Mediziner kämpfen für ihren Job - und ihre Patienten
Kinderarzt: "Geringe Wertschätzung unserer Arbeit bringt das Fass zum Überlaufen"
Wir sind überlastet und brauchen mehr Geld, um unsere Patienten vernünftig versorgen zu können - das sagen Deutschlands niedergelassene Ärzte und bringen ihre Not mit einem Protesttag zum Ausdruck: Am 26. Oktober blieben viele Türen von Arztpraxen bundesweit geschlossen. Auch Ralf Moebus, Kinder- und Jugendarzt aus Bad Homburg (Hessen), sagt: „Mit den Sparplänen der Bundesregierung sehe ich schwarz.“
Patienten-Versorgung ist gefährdet
„Die Versorgung unserer Patienten ist durch die Sparpläne der Regierung und der Kassen stark gefährdet“, bringt es Kinder- und Jugendarzt Ralf Moebus im RTL-Interview auf den Punkt. Wenn sich die Lohnsituation nicht verbessere, sieht der Mediziner aus Bad Homburg seine Kollegen und sich dem Ende nah. Viele Medizinstudenten erkennen die Schieflage in den Praxen und würden sich zunehmend für einen Weg in die Wissenschaft oder an Kliniken entscheiden. Die ambulante Patientenversorgung sei damit in einem „unhaltbaren Zustand“.
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Horror-Szenario für Eltern: Neugeborene können nicht mehr versorgt werden
Die Bundesregierung rund um Gesundheitsminister Karl Lauterbach plant unter anderem, Honorare für die Aufnahme von Neupatienten zu kürzen, das hieße für Ralf Moebus und seine Kinderarzt-Kollegen in den Praxen: Neugeborene könnten nicht mehr aufgenommen werden, infolgedessen sei auch die kontinuierliche medizinische Begleitung der Kinder bis zum 18. Lebensjahr – zum Beispiel durch die regelmäßigen U-Untersuchungen – nicht mehr möglich.
Niedergelassene Ärzte befürchten die Abwanderung von Patienten an die Kliniken, wo Behandlungen teurer wären als in einer ambulanten Praxis. "Die geringe Wertschätzung unserer Arbeit bringt das Fass zum Überlaufen", so der Landesverbandsvorsitzende der Kinder- und Jugendärzte Ralf Moebus.

Patienten reagieren (noch) verständnisvoll
Noch sei die Reaktion der Patienten auf die Protesttage und die tageweise Schließungen der Praxen positiv und verständnisvoll, so Moebus. Aber nur, „weil wir eben auch morgen wieder da sind.“ Was aber, wenn die Sparpläne der Regierung weitergehen und auch an den Tagen danach plötzlich kein Arzt mehr zur Verfügung steht? „Die Regierung könne nicht erwarten, dass die Praxen die Anforderungen stemmen“, klagt Moebus.
Bürokratie-Wahnsinn: 30 Minuten Akten für eine Corona-Impfung
Unterstützung bekommt der Kinderarzt von Allgemeinmedizinerin Petra Hummel: „Wir können nicht mehr arbeiten. Familie und Privatleben leiden.“ Die Bürokratie sei schuld an der Überlastung der Praxen, alleine für die Abrechnung eines Corona-Falls müsse man 50 Abrechnungsziffern notieren und dann an das RKI melden. „Weder Patienten noch Ärzten nützt das etwas.“ Eine Impfung gegen Corona koste die Hausärztin 30 Minuten Verwaltung pro Tag. Und das sei nicht die einzige unvergütete Aufgabe, die oft auch ihre Freizeit am Wochenende auffresse: Auch der Anstieg von Anfragen wegen Krankmeldungen und vermehrte Renten- und Reha-Anträge wären „Privatvergnügen“ und würden von der Regierung nicht entlohnt.
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Dazu kommen steigende Lohnkosten, die Inflation und die Energiekrise. Vor allem Praxen mit großen Geräten und notwendigen konstanten Innenraum-Temperatur zum Beispiel für die Dauer einer Dialyse könnten die Versorgung nicht mehr garantieren. Eine Lohnsteigerung von derzeit zwei Prozent für die Ärzte würde da wenig ausgleichen, bestätigt Kinderarzt Ralf Moebus. Und letztendlich leiden nicht nur die Ärzte, sondern alle potentiellen Patienten. Sprechstunden werden kürzer und oberflächlicher, Wartezeiten auf Termine länger – es geht auf Kosten der Gesundheit. (lho/gmö)