"Ich möchte Menschen liebevolle Berührungen geben"
Sexualbegleiter Thomas Aeffner (69) schläft gegen Geld mit behinderten Menschen
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von Denise Kylla
Was hinter verschlossenen Türen passiert, bleibt das Geheimnis von Thomas Aeffner (69) und seinen Kundinnen und Kunden. Früher war der Rentner Künstler, mittlerweile ist er so genannter Sexualbegleiter. Das bedeutet: Menschen, vornehmlich mit Behinderungen, bezahlen ihn für Zärtlichkeiten, Massagen, Sex. Der Gedanke daran, dass es Personen gebe, die keine menschliche Nähe mehr bekämen, habe ihn umgetrieben. Dann nahm der 69-Jährige die Sache in die Hand und ließ sich zum Sex-Experten ausbilden.
Sexualbegleiter: Die Idee entstand aus einer Lebenskrise heraus
Mit Ende 50 hatte Thomas Aeffner eine Lebenskrise, seine Inspiration blieb aus, sein Beruf – das Malen – fiel ihm immer schwerer. Kurz darauf trennte er sich von seiner Frau, mit der er ein gemeinsames Kind hat. Er schmiss alles hin und zog auf einen Campingplatz. Zu dieser Zeit, begann sich der Kreative wieder für Tantra-Massagen zu interessieren. „Das ist eine Ganzkörpermassage auf der einen Seite und auf der anderen etwas sehr Spirituelles“, erklärt Aeffner. Während der Massage finde kein Sex statt. Es werde bloß sexuelle Energie geweckt. Doch als der heute 69-Jährige damit begann, Unterricht in dem Bereich zu geben, wollten seine Klienten schnell mehr: So wurde der frühere Künstler zum Sexbegleiter.
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Ein Grund dafür seien auch Gedanken gewesen, die mit dem Rentenalter einhergegangen wären. „Was passiert mit mir, falls ich mal vereinsame und in ein Altersheim muss? Und dann gibt es nur noch Leute, die fassen mich an zum Füttern, Waschen – und keine liebevolle Berührung.“ Genau diese wichtigen Berührungen möchte der 69-Jährige älteren und behinderten Menschen geben. Früher habe er ihre Seele mit seinen Bildern als Maler berührt. Heute mache er das unmittelbarer mit seinen Fingern.
Thomas Aeffner sieht seine sexuellen Dienstleistungen als Nächstenliebe
Aeffner bietet seine Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung an. RTL begleitete ihn bei seinem Besuch bei Kundin Hannah (30). Die junge Frau leidet seit der Geburt an einer spastischen Lähmung, die Gesicht und Hände stark beeinträchtigt. In der Wohnung bewegt sie sich auf einem Bürostuhl mit Hilfe ihrer Füße fort. Das Sprechen fällt ihr meist schwer, deshalb kommuniziert Hannah über das Handy mit uns. Erstaunlich: Die 30-Jährige tippt mit der Nasenspitze in Windeseile Nachrichten in ihr Smartphone, eine Computerstimme liest vor. Schnell wird klar: Auch, wenn Hannah körperlich beeinträchtigt ist, ist sie ziemlich taff. Ihr sei es egal, wenn andere sie verurteilen würden, weil sie Thomas für Sex bezahlt, sagt sie und lacht. Dabei sei sie zu Beginn selbst skeptisch gewesen.
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„Ich war dagegen, ich bezahle keine Menschen dafür, dass sie mich lieben“, sagte sie. Sie wünsche sich, dass ein Mensch gerne bei ihr sei. „Ich wollte doch eine Beziehung und kein Theaterstück.“ In einer „stillen Minute“ habe sie sich dann aber doch dazu entschlossen, es einmal zu probieren. Heute ist sie froh darüber und hat eine innige Beziehung zu ihrem Sexualbegleiter aufgebaut. Und der sieht seine Dienstleistungen nicht als Theater, sondern als Nächstenliebe – so, wie es eben auch ein Seelsorger mit seinen Patienten mache.
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Wenn Thomas Hannah fesselt, ist das wie eine Auszeit
Doch Thomas Aeffner gibt seinen Kundinnen und Kunden nicht nur etwas Emotionales. Für Hannah ist die Nähe zu dem Sexualbegleiter auch eine Auszeit von ihrem Handicap. Sie möge es, von ihm gefesselt zu werden, weil sie sich dann fallen lassen könne. Denn so würden sich ihre Arme nicht dauernd bewegen. Für diese erholsamen Stunden spart die 30-Jährige ihr Geld, das sie in einer Behindertenwerkstatt verdient. Außerdem verkauft sie gelegentlich Bilder, die sie mit ihren Füßen malt und steckt das Geld dafür in eine Spardose. Denn die Zeit mit Thomas ist nicht billig. 100 Euro kostet er für eine Stunde, die Anfahrt muss extra bezahlt werden. Doch für Hannah ist klar: Das Geld lohnt sich. Wenn der ehemalige Künstler die Treppe heraufkommt, strahlt sie. Was könnte wertvoller sein?