Neue belastende Hinweise aufgetaucht
Ist der tödliche Bootsunfall auf dem Gardasee anders abgelaufen als bisher gedacht?
Überwachungsaufnahmen aus der Unglücksnacht werfen Fragen auf
Wie genau konnte es zu dem schweren Bootsunfall auf dem Gardasee kommen, bei dem Greta N. (25) und Umberto G. (37) ums Leben kamen? Und wer genau saß am Steuer des 600 PS starken „Riva Aquarama“-Motorbootes, das das Pärchen überfuhr? Unter Verdacht stehen zwei Deutsche. Einer davon hat sich den italienischen Behörden gestellt und behauptet, zum Zeitpunkt des Unfalls am Steuer gewesen zu sein. Nach dem Unfall sind nun zwei bisher unbekannte Videos aufgetaucht. Die Überwachungsaufnahmen aus der Unglücksnacht werfen Fragen auf. Ist das Unglück doch anders abgelaufen, als bisher gedacht?
Gardasee: Raste das Motorboot nach dem Unfall ungebremst weiter?
„Die ersten Bilder stammen von einer Überwachungskamera in Portese, dem Ort, der gegenüber Salò auf der anderen Seite der Einbuchtung von Salò liegt“, erklärt RTL-Reporter Udo Gümpel, der sich vor Ort umgehört hat. Auf dem Video ist zu sehen, wie ein sehr schnell fahrendes Motorboot mit hell leuchtenden Scheinwerfern aus Richtung Osten heranrast.
Das kleine Holzboot des Paares bewegt sich nicht. Man kann nur die kleine Positionslampe erkennen, die etwa 100 bis 150 Meter vom Ufer des Gardasees entfernt im Wasser liegt. Dann zeichnete die Kamera auf, wie das Motorboot auf das Holzboot kracht. Es macht einen Satz, als würde es über eine Rampe fliegen und rast dann ungebremst weiter in Richtung der Bootswerft Arcangeli in Salò.
Bei der Rückkehr zur Werft ist nicht Patrick K. am Steuer, sondern der Bootsbesitzer
„Das zweite Video stammt von der Überwachungskamera an der Bootswerft“, berichtet RTL-Reporter Udo Gümpel. Darauf ist deutlich zu erkennen, wie der Eigentümer das Boot zurück zum Anleger steuert. Auf den Aufnahmen ist außerdem zu sehen, wie sein Begleiter Patrick K. ins Wasser fällt und den Anleger entlang torkelt. K. unterzog sich Stunden nach dem Unfall einem Alkoholtest, bei dem er unter dem Grenzwert von 0,5 Promille geblieben sein soll.
Was merkwürdig ist: Nach dem Unfall stellte sich Patrick K. den italienischen Behörden und behauptete, das Boot zum Unglückszeitpunkt gesteuert zu haben. Am Ziel war dann der andere Mann am Steuer, wie auf dem Video zu sehen ist. Vom Unglücksort bis zum Bootsanleger sind es nur 2,6 Kilometer, erklärt Udo Gümpel. Haben die Männer auf der kurzen Strecke noch mal die Plätze getauscht? Und wäre Patrick K. überhaupt in der Lage gewesen, ein Boot zu steuern? Den Videoaufnahmen nach zu urteilen war er, als er kurz danach aus dem Boot stieg, kaum in der Lage noch gerade zu laufen.
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Auf was deuten die Videos von dem Unfall auf dem Gardasee noch hin?
Die beiden Männer sollen mit dem Motorboot in einer Geschwindigkeit von etwa 20 Knoten (ca. 37 Stundenkilometer) über den See gerast sein, wie RTL-Reporter Udo Gümpel erfuhr. Das wäre das Vierfache der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Mithilfe des Videos lässt sich auch abschätzen, dass das Motorboot offenbar auch nicht den vorgeschriebenen Mindestabstand von 300 Metern zum Ufer eingehalten hat.
Die beiden Deutschen hatten am Tag nach dem Unglück außerdem bei der Polizei ausgesagt, dass sie nach der Kollision abgebremst hätten. Weil sie nichts hätten sehen können, seien sie dann weitergefahren. Die Überwachungsaufnahmen deuten darauf hin, dass das Ganze anders abgelaufen sein könnte, als die mutmaßlichen Unfallverursacher behaupten. Das Boot auf dem Video stoppt nicht, sondern jagt einfach weiter über den See.
Übersah der Fahrer des Motorbootes das Paar, weil er geblendet war?
Das Boot raste mit voll erleuchteten Scheinwerfen über das dunkle Wasser. „Dies hat die Sicherheit der Fahrt nicht erhöht, wie an Land, sondern deutlich verringert“, erklärt Udo Gümpel. In der Dunkelheit sollte man an Bord eines Schiffes die Beleuchtung in Fahrtrichtung so gering wie möglich halten, damit sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnen können. „Der Schiffsführer war also vom eigenen Licht und den Reflexen auf dem Wasser sehr wahrscheinlich komplett geblendet“, vermutet der RTL-Reporter. Haben die Männer das Holzboot also deswegen nicht gesehen?
„Für den weiteren juristischen Verlauf wird es entscheidend sein, welche Straftat die Staatsanwaltschaft von Brescia dem Fahrer des ‚Riva Aquarama‘ genau vorwirft“, meint Udo Gümpel. Dafür kämen aus seiner Sicht zwei Paragrafen des italienischen Strafgesetzbuches in Betracht: „Zum einen Artikel 589, die fahrlässige Tötung. Sie wird mit einem Strafmaß von mindestens sechs Monaten bis maximal fünf Jahren geahndet. Oder eben die deutliche härtere Anklage: fahrlässiger Schiffbruch mit Todesfolge, Artikel 428. Der sieht eine Mindeststrafe von fünf bis maximal zwölf Jahren vor.“ (jgr)