Experte schätzt ein

Studie: Macht Verkehrslärm Jugendliche wirklich dümmer?

Young woman leaning on window and drinking coffee, looking away. Street view, car and building exterior on background.
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von Jessica Bürger und Vera Dünnwald

Jugendliche werden immer dümmer! Das soll aber nicht an TikTok-Konsum oder etlichen Stunden vor dem PC liegen, sondern an der Straße vor der Haustür! Laut den Ergebnissen einer neuen Schweizer Studie führt zu viel Verkehrslärm zu Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Doch woran liegt das? Und wie aussagekräftig ist die Studie wirklich? Medizinjournalist Dr. Christoph Specht schätzt ein.
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Schlechter Schlaf durch Verkehrslärm sorgt für Konzentrationsstörungen? Dr. Specht ist skeptisch

Laut den Forschern liegt das Problem höchstwahrscheinlich am schlechten Schlaf. Besonders anfällig seien Jugendliche, deren Schlafzimmer zur Straße ausgerichtet ist, heißt es in der im Fachblatt „Environmental Research“ veröffentlichten Studie.

In der Studie haben die Wissenschaftler des Tropen- und Public Health-Institut in Basel 882 Jugendliche im Alter von zehn bis 17 Jahren ein Jahr lang beobachtet. Zu Beginn und zum Ende des Studien-Zeitraums haben die Forscher die kognitiven Fähigkeiten der Teenager mit Hilfe von Tests und Fragebögen zwei Mal im Jahr genauer betrachtet und die Ergebnisse festgehalten. Welche Auswirkungen hat die permanente Lärmbelästigung durch Verkehr?

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Das Ergebnis: Auch wenn eine Verdopplung des Lärms das sogenannte figurative Gedächtnis reduziere, sprich also den Bereich des Hirns, der unsere alltäglichen Informationen im Alltag verarbeitet – Dr. Specht ist skeptisch.

„Das kann alles plausibel sein. Aber ehrlich gesagt: Die Studie taugt nicht. Einfach aus dem Grund, weil es schwer ist, die Aussagen zu untermauern“, erklärt er im RTL-Interview.

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Darum zweifelt Dr. Specht die Studie an

Doch wo genau liegt das Problem? „Es handelt sich bei der Schweizer Studie nicht um eine Fall-Kontroll-Studie, sondern um eine Querschnittsstudie. Das heißt: Sie ist gar nicht dafür geeignet, um eine Kausalität zu begründen. Man kann gar nicht sagen: ‘Das mit der Konzentration kommt daher’.“

Was hätte man anders machen können? „Das fand ja alles nur aus der Ferne statt. Es gab keine Messung an den jeweiligen Häusern selbst. Es wurde nur stichprobenartig untersucht und man hat nur die Daten aus den Fragebögen genommen“, sagt er.

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Generell werfe die Studie Fragen auf: „Wie waren die Häuser gedämmt? Ist eine 30er-Zone vor der Haustür gewesen? Was haben die Probanden für Fenster? Wenn man eine solche Studie wirklich machen will, hätte man vor Ort einen Geräuschmesser über mehrere Wochen im Jahr, am besten 365 Tage dort stehen lassen müssen. Man muss eben beweisen, dass der Jugendliche auch wirklich immer da ist. Es sind so viele Dinge, die schwierig sind.“

Auch die Wissenschaftler weisen in der Studie darauf hin, dass die festgestellten Auswirkungen in Zukunft noch weiter untersucht und bestätigt werden müssen.

Wichtiger Tipp des Experten

Dennoch: „Trotzdem ist es plausibel, dass uns Lärm krank macht. Ich zweifle auch nicht da dran, dass Lärm unsere Konzentration negativ beeinflussen kann, vor allem weil uns Störungen stressen und auch das wiederum nicht gerade gesundheitsfördernd sind.“

Dr. Specht sieht ein Problem darin, dass unsere Gesellschaft mit der Zeit immer lauter und immer heller – dank der vielen künstlichen Lichtquellen – geworden ist. „Das Leben in der starken Zivilisation, wie wir sie jetzt haben, hat starke Gesundheitsbelastungen für uns. Deswegen sollten wir darauf achten, uns und unserem Körper Ruhe zu gönnen und uns gut zu ernähren.“