Skandal in Chemnitz

Sexualstraftäter arbeitet als Kita-Erzieher, dann missbraucht er Jungen (9) - was der Vater dazu sagt

RTL-Reporter Frank Vacik konfrontierte den verurteilten Täter  nach dem Urteil.
RTL-Reporter Frank Vacik konfrontierte den verurteilten Sexualstraftäter nach dem Urteil.
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von Denise Kylla und Frank Vacik

Unfassbarer Skandal in Chemnitz! Die Stadt beschäftigte einen verurteilten Sexualstraftäter als Erzieher in einer ihrer Kita. Dabei wurde David E. (37) am 4. Juli 2017 vom Amtsgericht Freiberg wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Auflage: Ein Verbot der Beschäftigung und Beaufsichtigung Schutzbefohlener. Jetzt stand der Erzieher erneut vor Gericht, die Staatsanwaltschaft warf ihm schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in zwei Fällen vor und zog Konsequenzen. Im Interview verriet der Vater des Opfers, was er über das Urteil denkt.

Der Prozess fand vor dem Amtsgericht in Freiberg statt.
Der Prozess fand vor dem Amtsgericht in Freiberg statt.
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Erzieher missbrauchte Neunjährigen im Beisein seines Stiefkindes

Der Angeklagte, ein Kfz-Mechaniker, hat sich nach einer Kindergeburtstagsfeier seines Stiefkindes im Sommer 2021 an dessen Freund (9) sexuell vergangen. Der Junge übernachtete bei ihm in einem Zelt. Der Angeklagte soll ihn aufgeweckt haben – angeblich fragte er, ob er mit ihm im Haus Nintendo Switch spielen wollte. Dann hat David E. den Neunjährigen nach Auffassung des Gerichts sexuell missbraucht. Ein weiter Vorfall soll sich im Spätherbst des gleichen Jahres ereignet haben – mit dem gleichen Opfer, wieder beim Nintendo-Spielen! Er missbrauchte das Kind im Beisein seines Stiefkindes.

Angeklagter setzt sich in den Zuschauerbereich

Vor Gericht verhielt sich der Angeklagte auffällig. Beinahe so, als wolle er demonstrieren, dass er unschuldig sei. „Es war heute besonders, dass der Angeklagte nicht neben seinem Anwalt saß während des Prozesses, sondern in den Zuschauerreihen“, erklärt RTL-Reporter Frank Vacik. Es habe gewirkt, als sei er selbst ein Gast und gar nicht der Betroffene. „Erst als die Richterin hereinkam und den Angeklagten gesucht hat, ist er dann neben seinen Verteidiger gegangen.“

Als die Anklage verlesen worden sei, habe David E. immer wieder den Kopf geschüttelt. Später habe auch sein Opfer, das heute elf Jahre als ist, ausgesagt. Die Vernehmung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der verurteilte Missbrauchs-Täter musste ebenfalls den Saal verlassen. „Der Junge leidet unter Angstzuständen, wenn er den Mann sieht“, so Vacik. Später dann das Urteil: David E. ist schuldig. Er wird zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

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Vater des Opfers: David E. hat die Nähe meines Kindes gesucht

Sein Vater Kai sprach nach dem Prozess mit RTL und erzählte, wie er und seine Frau von dem Missbrauch erfuhren. Sein Kind habe sich irgendwann seiner Mutter anvertraut. „Das war im März 2022“, sagt er. Dabei habe der Junge aber keine Details genannt. „Er hat sich geschämt“, so der Vater. Er habe ihm dann erst einmal Zeit gegeben, ihn zur Schule und zum Training gehen lassen und am Folgetag ein langes Gespräch mit ihm geführt. „Er hat geweint, aber ich habe immer wieder hinterfragt, was er erzählt hat. Immerhin sind das harte Anschuldigungen“, sagte er. „Er hat erzählt, dass er auf dem Geburtstag eines Freundes gewesen ist und am nächsten Morgen ist der Übergriff passiert.“

Kai ist der Vater des Opfers von David E. er tritt als Nebenkläger auf.
Kai ist der Vater des Opfers von David E. er tritt als Nebenkläger auf.
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Der Vater gesteht, dass er zuerst gar nicht gewusst habe, was er tun sollte. „Ich habe eine gute Freundin angerufen, die in dem Bereich arbeitet, sie hat gesagt ‘geh zur Polizei’. Es ist total verrückt, wie einem das den Boden unter den Füßen wegzieht“, sagte der Mann. Besonders schlimm: Nach dem Missbrauch habe David E. sogar das Gespräch mit seiner Frau gesucht und seinem Jungen durchs Haar gestrichen. Dabei habe er gesagt: „Na, wir kommen schon klar miteinander.“ Doch zu dem Zeitpunkt wussten die Eltern noch nichts von dem Übergriff. Heute könne er die ein oder andere Situation besser einordnen.

