Sorge vor Krieg und Spaltung Europas - Lage auf der Krim immer angespannter

Unbeeindruckt von fieberhafter Krisendiplomatie schafft Russland auf der ukrainischen Krim weiter Fakten. Bei unverändert massiver Militärpräsenz ordnete Moskau den Bau einer strategisch wichtigen Brücke zwischen Südrussland und der überwiegend von Russen bewohnten Halbinsel an. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einer neuen Spaltung Europas. Angesichts der explosiven Situation werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag zu einem Sondergipfel treffen.

President Vladimir Putin chairs a government meeting in Novo-Ogaryovo residence outside Moscow January 15, 2014. Putin appointed the director of a leading steel company as the interim governor of one of Russia's main industrial regions on Wednesday, replacing Mikhail Yurevich, a target of graft investigations by the opposition.  REUTERS/Mikhail Metzel/RIA Novosti/Kremlin (RUSSIA - Tags: POLITICS) 
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Die Appelle und Warnungen des Westens scheinen Russlands Präsident Putin wenig zu beeindrucken.
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Russland wies Berichte über ein Ultimatum an die ukrainischen Streitkräfte auf der Krim zurück. "Das ist völliger Blödsinn", sagte ein Stabsvertreter der russischen Schwarzmeerflotte. Zuvor hatten ukrainische Medien unter Verweis auf einen Sprecher des Kiewer Verteidigungsministeriums berichtet, die Schwarzmeerflotte habe die Besatzung von zwei ukrainischen Kriegsschiffen vor der Stadt Sewastopol zur Aufgabe aufgefordert. In anderen Meldungen war von der angedrohten Erstürmung ukrainischer Stellungen auf der gesamten Krim die Rede gewesen.

Wie US-Präsident Barack Obama warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, mit der "unakzeptablen russischen Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben". Alle Seiten müssten jetzt verantwortungsvoll handeln, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es sei noch nicht zu spät, die Krise friedlich zu lösen.

Die Angst vor einer Eskalation trieb den Ölpreis und riss den russischen Aktienmarkt ins Minus. Die Börsen gingen weltweit auf Talfahrt. Am stärksten fielen die Verluste in Russland aus, dort verlor der Aktienmarkt zeitweise mehr als zehn Prozent. Der russische Rubel sank zum amerikanischen Dollar auf ein Rekordtief.

Das Auswärtige Amt riet von Reisen auf die Schwarzmeerhalbinsel dringend ab. Einige EU-Länder schmieden bereits Notfallpläne für die mögliche Aufnahme von Flüchtlingen.

Bei prorussischen Protesten in der ostukrainischen Stadt Donezk besetzten Hunderte Demonstranten Teile der Regionalverwaltung. Auf der Krim herrschte nach dem Machtwechsel hingegen gespannte Ruhe. Die Halbinsel, auch Sitz der russischen Schwarzmeerflotte, steht seit dem Wochenende voll unter Kontrolle moskautreuer Kräfte.

Steinmeier: "Gefahr einer erneuten Spaltung Europas ist real"

Zuvor hatten sich die Spannungen dort seit dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch am 22. Februar dramatisch verschärft. In der autonomen Republik gibt es Abspaltungsbestrebungen. Die Regierung ist abgesetzt, der moskautreue neue Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow hat Kremlchef Putin um Beistand gebeten.

Einen offiziellen Marschbefehl aus Moskau gab es noch nicht. Das russische Militär hat nach US-Erkenntnissen aber inzwischen die "totale operative Kontrolle" auf der Krim. Nach Darstellung der neuen prorussischen Regierung sind in den vergangenen Tagen rund 6.000 Angehörige der ukrainischen Streitkräfte übergelaufen.

Aksjonow verteidigte die Machtübernahme. In Kiew auf dem Maidan hätten Politiker zuletzt das ukrainische Volk aufgerufen, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen. Was für die Hauptstadt gelte, müsse auch für die Autonome Republik Krim gelten, sagte Aksjonow einer Zeitung. Die Regierung in Kiew unterstrich ihren Gebietsanspruch. "Niemand wird die Krim an irgendjemanden abgeben", sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk.

Russlands Parlamentspräsident Sergej Naryschkin sagte, es gebe noch keinen Grund für eine Militärintervention in der Ukraine. Natürlich gebe es weiter eine Chance auf eine politische Lösung, so der Putin-Vertraute.

"Europa befindet sich ganz ohne Zweifel in der schärfsten Krise seit dem Mauerfall", sagte Steinmeier in Brüssel. "25 Jahre nach dem Ende der Blockkonfrontation ist die Gefahr einer erneuten Spaltung Europas real. Täglich spitzt sich die Lage in der Ukraine weiter zu."

Die EU verurteilte die russische Militäraktion, hofft aber nach wie vor auf eine politische Lösung des Konflikts. In einer Erklärung droht sie Moskau auch Sanktionen an, falls Russland weiterhin Militär in der Ukraine einsetze.

Die sieben führenden Industrienationen der Welt (G7) setzten alle Vorbereitungstreffen für den G8-Gipfel mit Russland im Juni in Sotschi aus. Außerdem boten sie der vor dem Staatsbankrott stehenden Ukraine "starken finanziellen Rückhalt" an. US-Außenminister John Kerry will zur Unterstützung nach Kiew reisen.

Die G7-Staaten und die EU riefen Moskau auf, eine Vermittlung oder auch Beobachtung der Vereinten Nationen oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu akzeptieren. Im Gespräch sind eine 'Fact Finding Mission' in der Ost-Ukraine und auf der Krim sowie eine internationale Kontaktgruppe, die Russland und die Ukraine zum Dialog bringen könnte. Russlands OSZE-Botschafter Andrej Kelin sprach sich allerdings zum jetzigen Zeitpunkt dagegen aus.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow nannte das Vorgehen Moskaus eine "Frage der Verteidigung unserer Bürger und Landsleute und der Sicherung ihrer Menschenrechte". Der Übergangsregierung in Kiew warf er vor, grundlegende Menschenrechte der Russen in der Ukraine zu missachten. Regierungschef Dmitri Medwedew verteidigte das Vorgehen seines Landes in einem Telefonat mit US-Vizepräsident Joe Biden.