Spannend und beklemmend realitätsnah

"Turmgold" von Peter Grandl: Was rechter Terror anrichten könnte

"Turmgold" von Peter Grandl
"Turmgold" von Peter Grandl
Piper Verlag
von Tobias Elsaesser

Mit „Turmgold“ ist der zweite Teil von Peter Grandls „Turmreihe“ erschienen. Der erste Teil „Turmschatten“ war ein großer Erfolg. So wird es eine TV-Streaming-Serie geben, ebenso soll das Buch als Theaterstück auf die Bühne gebracht werden. Dieser Erfolg war nicht abzusehen, und der Weg war lang. Zunächst dachte Grandl über ein Sachbuch nach, das die Entwicklung der rechtsextremen Szene in der Bundesrepublik Deutschland beleuchten sollte. Aber Peter Grandl wollte nicht einfach nur ein Buch schreiben, er wollte, dass seine Recherche-Ergebnisse auch in der Gesellschaft, vor allem bei jungen Menschen ankommen. Dass sie möglichst viele zum Nachdenken bewegen. Also entschloss er sich, seine Erkenntnisse über die rechte Szene – die handfesten Fakten – in einem Thriller zu verarbeiten.

Lange Suche nach einem Verlag

So weit der Plan, nur wollte kein Verlag das Buch herausbringen. Das Thema ist nach wie vor heikel und brisant. Aber auch relevant und aktuell, wie jüngste Ereignisse – zum Beispiel der geplante Putsch einer gewaltbereiten Gruppe von Reichsbürgern – beweisen. Fünf Jahre dauerte es, bis Grandl schließlich einen Verlag fand. Und das Buch wurde zum oben beschriebenen Erfolg.

Nun hat Grandl nachgelegt. Im Mittelpunkt von „Turmgold“ steht – wie der Titel schon vermuten lässt – wieder der düster anmutende, massive Betonturm, der im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker diente. Der Leser trifft fast alle Protagonisten aus dem ersten Buch wieder, lernt einige neue kennen, und die Ereignisse rund um den Turm und ihre Folgen sind nicht weniger dramatisch als in „Turmschatten“.

Darf man ein Leben opfern, um andere Leben zu retten?

Zehn Jahre sind seit den schrecklichen Ereignissen im Turm vergangen. Zwei rechtsextreme Terroristen dringen in das gut gesicherte Gebäude, das mittlerweile einen jüdischen Kindergarten beherbergt, ein und nehmen zehn Kinder und zwei Erzieherinnen als Geiseln. Sie fordern die Auslieferung ihres ehemaligen Kameraden Karl Rieger, der mittlerweile unter neuer Identität im Zeugenschutzprogramm lebt. Sollte Karl nicht ausgeliefert werden, werden die Geiseln sterben. So steht die Polizei um Kriminaloberrat Achim Schuster vor einem kaum zu lösenden Dilemma. Darf man ein Leben opfern, um andere Leben zu retten? Und werden die Geiselnehmer die zehn Kinder und zwei Frauen wirklich verschonen, wenn auf ihre Forderung eingegangen wird?

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Skrupellose Hintermänner mit eigenen Interessen

Doch die Geiselnahme ist nicht das einzige Problem, dass sich im wahrsten Sinne des Wortes vor Schuster und seinen Kollegen auftürmt. Eine von den Geiselnehmern unabhängige, schwer bewaffnete, militärisch ausgebildete rechtsextreme Zelle nimmt die Geiselnahme als Startschuss für einen eigentlich erst in naher Zukunft geplanten Staatsstreich. Beide Ereignisse bedrohen jedoch das Unternehmen eines skrupellosen Industriellen und eines einflussreichen AfD-Politikers, die einem großen Geheimnisses des Turms auf die Spur gekommen sind: In den geheimen Katakomben des Turms befindet sich ein großer Teil des bis heute verschollenen Nazigoldes. Derweil macht sich Karl Rieger, der mittlerweile Paul Trautmann heißt, auf den Weg aus seinem neuen Leben in sein altes, das vor zehn Jahre am Turm endete. Bereit, für die Sünden und Verbrechen der Vergangenheit zu zahlen.

Nichts, was nicht schon passiert wäre

Das alles mag einem sehr viel erscheinen für einen einzigen Thriller, aber Peter Grandl gelingt es sehr gut, alle Fäden zusammenzuführen, so dass am Ende keine Fragen offenbleiben. Die Handlungsstränge sind geschickt miteinander verwoben und erzeugen zusammen einen übergreifenden Spannungsbogen, wobei Grandl immer wieder kleine Anekdoten und kurze, stimmige Biographien der handelnden Personen einstreut, ohne dass etwas von der aufgebauten Spannung verloren geht. Im Gegenteil – denn diese verbinden den fiktiven Handlungsbogen des Buches geschickt mit aktuellen und historischen Tatsachen, wie das Attentat auf die damalige Kandidatin für das Kölner Oberbürgermeisteramt (und aktuelle Oberbürgermeisterin) Henriette Reker, das Attentat auf den Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Entstehung des BND.

Grandl erzählt keine Märchen

„Turmgold“ ist ein aufregender, wachrüttelnder, beklemmender Thriller. Realitätsnah, weil er gut recherchiert die Kulmination von Ereignissen durchspielt, die fast alle schon einmal geschehen sind oder geschehen wären, wenn die Sicherheitsbehörden nicht vorher eingegriffen hätten. Jeder, der sich ein wenig mit der rechtsextremen Szene in Deutschland auseinandergesetzt hat, weiß, dass Grandl hier keine Märchen erzählt, sondern allenfalls dramaturgisch zuspitzt. Die Voraussetzungen für alles, was in „Turmgold“ passiert, liefert die Realität. Wir sind gefragt, dass es nicht so weit kommt.