Steinmeier warnt von Ausweitung der Krim-Krise: "Ich mache mir große Sorgen"

Wird Russland versuchen sich weitere Teile der Ukraine einzuverleiben? Könnte Putins Politik bald auch Auswirkungen auf andere Regionen haben? Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat nach seinem Besuch in der Ukraine eindringlich vor einer Ausweitung der Krim-Krise gewarnt. "Ich mache mir große Sorgen, dass der völkerrechtswidrige Versuch, 25 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs international anerkannte Grenzen in unserer europäischen Nachbarschaft zu korrigieren, die Büchse der Pandora öffnet", sagte Steinmeier der 'Welt am Sonntag'.

epa04135968 German Foreign Minister Frank-Walter Steinmeier sits during his meeting with action Ukraine's President Oleksandr Turchynov (not pictured) in Kiev, Ukraine, 22 March 2014. Steinmeier earlier the same day arrived in Ukraine for meeting with Turchynov and acting Ukrainian Prime Minister Arseniy Yatsenyuk. The visit was reported to be meant to secure Germany's political support and economic support for Ukraine and to urge the new government to cater to the interests of its ethnic Russian minority. Steinmeier is also expected to visit the eastern Ukrainian region of Donetsk. EPA/ANASTASIA SIROTKINA / POOL +++(c) dpa - Bildfunk+++
Außenminister Steinmeier spricht von der Gefahr einer neuen Spaltung Europas.

Tatsächlich sieht die Nato den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine mit großer Sorge. Die Streitkräfte in dem Gebiet seien so zahlreich und einsatzbereit, dass sie auch eine Bedrohung für Moldawien darstellen könnten, sagte Oberkommandeur Philip Breedlove. Das russische Militär könne bis in die moldawische Separatistenregion Transnistrien vorstoßen, wenn Moskau den Befehl dazu gebe. Dies sei sehr besorgniserregend. "Russland verhält sich eher wie ein Gegner denn als Partner", sagte der General. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, es achte die internationalen Vereinbarungen für eine Beschränkung seiner Truppenstärke an der Grenze zur Ukraine und wies Berichte über eine angebliche Konzentration zurück.

Dennoch kritisierte auch Steinmeier, dass die Krim-Krise die Gefahr einer neuen Spaltung Europas heraufbeschwören würde. "Wir treffen uns heute hier, weil wir wissen, dass die Situation immer noch dramatisch ist", sagte er nach einem Treffen mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk. Die Lage in der Ost-Ukraine sei "immer noch alles andere als stabil".

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen setzt in der Ukraine-Krise hingegen auf eine starke Rolle der Nato und sorgt damit für Irritationen in der großen Koalition. "Jetzt ist für die Bündnispartner an den Außengrenzen wichtig, dass die Nato Präsenz zeigt", sagte die CDU-Politikerin dem 'Spiegel'. SPD-Außenexperte Niels Annen warf ihr daraufhin vor, zur Eskalation beizutragen. Die FDP fordert Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die Ministerin in die Schranken zu weisen. In einem ARD-Interview stellte von der Leyen klar, es gehe nicht darum, Truppen in die baltischen Staaten zu verlegen. "Es geht um Flugfähigkeiten, die die baltischen Staaten abgegeben haben in die Verantwortung der Nato." Sie müssten sicher sein, dass die Nato diese Flugfähigkeiten auch übernimmt.

Drohen Russland nun wirtschaftliche Sanktionen?

Laut Großbritanniens Außenminister William Hague könnte das Verhältnis Russlands zum Westen auch auf lange Zeit belasten und das Land isolieren. "Wir und unsere Verbündeten müssen darauf vorbereitet sein, eine neue Art der Beziehung zu Russland in Betracht zu ziehen, die sich sehr stark von der in den vergangenen 20 Jahren unterscheidet", schrieb Hague in einem Beitrag für den 'Sunday Telegraph'. Als möglichen langfristigen Effekt könnte sich Europa mehr und mehr unabhängig von russischen Energielieferungen machen. "In Wahrheit hat das russische Volk über die Zeit eine Menge zu verlieren - in der Ukraine, in Europa und international." Die US-Regierung betont zudem die Notwendigkeit eines geplanten Handelsabkommens mit der Europäischen Union. "Die jüngsten Entwicklungen unterstreichen nur die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen", sagte der US-Handelsvertreter Michael Froman.

Die internationale Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) darf unterdessen lediglich auf ukrainischem Gebiet kontrollieren, ob der Schutz von Minderheiten gewährleistet ist und es Anzeichen für Interventionen von außen gibt. Die Krim ist nach der international nicht anerkannten Annexion als russisches Territorium tabu. "Das ist nicht die politische Lösung, aber es könnte ein Beitrag sein, dass aus den Spannungen hier nicht neue Zusammenstöße und Blutvergießen entstehen", so Steinmeier.

Allerdings hat die Bundesregierung die Darstellung des russischen Außenministeriums entschieden zurückgewiesen, wonach mit dem Einsatz von OSZE-Beobachtern in der Ukraine die Abtrennung der Krim anerkannt wird. "Die OSZE stellt ausdrücklich nicht die territoriale Integrität der Ukraine infrage", sagte ein Regierungssprecher. Der Ton zwischen der EU und Russland wird schärfer. So drohte Steinmeier mit härteren Sanktionen. "Sollte Russland über die Krim hinausgreifen, werden wir in Europa einschneidende Maßnahmen beschließen, selbst wenn wir hierfür wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen", sagte Steinmeier der 'Bild am Sonntag'.

Die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) hingegen lehnt Sanktionen gegen Russland ab. Es dürfe weder einen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union noch zu Russland geben. Auch lehnte die AfD "jede weitere Erweiterung der Nato nach Osten ab". Der Europapolitiker Elmar Brok (CDU) hat als Modell für die Zukunft der Ukraine Finnland vorgeschlagen. "Das Ziel muss eine militärpolitisch neutrale Ukraine sein, die aber politisch und ökonomisch stärker zur EU ausgerichtet ist", sagte der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im Europaparlament. "Die Ukraine soll deshalb kein Pufferstaat sein." Brok zeigte sich Hinweis überzeugt, dass Russland eine solche Westanbindung der Ukraine akzeptieren würde - solange das Land nicht Mitglied der Nato werde.

Nach dem Anschluss der Krim an Russland dürfte der Westen über das weitere Vorgehen in dem Konflikt am Rande des Nuklearen Sicherheitsgipfels beraten, der am Montag in Den Haag beginnt. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte an, es müsse darüber gesprochen werden, wie die territoriale Integrität der Ukraine gesichert werden könne. Kremlchef Wladimir Putin hat laut einer vom Kreml veröffentlichten Anordnung indes die Einführung neuer Verwaltungsstrukturen auf der Halbinsel bis zum 29. März angeordnet. Demnach müssen die Polizei und der Zivilschutz, aber auch der Inlandsgeheimdienst FSB und andere Staatsorgane nach russischem Recht errichtet werden.