Nachruf auf Ski-Legende Rosi Mittermaier
Der normalste Sportstar, den es gab
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Mit ihren Siegen bei den Olympischen Spielen 1976 verzaubert "Gold-Rosi" Wintersport-Deutschland. Damals in Innsbruck sorgt Rosi Mittermaier für eines der größten Feste in der Geschichte des deutschen Alpin-Sports. Nun ist sie im Alter von 72 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
Neid und Missgunst waren Rosi Mittermaier fremd
Der Winter 1975/76 war der Winter von Rosi Mittermaier. Es war ein Winter, in dem es noch echten Schnee gab und Skifahren keine Materialschlacht war. Es war der Winter, der Deutschland zu einer Alpin-Nation machte - auf den Pisten, an den TV-Geräten. Ganz besonders im Februar 1976, als die Olympischen Winterspiele in Innsbruck ausgetragen wurden und das Mädchen aus Reit im Winkl die Konkurrenz beherrschte. Gold-Überraschung in der Abfahrt, Gold im Slalom, Silber im Riesenslalom. Weil damals die Olympischen Spiele gleichzeitig auch die WM waren, durfte sie sich in Folge auch dreifache Weltmeisterin nennen. Denn in der Summe der drei Wettbewerbe war sie die Schnellste und damit auch Titelträgerin in der nicht olympisch gewerteten Kombination.
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Der Hype um die gekrönte "Gold-Rosi" kannte keine Grenzen mehr. Angeblich 40.000 Briefe binnen eines Monats wurden in ihre Heimat geschickt, darunter zahllose Heiratsanträge. Rosa-Katharina Mittermaier war ein Star, der erste im alpinen Skisport. Sie war aber nicht nur ein Star auf Brettern, sondern auch als Mensch. Jene, die sie kannten, nannten sie eine der "bezauberndsten" Persönlichkeiten, die sie je getroffen hatten. In ihre Biografie bekam sie die Zuschreibung, der wahrscheinlich natürlichste Superstar gewesen zu sein, den es je im Sport gab. Übertriebener Ehrgeiz und Verbissenheit waren ihr fremd. Neid und Missgunst kannte sie nicht. Nun ist die "Rosi" nach schwerer Krankheit im Alter von 72 Jahren gestorben.
"Hört's auf, ich bin die Rosi"
Einer, der sie besonders gut kannte, ist ARD-Kommentator Bernd Schmelzer. Auch er war der Faszination für das Mädchen von der Winklmoosalm erlegen. "Es gibt niemanden, der bei solchen Erfolgen normaler war als die Rosi", sagt er im Gespräch mit ntv.de. "Sie war so uneitel, so unprätentiös, so selbstlos." Sie blieb trotz ihrer Erfolge irgendwie immer das charmante Mädchen vom Dorf. Unangenehm war es ihr, wenn man sie über ihre Titel definierte. "Sie hat dann immer gesagt: Hört's auf, ich bin die Rosi", sagt Schmelzer. "Mein Gott, wie oft ich das gehört habe." Ihr selbst waren die Titel und Triumphe nicht wichtig. Sie machte da kein Aufheben drum. Im Hause Mittermaier, so heißt es, hingen keine Medaillen rum.
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Und trotzdem, das bekannte die Sportlerin einst, haben ihr die Tage in Innsbruck und der Ruhm geschmeichelt. Als sie von Innsbruck nach Hause reiste, da erlebte sie nicht bloß eine glückliche Heimfahrt, da erlebte sie einen einzigartigen Triumphzug, der wohl kaum einem anderer Sportler, einer anderen Sportlerin in Deutschland nach dem deutschen WM-Sieg 1954 je so zu teil wurde. In München gab es einen offiziellen Empfang für die "Gold-Rosi", danach ging es in einer Limousine heim. Gefühlt in jedem Dorf wurde angehalten, die Menschen wollten die "Rosi" sehen. Von der Polizei eskortiert erlebte Mittermaier die Liebe und den Stolz der Heimat. Kapellen am Straßenrand spielten Musik, die Leute, Tausende, strahlten mit ihrer Heldin. Doch sie selbst überstrahlte sie alle. Ihr Lächeln war ansteckend und wirkte bis weit über das Karriereende hinaus.
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Ein Star zum Anfassen
Im Fernsehen war sie immer ein gern gesehener Gast. Auch in den erfolgreichen Jahren ihres Sohnes, dem mittlerweile zurückgetretenen Slalom-Ass Felix Neureuther. Immer wieder fieberte sie an den Pisten mit - und blieb dabei selbst der Star, der er im Winter 1976 geworden war. Immer blieb ihr der Hype um die eigene Person ein Rätsel. Dem "Münchner Merkur" sagte sie 2016, anlässlich des 40. Jahrestags ihrer Erfolge: "Es war Wahnsinn. Wahnsinn. Total verrückt." Zum Genießen, fragte die Redakteurin? Mittermaier zuckte mit den Schultern. "Freilich war's schön." Verstanden hat sie es trotzdem nicht: "Ich hab' mir vor allem gedacht: Mei, geht's doch lieber heim. Das ist doch alles nicht so wichtig."
