Elon Musk
Tesla Gigafactory 5: Bauarbeiter berichten von unzumutbaren Zuständen - "Ich werde in dieser Fabrik sterben"
von Nicolas Kaufmann
Bauarbeiter der Tesla-Gigafactory in Texas haben laut einem britischen Medienbericht Beschwerde beim Arbeitsministerium eingereicht. Sie klagen über äußerst widrige Arbeitsbedingungen und nicht bezahlte Löhne. Ein Mitarbeiter hat gar Sorge: "Ich werde in dieser Fabrik sterben."
Gefälschte Zertifikate und Löhne nicht ausgezahlt: Das berichten Bauarbeiter über die Tesla Giga Texas
Im April eröffnete Tesla seine "Giga Texas", doch der Ausbau der neuen Fabrik in Austin dauert noch an. Für Bauarbeiter ist dies einem Bericht der britischen Zeitung "The Guardian" zufolge alles andere als ein sicherer Arbeitsort. Sie klagen über schwerwiegende Arbeits- und Beschäftigungsverstöße, Gefahren und Unfälle auf der Baustelle. Auch Löhne sollen nicht immer korrekt ausgezahlt worden seien.
Ein Arbeiter, der über ein Subunternehmen angestellt ist, sagte gegenüber "The Guardian", dass seine Chefs Zeugnisse gefälscht hätten, anstatt ihm und anderen Arbeitern die erforderlichen Schulungen über Gesundheit, Sicherheit und Arbeitnehmerrechte, wozu auch das Recht gehört, gefährliche Arbeiten abzulehnen, anzubieten.
Victor, der sich immerhin traute, seinen Vornamen öffentlich zu machen, reichte am Dienstag eine Beschwerde beim Arbeitsministerium wegen angeblich gefälschter Abschlusszertifikate für vorgeschriebene Schulungen ein, die laut seinen Aussagen nie stattgefunden hätten. Er sprach von "unmenschlichen" Zuständen und schilderte diverse Gefahren, denen die Bauarbeiter ausgesetzt seien. So habe sein Team beispielsweise nachts ohne Licht auf dem Dach der "Giga Texas" arbeiten müssen. Auf Turbinen, aus denen Rauch ausgeblasen werde, habe man ohne Schutzmasken arbeiten müssen. Auch hätten sie die Produktion in einem mit Wasser gefluteten Stockwerk aufrechterhalten müssen, während Stromleitungen und Kabel im Wasser gelegen hätten.
"Ich werde in dieser Fabrik sterben", habe Victor seiner Frau gesagt. Ein Kollege von ihm habe sich bei der Arbeit den Arm gebrochen und sei wegen Geldknappheit anschließend mit der Verletzung zur Baustelle zurückgekehrt. "Jeden Tag gab es ein Sicherheitsproblem", so Victor. Andere Whistleblower klagen über nicht erfolgte Lohnzahlungen oder eine nicht angemessene Vergütung von Überstunden, etwa als sie an Thanksgiving gearbeitet hätten.
"Tesla war nicht – oder schien nicht – daran interessiert, seine Macht zu nutzen, um sicherzustellen, dass jeder am Ende des Tages ohne Verletzungen nach Hause gehen kann, mit all dem Geld in der Tasche, das ihm zusteht", sagte Hannah Alexander, eine Anwältin des Workers Defense Project, einer gemeinnützigen Organisation, die die Bauarbeiter unterstützt.
Auf eine Bitte um Stellungnahme reagierte Tesla nicht. CEO Elon Musk hat die 2500 Hektar große Gigafactory jedoch bereits als Beschäftigungsmöglichkeit für Tausende angepriesen. Hier soll neben dem Model Y künftig der angekündigte Cybertruck produziert werden.
Kein Einzelfall: Elon Musks Unternehmen Tesla soll schon öfter Arbeitsrechte verletzt haben
Als Tesla im Jahr 2020 den Standort in Austin anvisierte, waren Vorwürfe, das Unternehmen würde zu lässig mit den Arbeitnehmerrechten umgehen, schon weit verbreitet. Gewerkschaftsgruppen, Anwälte und Einwohner der Region forderten von der lokalen Regierung einen starken Arbeitnehmerschutz. Doch die genehmigte den Bau der Gigafactory vielmehr und sicherte sich damit die Milliardeninvestition durch Tesla.
Elon Musks Unternehmen war in den vergangenen Jahren mit deutlich mehr Arbeitsrechtsverletzungen konfrontiert als andere große Autohersteller in den USA. Zwischen 2014 und 2018 hat Tesla für Arbeitsrechtsverletzungen mehr als 236.000 US-Dollar an Bußgeldern zahlen müssen.
