"Dann haben sie ihm in den Rücken geschossen und er ist flach auf den Boden gefallen" Sophie überlebt Überfall in Mexiko - ihr Freund wird vor ihren Augen hingerichtet

Sophie und Martin waren 1,5 Jahre ein Paar. Ein Überfall in Mexiko verändert alles.
Sophie und Martin waren anderthalb Jahre ein Paar. Ein Überfall in Mexiko verändert alles.
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von Jessica Sander

Ihr Traum vom Auswandern wird zum absoluten Albtraum!
Sophie und Martin aus Hamburg gehen zusammen nach Mexiko. Es scheint das Paradies auf Erden zu sein – bis ein brutaler Überfall ihr Leben für immer verändert. Martin wird getötet. Seine Freundin von einer Kugel getroffen. Sie kämpft sich jetzt zurück ins Leben.

Der Beginn ist paradiesisch

Sophie wollte in Mexiko die Freiheit und Spontanität leben. Sechs Monate ging das auch gut.
Sophie wollte in Mexiko Freiheit und Spontanität leben. Sechs Monate ging das auch gut.
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Die Welt erkunden und in den Tag hinein leben, das ist der Traum von Sophie und Martin aus Hamburg. Sie sind knapp ein Jahr zusammen, als sie den gemeinsamen Schritt wagen, ihren Hund einpacken und nach Mexiko gehen. „Freiheit, Spontanität und Unabhängigkeit waren uns wichtig“, erzählt Sophie im Gespräch mit RTL.

Nach einem Monat an der paradiesischen Küste Tulums, entscheiden Sie sich für Work Exchange. Das heißt: Zeit und Fähigkeiten im Tausch gegen eine Unterkunft.Sie ergattern einen Job, der perfekt zu sein scheint.Sie sollen auf ein Haus mit drei Hunden in einer neu gegründeten deutschen Kommune aufpassen - mitten im mexikanischen Dschungel.

„Wir hatten wunderschöne sechs Monate in Mexiko, Quintana Roo, bis zu DEM Tag“, erzählt die 32-Jährige. Es ist der 8. Juni 2023 – der Tag, der alles verändert.

Im Video: Immer wieder kommt es zu Mordfällen in Mexiko - auch Victoria Pamela wurde getötet

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Überfall auf deutsche Auswanderer: Niemand hört sie schreien

Sophie und Martin machen einen gemütlichen Filmabend, wie so häufig in ihrem Übergangszuhause. Es ist kurz vor 23 Uhr,als der 34-jährige Martin noch schnell auf die Terrasse geht, um eine Zigarette zu rauchen.

„Dann hörte ich ihn schreien“, erinnert sich Sophie. Die 32-Jährige läuft zur Treppe, Martin kommt ihr entgegengelaufen und hinter ihm ein maskierter Mann: „Der kam mit ausgestrecktem Arm und hat die Waffe auf uns gerichtet.“ Die beiden sprechen kaum Spanisch, eine Verständigung daher kaum möglich.

Trotzdem probieren sie, zu erklären, dass dies nicht ihr Haus sei. Der Maskierte und seine Komplizen könnten sich alles nehmen, was sie wollen. Doch die Einbrecher machen das Licht aus und drängen das Paar in die Ecke. Zu viel für Sophie: „Aus Angst bin ich dann die Treppe runtergelaufen. Ich habe sehr laut geschrien und gehofft, dass uns jemand hört.“ Aber niemand hört sie.

Viel schlimmer noch, kurz hinter der Haustür stolpert die 32-Jährige und fällt zu Boden. Die Männer sind wieder direkt hinter ihr, wütend darüber, dass sie geflohen ist: „Sie haben mir mit der Waffe gegen den Kopf gehauen und mich getreten“, so Sophie. In dem Moment sei Martin, gekommen, um sie zu beschützen. „Er hat gesagt, lasst sie in Ruhe“, erinnert sich Sophie. Eine folgenschwere Entscheidung.

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Martin ist sofort tot - eine Kugel trifft auch Sophie

„Dann haben sie ihm in den Rücken geschossen und er ist flach auf den Boden gefallen“, erinnert sich Sophie an den Moment, der das gemeinsame Leben als Paar beenden sollte. Zeit darüber nachzudenken habe sie nicht gehabt. Sie entscheidet sich, einfach wegzulaufen. Dann trifft sie eine Kugel am Rücken. „Sie haben dann auf mich eingeschlagen und wollten, dass ich nicht schreie.“ Das war der Moment, in dem Sophie dachte, jetzt sei ihr Leben vorbei.

