichanowskaja unter Folter zustande gekommen. Foto: -/ONT channel/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Inhaftierter Blogger Roman Protassewitsch
AZ esz, dpa, -

In einem Interview gesteht der belarussische Blogger und Regimekritiker Roman Protassewitsch seine Beteiligung bei der Organisation von Massenprotesten gegen Machthaber Lukaschenko. Viele vermuten, dass das Interview erzwungen wurde. Protassewitsch wirkt zu Ende des Videos aufgelöst und eingeschüchtert.

Staatsfernsehen kündigte "emotionales Interview" an

Das Licht der Scheinwerfer fällt auf zwei einzelne Stühle, im ansonsten komplett dunklen Raum. Auf den Stühlen: ein Interviewer des belarussischen Staatsfernsehens ONT, ihm gegenüber sitzt der inhaftierte Blogger und Regierungskritiker Roman Protassewitsch. Die rund eineinhalb stündige Fernsehsendung wird als emotionales „Interview“ angekündigt und am Donnerstagabend landesweit ausgestrahlt. Doch viele sehen das, was da passiert ist, nicht als journalistisches Interview, sondern als eine Art von Geständnis, möglicherweise unter Folter erpresst.

Kritik aus der Opposition

Denn das Video, in dem Protassewitsch zugibt, Proteste gegen Machthaber Lukaschenko organisiert zu haben, ist vermutlich nicht freiwillig entstanden. „Mithilfe von Gewalt kann man Menschen dazu bringen, das zu sagen, was man will“, äußerte sich Oppositionsführerin Sviatlana Tsikhanouskaya zu dem Video.

Zu Anfang des Videos wirkt der Blogger noch gefasst, antwortet auf Fragen des Moderators, wie „Wie fühlen Sie sich?“, mit „Er fühle sich großartig, bis auf eine kleine Erkältung“. Doch zum Ende des Videos bricht der 26-jährige regelrecht zusammen. Mit zitternder Stimme und unter Tränen erklärt er, dass er ein ganz normales Leben führen, irgendwann heiraten und Kinder haben wolle.

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Festnahme auf Flug

Doch danach sieht es zurzeit nicht aus. Am 23. Mai war der Blogger zusammen mit seiner Partnerin festgenommen worden. Nachdem sein Ryanair-Flug von Athen nach Vilnius von einem belarussischem Kampfjet zur Landung gezwungen worden war. Angeblich hätte es eine Bombendrohung gegeben, die sich später als falsch herausgestellt hatte.

Bei der außerplanmäßigen Landung in der belarussischen Hauptstadt Minsk wurde der Regierungskritiker und seine Partnerin sofort festgenommen. Seitdem sitzt er in Haft. Die belarussischen Behörden werfen dem Blogger vor, im vergangenen Jahr zu Massenprotesten gegen Lukaschenko aufgerufen zu haben. Lukaschenko selbst erklärte den Regimekritiker zum Terroristen, darauf steht in Belarus die Todesstrafe.

Sanktionen mehrerer Staaten

Die Angst davor steht dem 26-Jährigen im Interview sichtlich ins Gesicht geschrieben. Unter schwerem Ein- und Ausatmen beschuldigt sich der 26jährige selbst und andere Regierungskritiker, drückt seine Bewunderung für Machthaber Lukaschenko aus. Seine Eltern vermuten, dass das Video unter Zwang entstanden ist. Es sei das Ergebnis von „Missbrauch, Folter und Demütigungen“, sie hätten „ihn gezwungen, das zu sagen, was nötig war“, so Protassewitschs Vater gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Die Bundesregierung hat das Interview auf das Schärfste verurteilt. Mehrere Staaten haben bereits Sanktionen gegen das Land und deren autoritäres Regime gestellt. Die EU hat nach der Festnahme Protassewitsch den Luftraum für Flugzeuge aus Belarus gesperrt, sowie ein Landeverbot für Flugzeuge einer belarussischen Staatslinie beschlossen. Auch die USA hatten im April erneut Sanktionen gegen staatliche Unternehmen verhängt, sowie eine Reisewarnung für Belarus ausgesprochen. (dpa/khe)