Havarie der "Ever Given"

Tierschützer warnen vor "Tragödie": Zehntausende Tiere hängen auf Frachtern im Suezkanal fest

FILE PHOTO: Stranded container ship Ever Given, one of the world's largest container ships, is seen after it ran aground, in Suez Canal, Egypt March 26, 2021. REUTERS/Mohamed Abd El Ghany/File Photo
FILE PHOTO: Stranded container ship Ever Given, one of the world's largest container ships, is seen after it ran aground, in Suez Canal
/FW1F/Jan Harvey, REUTERS, MOHAMED ABD EL GHANY

Das havarierte Containerschiff „Ever Given“ blockiert noch immer den Suezkanal – ein Ende ist nicht in Sicht. Tierschützer sind alarmiert, weil viele Frachter, die dort im Stau stehen, lebende Tiere an Bord haben sollen. Die Zeit drängt, Futter und Wasser werden knapp. Die ägyptische Regierung hat nun angeordnet, alles in die Wege zu leiten, um den Frachter zu entladen. Ein Vorgang, der nicht nur aufwendig ist, sondern auch lange dauern würde.

"Wir stehen vor einer großen Tragödie"

Osama Rabie, Chairman of the Suez Canal Authority, talks during a news conference in Suez, Egypt March 27, 2021. REUTERS/Mohamed Abd El Ghany
Osama Rabie von der Suezkanalbehörde bei einer Pressekonferenz am Samstag.
MS, REUTERS, MOHAMED ABD EL GHANY

Der Druck auf die Verantwortlichen am Suezkanal steigt, weil inzwischen 321 Schiffe auf Durchfahrt warten und der wirtschaftliche Schaden immer weiter wächst. Dem Dienstleister Inchcape Shipping Services zufolge konnte das Schiff mit Hilfe von Schleppern bisher 29 Meter bewegt werden. Wie „Marine Traffic“ CNN mitteilte, hätten 13 der Schiffe lebende Tiere an Bord, die für verschiedene Länder in Europa und Asien bestimmt waren. Der britische „Guardian“ berichtet sogar von bis zu 20 solcher Schiffe aus Rumänien und Spanien und beruft sich auf Trackingdaten.

Gabriel Paun, EU-Direktor der NGO „Animals International“, warnte davor, dass Tausende von Tieren sterben könnten, wenn die Situation nicht geklärt wird. "Wir stehen vor einer großen Tragödie, wenn der Kanal in den nächsten 24 Stunden nicht freigegeben wird, weil es Schiffe gibt, denen in den kommenden zwei Tagen Nahrung und Wasser ausgehen", sagte er CNN zufolge. Zudem würden sich bereits weitere Schiffe, die Vieh befördern, auf Kurs Richtung Suezkanal befinden. Einige Frachter hätten Reserven für sechs Tage, "wenn sie sich heute entscheiden, nach Rumänien zurückzukehren, haben sie eine Chance. Aber wenn die Blockade noch zwei bis sechs Tage dauert, werden wir eine Katastrophe erleben", so Paun.

"Meine größte Angst ist, dass den Tieren Futter und Wasser ausgehen und sie auf den Schiffen stecken bleiben, weil sie wegen der Bürokratie nicht woanders abgeladen werden können", sagte Gerit Weidinger, EU-Koordinatorin für „Animals International“, dem „Guardian“ zufolge.

Die Veterinärbehörden in Bukarest hingegen gaben dem „Spiegel“ zufolge Entwarnung. Man sei bereits in Kontakt mit den Transportfirmen und es sei für die kommenden Tage ausreichend Wasser und Futter vorhanden. Sollte der Stau noch länger dauern, könne man die Tiere in anderen Ankunftshäfen entladen. Der Vorsitzende der Kanalbehörde (SCA), Osama Rabie sprach CNN zufolge von drei Schiffen mit Vieh an Bord. Das ägyptische Gesundheitsministerium habe ihnen Futter und Tierärzte geschickt.

Bergung könnte noch Wochen dauern

Derzeit sieht es nicht danach aus, dass die „Ever Given“ von der taiwanesischen Reederei „Evergreen“ zeitnah freigeschleppt werden kann. Bei den Arbeiten im Suezkanal werden bereits weitergehende Maßnahmen zur Bergung ins Auge gefasst. Präsident Abdel Fattah al-Sissi habe angeordnet, mit den Vorbereitungen zur Entladung von Containern zu beginnen, sagte Rabie dem Sender „Extra News“. Die "Ever Given" hat ingsesamt 18.300 Containern an Bord.

Bergungsexperten und Rabie hatten gehofft, das 400 Meter lange Schiff ohne den zeitraubenden Schritt wieder flott zu bekommen. Vor Ort sollte bei Ebbe zunächst zwölf Stunden lang gegraben werden, um das quer liegende Schiff zu befreien. Dann sollten bei Flut zwölf Stunden lang die Schlepper zum Einsatz kommen. Inzwischen seien 14 Schlepper im Einsatz, Sonntag werden zur Unterstützung zwei weitere Schlepper erwartet, die in den Niederlanden beziehungsweise Italien registriert sind. Das teilte das Unternehmen Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) mit, das für die technische Leitung der „Ever Given“ verantwortlich ist. Das Ruder des Containerschiffs konnte bereits befreit werden. Einer SCA-Erklärung zufolge wurden inzwischen 27.000 Kubikmeter Sand bewegt bei dem Versuch, das Schiff wieder frei zu bekommen. Die Vereinigten Staaten, China, Griechenland und die Vereinigten Arabischen Emirate hätten ihre Hilfe angeboten.

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Video: "Ever Given"-Kapitän malte Penis ins Rote Meer

Das Schiff eines japanischen Eigentümers, das etwa der Größe des Empire State Buildings in New York entspricht, war auf dem Weg nach Rotterdam, als es bei der Durchfahrt des Kanals auf Grund lief. Die Ursache sei ersten Ermittlungen zufolge „starker Wind“ gewesen, teilte BSM mit. Rabie sagte am Samstag allerdings, dass nicht allein der Wind und der Sandsturm zum Unfall führten. Auch „menschliches Versagen“ könne nicht ausgeschlossen werden.

Die 25 Crewmitglieder, die alle aus Indien stammen, sind wohlauf und weiterhin an Bord. Über mögliche Schäden an der Ladung oder eine Verschmutzung des Wassers gibt es bisher keine Informationen.

Irritationen hatte die Meldung ausgelöst, wonach der Kapitän vor der Havarie noch einen riesigen Penis ins Rote Meer "gemalt" hatte.

Suezkanal-Stau kostet bis zu 10 Mrd. Dollar pro Woche

Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet dadurch den kürzesten Schifffahrtsweg zwischen Asien und Europa. Normalerweise durchfahren die Wasserstraße rund 18.000 Schiffe pro Jahr. Der Allianz zufolge wurden 2019 etwa 13 Prozent des gesamten Welthandelsvolumens – das entspricht 1,25 Millionen Tonnen Fracht – durch den Kanal befördert.

Die Blockade bedeutet für den Welthandel Einbußen von 6 bis 10 Milliarden Dollar pro Woche, schreiben die Volkswirte von Deutschlands größtem Versicherer in in einer am Freitag veröffentlichten Analyse. "Insbesondere wird dieser Zwischenfall zu Lieferverspätungen von Alltagsprodukten für Verbraucher weltweit führen", heißt es darin.