Wegen interner Personalmachtspielchen?

Hilflos und kotverschmiert: Demente Bewohnerin muss völlig verschmutzt frühstücken

Frühstücken, während man kotverschmiert im Bett liegt? Das würde wohl niemand freiwillig machen. Wie „Team Wallraff“-Reporterin Jana bei ihrem achttägigen Undercover-Einsatz in der „Alloheim“-Seniorenresidenz „Auetalblick” in Malente in Schleswig-Holstein feststellen musste, hat eine pflegebedürftige Heimbewohnerin hier manchmal nicht unbedingt die Wahl – und das offenbar wegen interner Personalmachtspielchen.
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Frühstück in den eigenen Ausscheidungen

Schon an ihrem ersten Praktikumstag lernt „Team Wallraff“-Reporterin Jana die demente Frau „Müller“* kennen. Als sie gemeinsam mit einer erfahrenen Kollegin das Frühstück an die Bewohner verteilt, fällt ihr schon beim Betreten des Zimmers der strenge Geruch nach Kot auf. Die Bewohnerin hat einen künstlichen Darmausgang, doch der Stomabeutel muss sich über Nacht gelöst haben. Er liegt offen vor den Füßen der Dame, Frau Müllers Bauch ist kotverschmiert. Es riecht unangenehm im ganzen Raum. Für die Pflegerin anscheinend kein Grund, die Bewohnerin erst sauber zu machen, bevor sie ihr das Frühstück serviert: „Nee, bleib da mal sitzen. Jetzt frühstückst du erst mal. Lass es so, da kommt gleich jemand“, sagt die Pflegerin zu der hilflosen Bewohnerin.

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Personalprobleme ausgetragen auf dem Rücken der Bewohner

Dass Frau Müller unter so unwürdigen Umständen essen muss, scheint an internen Kämpfen bei der Arbeitsaufteilung zu liegen. Die Pflegerin sagt zu unserer Reporterin: „Nee, ich mache deren Arbeit auch noch immer mit. Das sehe ich gar nicht ein. Ich mach die beiden noch, sollen sie zusehen, wie sie klarkommen. Jedes Mal helfe ich hier. Ich bin doch bekloppt. Ich bin auch kaputt. Ich bin auch keine Zwanzig mehr.“

„Alloheim“ erklärt hierzu: „Grundsätzlich kann es passieren, dass sich ein (...) Stomabeutel aufgrund von Eigenbewegung des Trägers und der Hautbeschaffenheit löst. (…) Unsere Bewohner erhalten eine pflegefachliche Begleitung (…) vom künstlichen Darmausgang, je nach Situation, Bedarf und unter Berücksichtigung ihrer kognitiven Fähigkeiten. Das Zimmer dieser Bewohnerin war und ist in einem ordentlichen Zustand und nicht kotverschmiert.“

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Wird Frau Müller überhaupt wahrgenommen?

Doch es ist nicht das letzte Mal während Janas Undercover-Einsatzes, dass Frau Müller sehr lange auf Hilfe warten muss. Als die Reporterin wenige Tage später im Frühdienst arbeitet, findet sie die demente Bewohnerin zufällig fast nackt in ihrem Badezimmer. Nur in Unterhose sitzt sie verwirrt auf ihrem Rollator. Obwohl sie wegen Sturzgefahr eigentlich nicht aufstehen soll, hat Frau Müller es allein ins Badezimmer geschafft, um auf die Toilette zu gehen – ohne, dass es jemand gemerkt hat. Ihr Stomabeutel hat sich wieder gelöst, wieder ist sie beschmiert mit Kot. Nun versucht sie, sich am Waschbecken sauber zu machen.

Weil Jana sich als Praktikantin nicht allein um den künstlichen Darmausgang der Bewohnerin kümmern darf, bittet sie ihre Kollegen um Hilfe. Doch Kaffee und Zigaretten scheinen für die Pfleger in diesem Moment wichtiger zu sein, als der alten Dame zu helfen: „Ich gehe da gleich hin. Ich geh jetzt noch eine rauchen und dann fangen wir ganz gechillt an“, erklärt eine Pflegerin auf wiederholte Nachfrage unserer Reporterin.

40 Minuten muss die halbnackte Frau Müller im kalten Badezimmer warten, bis endlich Hilfe kommt. Unserer Reporterin tut es unglaublich leid, wie mit der alten Dame umgegangen wird. Wird Frau Müller überhaupt richtig wahrgenommen?

„Alloheim“ sagt hierzu: „Unsere Pflegekräfte unterstützen die Bewohner auch in diesen Fällen sehr gerne (…). Die in Ihren Fragen enthaltene Unterstellung, es würde „mehr als 40 Minuten“ (…) dauern, bis reagiert würde, ist falsch. Die Auswertung des Klingelprotokolls der Einrichtung hat ergeben, dass in der Regel innerhalb von 5 Minuten reagiert wird.“

Klingelmatte funktioniert offenbar nicht

Das Problem: Frau Müller ist aufgrund ihrer Demenz nicht in der Lage, eigenständig die Klingel zu betätigen, wenn sie Hilfe braucht. Dafür, dass sie nicht aufsteht und in eine solche Notsituation gerät, soll eigentlich eine Klingelmatte sorgen. Diese soll einen Alarm auslösen, wenn die Bewohnerin versucht, aus dem Bett aufzustehen. Bei Frau Müller ist diese wohl defekt. Und so kommt es dazu, dass die demente Dame mehrere Male innerhalb von einer Woche stürzt. Die Folge sind Platzwunden und mehrere Hämatome. Eine neue Klingelmatte könnte solche Stürze vermutlich verhindern. „Die Klingelmatte, die da hingelegt wurde, ist defekt. Wir haben keine Klingelmatte“, erklärt jedoch eine Pflegerin.

In ihrer Stellungnahme schreibt die „Alloheim“-Kette, dass defekte Klingelmatten bei sturzgefährdeten Personen nicht bekannt seien. Grundsätzlich würden defekte Hilfsmittel umgehend repariert oder ausgetauscht.

Dass dem nicht so zu sein scheint, zeigt sich, als Frau Müller erneut stürzt. Ihr Knie blutet, ihre Decke ist blutverschmiert – und auch am Kopf hat sie eine neue Platzwunde, die allerdings offenbar keiner der Pfleger bemerkt, sondern gerade nur Undercover-Reporterin Jana.

„Alloheim“ schreibt hierzu, dass ihnen ein Sturz aufgrund einer defekten Klingelmatte nicht bekannt und auch in den Sturzprotokollen nichts verzeichnet sei.

Reporterin kontaktiert Familienmitglied

Für unsere Reporterin ist das zu viel. Sie kontaktiert einen Angehörigen der dementen Dame und teilt ihm mit, dass sie befürchte, dass sich nicht ausreichend um Frau Müller gekümmert werde. Mit Erfolg: Das Familienmitglied ist dankbar für die Nachricht und auch die Klingelmatte wird wenig später ersetzt. Frau Müller ist seitdem nicht mehr gestürzt. (akr)

*Name von der Redaktion geändert

Video-Playlist zu "Team Wallraff"

"Team Wallraff – Jetzt erst recht!“ auf RTL+

Die ganze Reportage von „Team Wallraff – Jetzt erst recht!“ sehen Sie am Donnerstag um 20:15 Uhr bei RTL und anschließend zum Abruf auf RTL+.