"Ich war selbst das Ergebnis einer Vergewaltigung"

Mutiges Vergewaltigungsopfer Ketelyn mit emotionaler Geschichte: So kämpfte ich mich aus der Hölle

Ketelyn Francellino musste in ihrem Leben hart kämpfen, um dahin zu kommen, wo sie jetzt steht.
Ketelyn Francellino musste in ihrem Leben hart kämpfen, um dahin zu kommen, wo sie jetzt steht.
Facebook / Ketelyn Francellino

Hinter diesem wunderschönen Lachen steckt eine tragische Geschichte. Ketelyn Francellino aus Brasilien ist gerade einmal 33 Jahre alt und musste schon durch die Hölle gehen. Sie selbst war ein Baby, das aus einer Vergewaltigung entstand. Dann wurde sie als Kind selbst missbraucht. Ihre Geschichte ist eine tragische voller Gewalt, Rückschlägen, aber auch von großem Mut. Jetzt geht die Social-Media-Managerin damit an die Öffentlichkeit.

São Paulo: Eigentlich sollte Ketelyn abgetrieben werden

Wenn man Ketelyn Francellino ansieht, könnte man ahnen, sie sei immer sorglos und fröhlich gewesen. Ihre Augen strahlen, ihr Lächeln vermittelt eine offene Art. Doch der Schein trügt. Wie die 33-Jährige der brasilianischen Plattform „globo.com“ erzählte, habe sie in ihrem jungen Leben schon einiges ertragen müssen. Ihre Mutter soll nur mit ihr schwanger geworden sein, weil sie missbraucht wurde. Ketelyns Überlebenskampf begann.

„Ich bin das Ergebnis einer Vergewaltigung, die meine Mutter im Alter von nur 17 Jahren erlitten hat. Sie war allein in der Wohnung ihrer Schwester, in der sie lebte, als ein ihr unbekannter Junge hereinkam, sie im Badezimmer einsperrte und sie misshandelte“, sagt die junge Frau. Ihre Mutter habe sogar einige Abtreibungsversuche unternommen – vergeblich. Ketelyn kam trotzdem am 24. Februar 1989 in São Paulo zur Welt.

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Mutter und Tochter kamen bei Verwandten in Brasilien unter

Den grausamen Umständen zum Trotz, kämpfte sich Ketelyn ins Leben. Das Mädchen wohnte damals mit seiner Mutter bei Verwandten. Die sozialen Umstände seien schwierig gewesen, ihre Mutter hätten Struktur und Halt für ein Leben auf eigenen Füßen gefehlt, erzählt sie „globo.com“. Ein Weg voller Probleme. Und weitere ließen offenbar nicht lange auf sich warten: Die heute 33-Jährige soll gerade mal fünf Jahre alt gewesen sein, als sie zum ersten Mal vergewaltigt wurde – ausgerechnet am gleichen Ort, wie damals ihre Mutter. Ein Mann mit Gürtel und Messer in der Hand habe sie überwältigt. Ihre Mutter sei nicht zu Hause gewesen, interessiert habe es sie auch nicht.

Ketelyn habe nicht verstanden, was damals passiert sei. Aber sie habe gewusst: Das ist nicht richtig. „Ich habe es meiner Mutter erzählt, aber sie hat mir nie geglaubt, sie hielt es für eine Kinderphantasie“, erinnert sie sich.

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Brasilien: Ketelyn erlebte Höhen und Tiefen mit ihrer Mutter

Die soziale Situation habe sich gebessert, als Jorge in ihr Leben getreten sei. Ihre Mutter und der Zahnarzt sollen zehn Jahre verheiratet gewesen sein. Und auch, wenn der Mann und seine Familie streng zu Ketelyn waren, sei sie mit Respekt behandelt worden. Jorge habe niemals Hand an sie gelegt, beteuert sie in dem Interview. Er habe ihr ein Leben mit guter Bildung und dem besten Spielzeug ermöglicht.

Mit zwölf Jahren habe sich der Missbrauch dann aber trotzdem wiederholt. Ihre Mutter soll einem Anwalts-Ehepaar Geld geschuldet haben. Um die Schulden zu begleichen, habe sie in deren Haus geputzt und sich um den Haushalt gekümmert. Einmal habe die Schülerin ihre Mama begleitet. Ein großer Fehler: Der Mann soll Ketelyn vergewaltigt haben, während die Mutter Einkäufe erledigte, das erzählte sie „globo.com“. Als sie ihr anschließend von dem Vorfall erzählte, habe sie ihr wohl geglaubt, aber nichts unternommen – die Angst vor den Anwälten sei zu groß gewesen.

Doch statt besser, wurde es für Ketelyn immer schlimmer. Ihre Mutter sei später drogenabhängig geworden und habe sich prostituiert, erzählt die Social-Media-Expertin. Später seien daraus psychische Störungen und Schizophrenie erwachsen. Ein Weckruf.

Aufgeben war für Keteyln Francellino keine Option - sie stand auf und kämpfte

Die damals 21-Jährige rief sich ins Bewusstsein, dass sie ihr Leben nur verbessern könnte, wenn sie selbst eine gute Ausbildung vorzuweisen hätte. „Ich begann, fleißig zu lernen, las ununterbrochen Bücher und suchte nach Antworten auf alles. Jede Unterrichtsform war für mich von großem Wert“, erinnert sie sich. Sie habe studiert und sich immer wieder daran erinnert, dass sie nicht wie ihre Mutter auf Abwege geraten wolle. Und das Wichtigste: Keteyln fand Freunde, die an sie glaubten. „Auf meiner Reise hatte ich die Unterstützung von großartigen Menschen, die wirklich einen Unterschied gemacht und meine Geschichte geprägt haben, damit ich ein besserer Mensch werden konnte“, lobt sie ihre Weggefährten.

Heute lebe sie bei ihrer Mutter und pflege sie. „Ich studiere und finde noch Zeit, mich ein wenig um mich selbst zu kümmern. Es ist ein täglicher Kampf, aber ich habe jeden Tag gewonnen und mich selbst überwunden.“ Nebenbei arbeitet Ketelyn als Social-Media-Managerin und hat so schon einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht.

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Brasilien und das Problem mit den Vergewaltigungen

Wie Amnesty International auf seiner Webseite schreibt, soll die Zahl der Vergewaltigungen in Brasilien im Jahr 2021 angestiegen sein. Dabei bezieht sich die Organisation auf das brasilianische Forum für öffentliche Sicherheit (Fórum Brasileiro de Segurança Pública. Demnach lag die Zahl der Vergewaltigungen im ersten Halbjahr 2021 um 8,3 Prozent höher als im Vergleichszeitraum 2020. Zwischen Januar und Juni 2021 seien 666 Frauen Opfer von Femiziden geworden, heißt es. Das seien so viele wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2017.

Die New Yorker Technologie-Firma „Knoema“, die weltweit Daten sammelt spricht von 49.929 Vergewaltigungen im Jahr 2013. (dky)