Mit dem Urteil sei der Vater zufrieden. Er freue sich, dass es nun eine Haftstrafe gebe. „Ich hoffe, dass es bei ihm (David E., Anm. d. Red.) ein Umdenken gibt und er darüber nachdenkt, was er den Leuten antut. Seiner Lebensgefährtin, seinen Kindern und auch allen anderen Kindern, die bei ihm unter die Räder gekommen sind,“ so der Vater des Opfers.

Stadt Chemnitz äußert sich zum Missbrauchs-Erzieher

Auf RTL-Nachfrage äußerte sich die Stadt Chemnitz am Mittwoch dazu, weshalb sie einen Sexualstraftäter beschäftigt hatte. „Der benannte Mitarbeiter wurde nach Beiziehung eines amtlichen, erweiterten Führungszeugnisses, welches keinerlei Eintragungen enthielt, im Herbst 2021 eingestellt.“ Und weiter: „Als in der Stadt Chemnitz die Vorwürfe gegen Herrn E. bekannt wurden, erfolgte keine Beschäftigung mehr. Das Arbeitsverhältnis wurde sofort nach Kenntniserlangung der Vorbelastung fristlos beendet.“ Die Stadt wurde schon im November informiert, reagierte hierauf aber nicht. Auch nicht auf ein Schreiben der Opferanwältin – bis heute. Weitere von RTL eingereichte Fragen, wie etwa nach einem möglichen Versäumnis der Stadt, werden nicht beantwortet.

Der Mann arbeitete auch in Augustusburg als Erzieher. Pikant: Auch dort hat er angeblich ein Führungszeugnis vorgelegt. Das sei aber ebenfalls leer gewesen. Theoretisch hätten dort alle Vorstrafen einsehbar sein müssen.

In einer Erklärung heißt es: „Herr E. war vom 18.09.2017 bis zum 19.04.2018 über eine Zeitarbeitsfirma eingesetzt. Die Beschäftigung über eine Zeitarbeitsfirma erfolgte zur Abdeckung eines vorübergehenden Betreuungsbedarfs. [...] Die Stadt Augustusburg fordert sowohl von ihren Beschäftigten und Bewerbern als auch von über Zeitarbeitsfirmen eingesetzten Personen erweiterte Führungszeugnisse.“ Zum Zeitpunkt seiner Beschäftigung hätte die Stadt keine Kenntnis der Vorstrafen gehabt. Und weiter: „Bei einer entsprechenden Kenntnis wäre es nie zu einer Beschäftigung von Herrn E. gekommen [...].“

David E.s Dokumente sollen keine Einträge enthalten haben. Merkwürdig. Genauso kurios ist auch, dass der Mann bereits 2009 fragwürdige Popularität erlangte. Bei einem Unfall in Limbach-Oberfrohna wurde sein Auto sieben Meter hoch in ein Kirchendach katapultiert. David E. überlebte schwer verletzt und wurde bekannt als „Kirchenflieger“.

Opferanwältin: Junge ist in psychologischer Behandlung

Opferanwältin Kerstin Börner sprach im RTL-Interview über das Leid des Jungen.
Opferanwältin Kerstin Börner sprach im RTL-Interview über das Leid des Jungen.
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Jetzt soll die Genesung von David E.s jüngstem Opfer im Vordergrund stehen. „Es geht dem Kind nach wie vor nicht gut“, sagt Opferanwältin Kerstin Börner. Der Junge habe Angst vor seinem Peiniger und traue sich nicht in die Umgebung seines Hauses. Es sei in psychologischer Betreuung. Auch Papa Kai hofft, dass die Familie jetzt mit dem Fall abschließen kann.