Zum ersten Mal mit Unterstützung unterwegs
Mein erstes Mal: So fühlt sich also E-Bike fahren an
von Tobias Elsaesser
Da steht es also. Als Hausgast für zwei Wochen, inmitten einer eingeschworenen Gemeinschaft aus fünf Rennrädern. Das Honbike. Das erste E-Bike, das ich nicht nur sehe, sondern auch gleich fahren werde. Rein optisch wirkt es wie ein Fremdkörper, es nimmt doppelt so viel Platz weg wie ein Rennrad und es ist fast dreimal so schwer. Schon seltsam, aber ich will vorbehaltlos an die Sache rangehen. E-Bikes sind aus den Straßen nicht mehr wegzudenken, sie haben das Fahrradfahren revolutioniert, ein massentaugliches Verkehrsmittel tatsächlich noch massentauglicher gemacht.
Für wie viel ist das Rad verantwortlich, für wie viel der Fahrer?
Ich will wissen, wie das ist, ich freu mich drauf, muss aber zugeben: Ich bin ein wenig nervös, denn ich bin es gewohnt, ein Fahrrad hundertprozentig unter meiner Kontrolle zu haben. Wie wird es sein, voll verantwortlich mit der Energie umzugehen, für die ich nicht voll verantwortlich bin, weil ein gewisser Prozentsatz von einem Motor kommt? Gerade auch, wenn ich immer wieder E-Bikern begegne, die in einem enormen Tempo um eine Kurve fahren und dabei ein wenig so aussehen, als wüssten sie nicht, was sie gerade tun. Für wie viel ist das Rad verantwortlich, für wie viel der Fahrer?
Ich gehe auf Nummer sicher und fahre erstmal ohne Motorunterstützung fünf Kilometer aus der Stadt raus. Ich will in dem Wirrwarr von Einbahnstraßen, rechts vor links, Fußgängerüberwegen, kleinen Kreuzungen und Ampeln nicht Gefahr laufen, einen Fehler zu machen. Und ich will wissen, wie sich das Fahrrad so ganz ohne Unterstützung fährt. Es braucht ein bisschen, bis es auf Geschwindigkeit kommt, logisch, es ist ja auch recht schwer, aber es fährt sich wie ein ganz normales Fahrrad. Ich komme ohne große Mühe auf ein Tempo von knapp über 20 km/h (auf ebener Strecke), das Fahrrad läuft gut liegt ruhig in der Spur. Das schwere Vorderrad ist etwas unruhig, was man merkt, wenn man freihändig fährt, was man aber ohnehin nicht tun sollte. Eine ganz kleine Unruhe fällt aber auch schon auf, wenn man eine Hand vom Lenker nimmt – es ist aber nichts, was aus dem Rahmen fällt oder nicht beherrschbar wäre.
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Die ersten Meter mit Motor
Nach fünf Kilometern, auf einem lang gezogenen, asphaltierten Feldweg, ist der Moment gekommen und ich schalte die leichteste Unterstützungsstufe ein. Ich bemerke, wie ich einen ganz sachten, leichten Schub von hinten bekomme, der anhält, mein Puls geht runter, die Geschwindigkeit bleibt. Ich beschleunige ohne Probleme auf knapp unter die Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h, der Puls bleibt, wo er ist. Es fühlt sich angenehm an, das Rad läuft noch immer ruhig und scheint leicht zu kontrollieren. Mir fällt auf, wie wunderbar einfach das Rad auf Geschwindigkeit zu halten ist. Aber lässt es sich bei dem Schub, den ich spüre, auch genauso leicht und problemlos zum Stehen bringen? In der Tat. Die mechanischen Scheibenbremsen verzögern sanft und ich halte mühelos an. Sicher, der Bremsweg ist länger als ich es von meinem Rennrad mit vergleichbaren Bremsen gewohnt bin, aber das war zu erwarten. Gewisse Grundregeln der Physik lassen sich nun mal nicht aushebeln. Schwere Dinge sind schwerer zu beschleunigen und benötigen entsprechend mehr Kraft, um sie zum Stillstand zu bringen.
