KGB-Agenten an Bord des Flugzeugs sollen von Bombe an Bord gesprochen haben
Diktator Lukaschenko zwingt Ryanair-Flieger in Minsk zur Landung - um Blogger festzunehmen: "Die werden mich hinrichten"

Behörden in der autoritär regierten Republik Belarus haben offenbar in Minsk ein Flugzeug auf dem Weg von Athen nach Vilnius (Litauen) zur Landung gezwungen. An Bord der Maschine der Fluggesellschaft Ryanair war auch der Blogger Roman Protassewitsch. Er wurde vom belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko international gesucht. Nach Angaben des Menschenrechtszentrums Wesna in Minsk wurde er nach der erzwungenen Landung festgenommen. Oppositionelle erklärten, dass ihm nun die Todesstrafe drohe.
Außenminister Maas fordert Konsequenzen für Belarus
Außenminister Heiko Maas hat die erzwungene Flugzeug-Landung in Minsk kritisiert und „deutliche Konsequenzen“ gefordert. „Dass ein Flug zwischen zwei EU-Staaten unter dem Vorwand einer Bombendrohung zur Zwischenlandung gezwungen wurde, ist ein gravierender Eingriff in den zivilen Luftverkehr in Europa“, sagte der SPD-Politiker einer Mitteilung zufolge. „Wir sind sehr besorgt über Meldungen, dass auf diesem Weg der Journalist Roman Protasewitsch verhaftet wurde.“
Auch das Auswärtige Amt in Berlin reagierte: Staatssekretär Miguel Berger schrieb am Sonntag auf Twitter, man brauche eine sofortige Erklärung der Regierung von Belarus zur Umleitung eines Ryanair-Fluges innerhalb der EU nach Minsk und der angeblichen Festnahme eines Journalisten.

Opposition wirft Lukaschenko die "Kaperung" des Flugzeugs vor
Oppositionelle sprachen am Sonntag von einem beispiellosen Eingriff in den internationalen Luftraum. Auch der oppositionelle Nachrichtenkanal Nexta bestätigte die Festnahme seines Mitbegründers und früheren Redakteurs, der an Bord einer Maschine gewesen sei. Lukaschenko habe unter Verstoß gegen alle Gesetze ein Flugzeug „gekapert“, kritisierte der Kanal. Nexta forderte Ryanair auf, den Vorfall aufzuklären.
Die Behörden in Belarus hatten Nexta als extremistisch eingestuft. Der Kanal hatte im vergangenen Jahr nach der umstrittenen Präsidentenwahl immer wieder zu Massenprotesten gegen Lukaschenko aufgerufen. Der Blogger Protassewitsch gehört zu den vielen international zur Fahndung ausgeschriebenen Oppositionellen, denen Lukaschenko selbst den Kampf angesagt hat.
Ryanair äußert sich nicht zu der Festnahme des Bloggers
Die Fluggesellschaft Ryanair teilte nur mit, dass der Flug nach dem ungeplanten Zwischenstopp in Minsk inzwischen in Vilnius gelandet sei. Bei der Durchsuchung sei nichts ungewöhnliches an Bord gefunden worden, darum durfte der Flieger nach sieben Stunden Aufenthalt in Belarus laut Ryanair weiterfliegen. „Wir entschuldigen uns aufrichtig bei allen betroffenen Passagieren für diese bedauerliche Verzögerung“, teilte die Airline mit. Zu dem festgenommenen Journalisten äußerte sich Ryanair nicht.
Blogger Protassewitsch fürchtet, in Belarus hingerichtet zu werden
Tadeusz Giczan, der Chefredakteur von Nexta, schrieb bei Twitter, dass Mitarbeiter des Geheimdienstes KGB in Athen zusammen mit Protassewitsch an Bord gegangen seien. Auf dem Flug hätten sie einen Streit mit der Crew angefangen und behauptet, dass eine Bombe an Bord sei. Kurz bevor der Flieger den belarusischen Luftraum verlassen habe, hätte der Pilot dann einen Notruf absetzten müssen. Nach der Landung in Minsk seien Sicherheitskräfte an Bord gekommen und hätten den Blogger abgeführt. „Die werden mich hinrichten“, soll Protassewitsch dem Passagier gesagt haben, der neben ihm saß.
Der Geheimdienst KGB hatte den Journalisten auf eine Liste mit Menschen setzen lassen, denen die Beteiligung an terroristischen Handlungen vorgeworfen werde, wie das Portal „tut.by“ bei Telegram berichtete. Nach Angaben der Staatsagentur Belta hatte Lukaschenko nach einem Alarm über einen Sprengsatz an Bord der Maschine selbst das Kommando gegeben, das Flugzeug in Minsk landen zu lassen.
Zur Begleitung sei auch ein Kampfjet vom Typ MiG-29 aufgestiegen, wie der Flughafen bestätigte. Flughafensprecher teilten in Staatsmedien mit, dass die Piloten an Bord der Passagiermaschine um die Landeerlaubnis gebeten hätten. Später habe sich die Information über die mutmaßliche Bombe als Fehlalarm herausgestellt. Der Schichtleiter des Airports, Maxim Kijakow, sagte im Staatsfernsehen, dass die 123 Passagiere im Transbereich auf ihren Weiterflug warteten.
An Bord des umgeleiteten Fluges sollen auch drei Deutsche sein
Litauens Präsident Gitanas Nauseda forderte die sofortige Freilassung des Aktivisten Protassewitsch. „Das ist ein nie dagewesener Vorfall (...) Das Regime von Belarus steht hinter dieser abscheulichen Aktion“, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter.
Die litauische Regierung forderte außerdem die sofortige Freilassung aller Passagiere. Die Fluggäste und Crew des Ryanair-Fluges seien auf ihrem Weg von Athen nach Vilnius in Gefahr gebracht worden, erklärte Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte am Sonntagnachmittag auf Twitter. „Wir fordern, dass dem Flugzeug und den Passagieren erlaubt wird, sofort nach Vilnius zu fliegen!“
Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis schrieb, es seien beunruhigende Nachrichten, dass der Ryanair-Flug zur Landung in Minsk gezwungen worden sei. Litauen arbeite mit seinen internationalen Partnern daran, allen Passagieren einen sicheren Flug nach Vilnius zu gewährleisten. Seinen Angaben zufolge befanden sich 171 Passagiere an Bord, zu 149 davon habe man Informationen. Unter diesen seien überwiegend Litauer, aber auch drei deutsche Staatsbürger sowie mehrere Menschen aus anderen EU-Staaten. (dpa/jgr)