Mittermaier blieb ein Star zum Anfassen, nahbar, bescheiden, sie hatte immer ein nettes Wort auf den Lippen. Dass sie über Jahrzehnte die "Gold-Rosi" der Nation blieb, hatte viel damit zu tun, dass sie immer war, wie sie war. Freundlich. Hilfsbereit. Sozial engagiert.
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"Ich steh' ja viel durch, aber das war krass"
Sie wuchs an der Winklmoosalm auf, wo die Eltern ein Gasthaus mit Skischule hatten. Im Alter von drei Jahren spürte Rosa-Katharina das erste Mal die schmalen Bretter unter sich, 1965 wurde sie Teil der Nationalmannschaft. Mittermaier liebte die Zeit auf den Brettern wie kaum eine andere. "Das reine Skifahren ist für mich immer noch das Schönste, was es gibt und wo mir immer das Herz aufgehen wird", sagte die Ikone einmal. Aber besonders wohl fühlte sie sich auch im engsten Stangenwald, dem Slalom. Wie ihr Mann Christian Neureuther, wie ihr Sohn Felix. Von den zehn Weltcupsiegen feierte sie acht in dieser Disziplin. Insgesamt stand sie 41 Mal auf dem Podest - und feierte 1976 den ersten Triumph im Gesamtweltcup. Es blieb ihr einziger, wenige Tage später verkündete sie das Ende ihrer Karriere. Auch wegen des immensen Trubels hörte sie im Alter von 25 Jahren auf. "Wenn ich heute daran denke, dass ich das alles ausgehalten habe, kann ich mir das nicht mehr vorstellen", sagte sie einmal: "Ich steh' ja viel durch, aber das war krass."
Krass war auch ihr wilder Pistenritt am 8. Februar, als sie die Abfahrt völlig überraschend vor der österreichischen Favoritin Brigitte Totschnig gewann, mit einer halben Sekunde Vorsprung. Auch ihre Schwester Evi ließ sie hinter sich, die war in dieser Disziplin deutlich stärker eingeschätzt worden. Im "Münchner Merkur" heißt es dazu: "Evi weinte zu sehr, um gescheit fahren zu können: Als sie am Start erfuhr, dass ihre Schwester führte, stiegen ihr die Tränen in die Augen, tropften in die Brille - im Blindflug schaffte sie Platz 13." Rosi feierte und das ganze Land mit ihr. Sie tanzte Rumba auf dem Siegertreppchen, Deutschland drehte durch.
Den Trubel um ihre Person packte sie bestens weg und sie hielt auch dem immensen Druck stand. Drei Tage nach dem Abfahrts-Coup ging sie als Favoritin in den Slalom. Die Erwartungen waren riesig. Aus dem Lift entdeckte sie viele Fans aus der Heimat. "Ja servus, was macht ihr denn alle da?", soll sie ihnen damals zugerufen und gedacht haben: "Jetzt darf ich mich nicht blamieren." So steht es im "Münchner Merkur". Nach Platz zwei in Durchgang eins hinter Pamela Behr stürmte sie noch zu Gold, ihre Teamkollegin rutschte noch auf Rang fünf ab. Im Ziel sangen die Fans begleitet von einer "Quetschkommode": "Rosi, Rosi, mach' es noch einmal."
Ihr Leben sah sie als erfüllt an
Blumen über Blumen wurden der Legende geschenkt. Sie wusste irgendwann nicht mehr wohin damit, ehe sie eine Idee hatte, die soviel über sie selbst aussagte: Sie verschenkte die Blumen an Krankenhäuser. Sie hatte ein großes Helferherz. Mittermaier engagierte sich für gesellschaftliche Zwecke, war Schirmherrin der Kinder-Rheuma-Stiftung und wurde 1997 Botschafterin für Sport, Toleranz und Fair Play. Trotz ihrer sportlichen Erfolge wollte sich "Gold-Rosi" nie nur auf die Leistungssportlerin reduzieren lassen. Deutschlands Sportlerin des Jahres 1976 schloss nach ihrem Karriereende zahlreiche Sponsorenverträge ab und baute sich eine eigene Existenz auf. Als Werbebotschafterin bereiste die Frohnatur die Welt.
Dem Skisport blieb sie bis zu ihrem Tod treu. Sie unterstützte die Bewerbung Garmisch-Partenkirchens für die alpine Weltmeisterschaft 2011, vor dem Fernseher verfolgte sie weiter die Rennen. "Wenn ich heute andere Sportler in solchen Momenten wie bei einer Siegerehrung sehe, dann bin ich emotionaler als damals", sagte Mittermaier einmal. Ihr Leben konnte sie immer genießen, sie sah es als erfüllt an, "ich habe ja auch schon alles gemacht, alles ausprobiert": Gleitschirmfliegen, Fallschirmspringen, Tauchen, Surfen auf Hawaii; Autorennen ist sie gefahren und Motorrad. "Ich plane nichts." Sie war halt ein Mensch, der lebte, um zu leben.
Quelle: ntv.de, mit dpa/sid