Die Männer hätten sie aber 100 Meter weiter zu einer Hütte geschleift, so die 32-Jährge. Hier hätten bereits vier Mexikaner gelegen, gefesselt am Boden. „Das Einzige, was ich gespürt habe, war Schmerz“, erzählt Sophie. Sie habe dann nach einem Krankenwagen gefragt. Doch darüber sei nur gelacht worden, erzählt Sophie mit wackeliger Stimme.

Auswanderer in Mexiko angegriffen - die Männer wollen Geld

Vanessa und Sophie sind seit 13 Jahren befreundet. Jetzt hat Vanessa die Spendenaktion ins Leben gerufen, um Ihre Freundin wieder nach Hamburg zu holen.
Vanessa und Sophie sind seit 13 Jahren befreundet. Jetzt hat Vanessa die Spendenaktion ins Leben gerufen, um Ihre Freundin wieder nach Hamburg zu holen.
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Schnell sei Sophie klar geworden, was die Einbrecher wollen. „Dinero mañana“ – also „morgen Geld“ sagen sie. Weil alle zustimmen, steigen die Männer in ihren Jeep und fahren weg. Die 32-Jährige habe sich dann befreien können. Sie sei in Richtung der Stelle gelaufen, wo Martin niedergeschossen wurde, bricht aber nach kurzer Entfernung zusammen. „Ich hatte überall Blut am Kopf und an der Schusswunde“, so die 32-Jährige.

Die freigelassenen Mexikaner und ein Nachbar rufen die Ambulanz. Es dauert ganze sieben Stunden, bis Sophie von einem Rettungshubschrauber abgeholt wird. „Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe. Ich sage die ganze Zeit, dass der Schmerz mich wirklich am Leben gehalten hat.“

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Freunde sammeln, um Sophie zurück nach Deutschland zu holen

Seit dem Überfall liegt Sophie in einem mexikanischen Krankenhaus. Mittlerweile habe sie die zweite Operation hinter sich. Die Kugel hat den Rückenstecker seitlich der Wirbelsäule getroffen und den Darm verletzt. Aber es gehe ihr immer besser, erzählt sie im Gespräch. Auch, weil ihr Vater nach dem Unfall nach Mexiko kam und jetzt die ganze Zeit an ihrer Seite sei. Er gebe ihr Kraft, so Sophie.

Und weil sie in Hamburg gute Freunde hat, die für sie sammeln, denn eine Auslandskrankenversicherung habe die Fitnesstrainerin nicht, erzählt uns ihre Freundin Vanessa C.

Deswegen hat sie zusammen mit Freunden eine Spendenaktion bei gofundme ins Leben gerufen. „Wir wollen sie wieder zurück nach Deutschland holen und wollten ihren Vater nach Mexiko bringen, damit sie da nicht allein ist“, erzählt Vanessa. Mittlerweile sind gut 16.000 Euro zusammengekommen. Aber die Kosten seien enorm und daher sei das Spendenziel von 50.000 Euro noch nicht erreicht, so Vanessa.

Vanessas Vater und Hund Leo weichen in Mexiko nicht von ihrer Seite. "Mein Vater ist täglich bei mir und gibt mir Kraft."
Vanessas Vater und Hund Leo weichen in Mexiko nicht von ihrer Seite. "Mein Vater ist täglich bei mir und gibt mir Kraft."
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Sophie hat wieder Hoffnung

Wann die 32-Jährige wieder nach Deutschland darf, das ist noch nicht klar. Auch wenn die Wunden schnell heilen, der seelische Schmerz bleibt. Aber damit gehe sie ganz bewusst um, erzählt sie uns. „Wenn Angst und Emotionen hochkommen, muss man sie fühlen, verarbeiten, atmen, vergeben und loslassen.“ Sie habe das mit Martin regelmäßig geübt, erinnert sie sich. Außerdem habe sie bereits ihre Mutter und ihren Stiefvater verloren und auch diesen Verlust so verarbeitet.

Wenn sie zurück in Hamburg ist und wieder ganz gesund, dann wolle sie ihre Erfahrungen teilen und anderen damit helfen: „Ich will mich weiterbilden und Retreats anbieten, für Menschen mit Traumata.“