Anschuldigungen von Tesla-Beschäftigten sind also nicht neu. Zwei ehemalige Mitarbeiter, die 2018 in der Tesla-Gigafactory 1 in Nevada arbeiteten, sagten in der Ende August ausgestrahlten ARD-Doku "Elon Musk – Tech-Titan", dass die Menschen Angst vor dem 51-Jährigen hätten. Zu dem Zeitpunkt ging es darum, die Produktion des Model 3 hochzufahren. Lynn Thompson, der im Jahr 2018 Leiter der Elektroabteilung war, sagte: "Man sollte so viel arbeiten, wie man konnte. Der Zeitplan musste eingehalten werden."
Für großes Aufsehen sorgte Martin Tripp, der ebenso ein ehemaliger Tesla-Mitarbeiter ist. Er hatte sich an einen Journalisten in New York mit weiteren Anschuldigungen hinsichtlich Teslas Sicherheits- und Umweltbilanz gewandt. Tripp war Elon Musk ein Dorn im Auge, zumal er Rechtsdokumente zu seinem Fall gegen Tesla bei Twitter veröffentlichte. Damit verstieß er auch gegen eine Geheimhaltungsvereinbarung. Aus dem Grund musste er dem US-Autobauer schließlich eine halbe Million Dollar Schadenersatz zahlen.
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Rassismusvorwürfe in Tesla Gigafactory in San Francisco
In der Gigafactory in Fremont, San Francisco gab es zudem Rassismusvorwürfe. Die Afroamerikanerin Monica Chatman, Tesla-Mitarbeiterin von 2016 bis 2019, berichtete gegenüber der ARD: "Wir wurden in die übelsten Abteilungen von Tesla gesteckt, um dort zu arbeiten – kaltes, feuchtes Klima. Die schlimmsten Orte, die man sich vorstellen kann." Chatman sei etwa mit den Worten "Hure" und "Affe" beschimpft worden. "Als schwarze Frau in der Tesla-Fabrik Fremont bist du nichts wert", so Chatman. Auch der Afroamerikaner Marcus Vaughn, der 2017 Mitarbeiter bei Tesla war, sagte: "Bereits von meinem ersten Arbeitstag an hörte ich ständig das N-Wort, Ausdrücke wie 'Affe'. Und ich dachte mir, das ist aber ein sehr unprofessioneller Arbeitsplatz."
Genauso erging es Melvin Berry, Tesla-Mitarbeiter im Jahr 2015. "Wenn man in der Produktionshalle herumfährt, hört man ständig das N-Wort – egal, was ich auch tue", berichtete Berry. Die Toilettenräume seien voll mit rassistischer Graffiti. Als Berry sich bei der Personalabteilung beschwert habe, hätte man ihm die rassistischen Anschuldigungen nicht geglaubt. Der Ex-Tesla-Mitarbeiter hat nach einem gewonnenen Gerichtsprozess eine Million US-Dollar Schadensersatz von Tesla erhalten. Ein anderer Afroamerikaner wiederum hat sogar einen Schadensersatz in Höhe von 137 Millionen US-Dollar bekommen, weil man rassistische Belästigungen im Werk nicht abgestellt hatte. Der zuständige Richter bemerkte, dass das gesamte Unternehmen von Rassismus durchdrungen sei. Eine Sammelklage gegen Tesla von mindestens 2000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern läuft noch.
Elon Musk forderte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mai 2017 in einer Rundmail auf, niemals absichtlich zuzulassen, dass sich jemand "ausgeschlossen, unwohl oder ungerecht behandelt fühlt". Er fügte allerdings hinzu, dass man fairerweise hart im Nehmen sein müsse. Man müsse die Entschuldigung annehmen, wenn sich jemand dumm verhält, sich dann aber aufrichtig entschuldigt.
Es hieß schließlich auch: "Tesla lehnt jegliche Form von Diskriminierung und Belästigung entschieden ab und beschäftigt ein spezielles Team für Personalbetreuung, das auf alle Beschwerden reagiert und sie untersucht." Nun geht es zwar nicht um Rassismus und Diskriminierung, dafür aber um den Vorwurf von äußerst widrigen Arbeitsbedingungen. Klagen über unfaire Gehälter hatte es vor ein paar Monaten auch in der deutschen Gigafactory von Tesla in Grünheide gegeben.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei stern.de