Spenden ausschließlich für Bedürftige?Rotes-Kreuz-Kleiderkammer in Berlin: Mitarbeiter bedienen sich zuerst
Wer seine aussortierten Klamotten an das Deutsche Rote Kreuz (DRK) spendet, tut etwas fürs gute Gewissen. Nach eigenen Angaben werden in den DRK-Kleiderkammern jährlich rund zwei Millionen Menschen versorgt. Doch was viele nicht wissen: Nur 10 Prozent der Spenden landen wirklich dort, der Rest fließt in ein millionenschweres Geschäft. Zudem sollten die Kleider in den Kammern eigentlich nur an Bedürftige ausgegeben werden – doch in einer Einrichtung in Berlin nehmen die Mitarbeiter es damit anscheinend nicht so genau: Welche Praktiken eine „Team Wallraff“-Reporterin dort undercover aufdeckte, sehen Sie im Video.
Keine Bezahlung – dafür Kleider
Über 800 Kleiderkammern betreibt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) nach eigener Angabe in Deutschland. Hier arbeiten viele Menschen ehrenamtlich – also freiwillig und ohne Bezahlung. Auch in der DRK-Kleiderkammer in Berlin, in der „Team Wallraff“-Reporterin Melis undercover recherchiert, ist das so. Allerdings hat sich hier offenbar eine spezielle Form der Aufwandsentschädigung etabliert: Die Mitarbeiter bedienen sich an den Spenden, die eigentlich ausschließlich für Bedürftige vorgesehen sind.
„Ganz fatales Signal“
Das Deutsche Zentralinstitut sozialer Fragen vergibt ein Siegel für spendenwürdige Organisationen. Geschäftsführer Burkard Wilke hält das Vorgehen in der Berliner DRK-Kleiderkammer für „ein ganz fatales Signal“: „Das sieht nach Selbstbedienungsmentalität aus und das ist das letzte, was Ehrenamtliche dann eben auch bewirken wollen. Aus unserer Sicht sollen die Spenden, die als Kleiderspenden gegeben werden, ausschließlich für den gemeinnützigen Zweck der Organisation eingesetzt werden. Und an dem Punkt ist es dann eine zweifelhafte Spendenverwendung.“
Hierzu schreibt der zuständige DRK-Kreisverband: „Wir machen den Spendern gegenüber stets transparent, wofür und wie wir die Spenden verwenden.“
Millionen-Umsatz mit Altkleidern
In den DRK-Kleiderkammern und über die rund 25.000 Container in Deutschland werden jährlich 90.000 bis 100.000 Tonnen Altkleider gesammelt; rund die Hälfte davon ist noch tragbar. Allerdings werden laut DRK-Website nur 4.000 bis 5.000 Tonnen davon direkt an Bedürftige weitergegeben – der Rest wird verkauft. So auch der große Anteil an Textilien, die zu alt, fleckig oder zerrissen sind und deshalb nicht mehr getragen werden können: Diese werden aussortiert und kommen zu einer Firma, die Altkleider weiterverarbeitet – etwa zu Dämmstoffen oder Putzlappen.
20- bis 30.000 Euro setzt alleine die Kleiderkammer in Berlin, bei der Melis arbeitete, mit recycelbaren gebrauchten Kleidungsstücken um. Hochgerechnet auf die 800 DRK-Kleiderkammern in Deutschland kommt man auf mindestens 16 Millionen Euro Umsatz pro Jahr für aussortierte Kleider. „Team Wallraff“ wollte vom Roten Kreuz wissen, ob diese Zahl stimmt, bekam jedoch keine Antwort auf die Anfrage.
Das sagt das Rote Kreuz
Auf der DRK-Website heißt es bezüglich der Kleiderspenden lediglich: Das Rote Kreuz generiere „durch den Verkauf der Überschüsse freie Mittel für soziale Projekte. Jedes Jahr können wir somit ehrenamtliche Projekte beispielsweise im Katastrophenschutz, im Jugendrotkreuz oder in der Altenhilfe fördern. Diese Einnahmen sind eine wichtige Quelle zur Finanzierung unserer Arbeit.“