Blick in die USA
Amerikanische Midterms: Demokraten hoffen auf Wahl-Erfolg - Aber alle Augen richten sich auf Donald Trump.

Die Amerikaner haben gewählt – und das Ergebnis ist noch nicht ganz klar. Was sich jetzt schon sagen lässt: Die Republikaner haben schlechter abgeschnitten als sie hofften. Den Demokraten könnte die Katastrophe erspart geblieben sein. Und in einem Golfressort in Florida, dem neuen Lieblingsstaat der Republikaner, wird in wenigen Tagen der Präsidentschaftswahlkampf beginnen.
US-Midterms: Können die Demokraten die Mehrheit im Senat behalten?
Es ist Mitternacht an der Ostküste, die Amerikaner haben gewählt. Und es gibt, ja wirklich, ein paar Gründe zu Optimismus. Die rote Welle, also der große Sieg der Republikaner? Nicht überwältigend. Im Senat sieht es so aus, als könnten die Demokraten ihre knappe Mehrheit halten oder sogar ausbauen. Genauer werden wir das erst in den nächsten Stunden wissen. Oder, falls es in Georgia zur Stichwahl kommt, erst am 6. Dezember.
Die Demokraten haben im Kampf ums Repräsentantenhaus viele Bezirke im Land gewonnen, die laut Umfragen an die Republikaner hätten gehen müssen. Noch bevor wir das Endergebnis kennen, lässt sich festhalten: Für die Demokraten hätte es viel schlimmer kommen können. Auch wenn die Republikaner, wie erwartet, die Mehrheit im Haus gewinnen werden. Das ist erstmal nichts Besonderes: Zuletzt gelang es einer regierenden Partei vor 20 Jahren, bei den Midterm Elections die Mehrheit zu halten.
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US-Midterms: Kein einheitliches Bild - Erstes Fazit zu den Wahlen
Erfreulich an diesen Midterms ist, dass einige Trump-Freunde verloren haben. Da ist der Gouverneurskandidat im Staat Pennsylvania, ein rechter Verschwörungstheoretiker: Seine Niederlage steht schon fest. Im selben Staat sieht es für den Bewerber um den Senatsposten, den Fernseharzt Mehmet Oz, schlecht aus. In Georgia hat ein eher gemäßigter republikanischer Gouverneur gewonnen, der von Trump unterstützte Senatsbewerber Herschel Walker dagegen droht zu scheitern.
Doch gibt es kein einheitliches Bild. Ein anderer Trump-Kandidat, JD Vance, ist neuer Senator von Ohio. Mit Ohio und Florida haben sich zwei Bundesstaaten, die vor ein paar Jahren noch als Swing States galten, in republikanisches Stammland verwandelt. Früher waren Wahlabende in Florida am spannendsten. Diesmal gewann Gouverneur Ron DeSantis mit Leichtigkeit, für ihn ist es die Vorlage für eine Präsidentschaftskandidatur in zwei Jahren. Die konservativen Exilkubaner und die Rentner aus dem Norden, die nach Florida gezogen sind, haben den Staat für die Republikaner gesichert. Dazu der wegen seiner laxen Covid-Politik beliebte DeSantis selbst.
Vielleicht ist das ein erstes Fazit dieser Wahlen: Die Republikaner haben keinen Triumph eingefahren. Gleichzeitig haben sie gezeigt, dass sie auch als rechte Trump-Partei zu Wahlsiegen in der Lage sind. Die Wähler verzeihen den Republikaner ihr Leugnen von Wahlergebnissen, ihre Angriffe auf die Demokratie und ihr allgemeines Abgleiten in den Irrsinn – nur weil sie ihnen eine bessere Wirtschaftspolitik zutrauen.
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US-Midterms: Wer kontrolliert heute die republikanische Partei?
Für die republikanische Partei heißt das, dass sie weitermachen darf wie bisher. Das Establishment muss sich nicht vom Trump-Flügel trennen, wofür es ohnehin zu spät wäre. Die Republikaner können sich hier moderat geben und dort radikal. Die Wähler lassen sie damit durchkommen. Für die amerikanische Demokratie ist das eine sehr schlechte Nachricht, denn nichts fördert den Faschismus mehr, als wenn konservative Parteien glauben, ihn einhegen zu können. In Wahrheit kontrollieren die Beinah-Faschisten und Faschisten um Trump schon heute die Partei. Um keinen Republikaner ging es bei diesen Wahlen mehr als um den einen, der auf keinem Wahlzettel stand: Donald Trump.
Es sind Wahlen mit so wenig eindeutigem Ausgang, dass alle Seiten daraus machen können, was sie wollen. Für die Demokraten bleibt vermutlich die Katastrophe aus, der Verlust beider Kammern des Kongresses. Mit dem republikanisch dominierten Repräsentantenhaus wird Joe Biden sich auseinandersetzen müssen: Die Republikaner haben jetzt ein Mitspracherecht beim Budget, bei einzelnen Posten wie den Ukraine-Hilfen. Sie können damit drohen, der Regierung die Aufnahme von neuen Schulden zu verbieten und sie damit zu erpressen. Biden wird ihnen entgegenkommen und Kompromisse machen müssen. Die Zeit, in der der Präsident große Gesetzespakete durch den Kongress gebracht hat, sind vorbei.
Was einer aus dem Wahlergebnis macht, steht so gut wie fest: Trump wird in wenigen Tagen seine Kandidatur fürs Weiße Haus verkünden. Und wenn er in zwei Jahren wieder zu einem Putschversuch ansetzt wie beim letzten Mal, dann wird er einen entscheidenden Vorteil haben: Die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Das ist das Gremium, das jedes Mal das Wahlergebnis zertifizieren muss. Zuletzt am 6. Januar 2021. Damals hatte die Demokratin Nancy Pelosi dort den Vorsitz. Anfang 2025 wird es ein Republikaner sein.
Die republikanische Mehrheit wird vielleicht nicht so groß sein wie in den Umfragen erwartet. Trotzdem liegen mit dem Haus und dem Obersten Gerichtshof bald zwei der wichtigsten Institutionen in Washington in den Händen der radikal gewordenen Trump-Partei. Bei Putschen ist das hilfreich.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei stern.de.