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Man muss sein Fahrverhalten anpassen
Nächster Test: Ich trete an und fahre nach wenigen Metern um eine enge 90-Grad-Kurve. Hier spürt man, welche Wucht auch die leichteste Unterstützungsstufe entfaltet. Nach wenigen Tritten ist der Motor da und treibt mich mit mehr Kraft und Beschleunigung um die Ecke als ich es gerne hätte. Immer noch zu kontrollieren, aber doch ein Zeichen, wie man sein Fahrverhalten und seine Kraft einem E-Bike anpassen muss. Ein konsequentes Antreten in der Kurve und in Schräglage – so wie ich es gewohnt bin – sollte man lieber lassen, wenn man nicht Gefahr laufen will, aus der Kurve zu fliegen.
Für die erste Fahrt habe ich eine Strecke gewählt, die knapp 25 Kilometer lang ist, hauptsächlich längere ebene Passagen hat, so wie einen etwas längeren, seichten Anstieg mit maximal fünf Prozent Steigung mit einer entsprechenden Bergab-Passage. Mein Test-E-Bike hat keine Gangschaltung, also benutze ich stattdessen die drei verschiedenen Unterstützungsstufen. Vom Ergebnis bin ich zugebenermaßen beeindruckt. Der Motor macht einem das Bergauffahren tatsächlich ungeahnt leicht. Dann beginnt eine etwa einen Kilometer lange Bergab-Passage, schnell ist das Fahrrad bei der Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Höchstgeschwindigkeit heißt in diesem Falle nicht die höchstmögliche Geschwindigkeit. Es ist die Marke, bis zu der eine Unterstützung durch einen Motor zulässig ist. Ab dieser Geschwindigkeit ist jeder auf seine eigene Kraft angewiesen – oder die Beschleunigung der Masse auf einer abfallenden Strecke. Ich schaffe es auf knapp 40 km/h. hier merkt man, dass das Fahrrad recht träge ist und auch bald sehr unruhig läuft. Was nicht verwunderlich ist und auch keine Kritik darstellen soll. Das Fahrrad ist für eine solche Geschwindigkeit nicht ausgelegt und auch nicht gedacht. Solange man es einfach nur das Gefälle hinunterlaufen lässt, liegt es ruhig in der Spur und lässt sich gut kontrollieren. Die Unterstützung des Motors scheint schleichend auszulaufen. Ich überprüfe diesen Eindruck auf ebener Strecke, und er bestätigt sich. Ab 26 km/h wird es langsam anstrengend, das Fahrrad auf Tempo zu halten, bei 25 km/h setzt der Motor langsam wieder ein und die Anstrengung nimmt ab. Es ist in beide Richtungen ein angenehm fließender Übergang. Ich kann nicht sagen, ob das normal ist oder ob ich bei der Auswahl des Testobjektes einfach Glück hatte – aber ich kann sagen: So sollte sich das anfühlen, einigermaßen natürlich.
Nicht unbedingt schneller, aber bequemer und weniger anstrengend
Als ich wieder zuhause bin, stelle ich fest, dass ich mit dem E-Bike zwar nicht schneller war als mit dem Rennrad, aber es war weniger anstrengend. Ich musste meine Komfortzone nie verlassen, nicht einmal bergauf. Zeit für ein Fazit.
Zuallererst möchte ich dem Vorurteil widersprechen, E-Bike-Fahren sei kein Fahrradfahren. Alle Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ich zum Fahren auf einem normalen Rad benötige, brauche ich auch, um mit einem E-Bike irgendwohin zu kommen. Aufsteigen, Gleichgewicht halten, mit eigener Kraft in die Pedale treten, lenken, bremsen, absteigen – ohne all das geht auch mit dem E-Bike nichts. Und es fährt nicht von allein – nur wenn ich selbst Kraft investiere, bekomme ich auch Unterstützung vom Motor. Je nach Unterstützungsstufe mehr oder weniger. Zudem hängt die Unterstützung auch davon ab, wie schnell ich fahre, beziehungsweise wie hoch die Trittfrequenz ist, je nach Art und Position des Motors.
Definitiv ein cleveres Fortbewegungsmittel
Nach meiner ersten Fahrt denke ich, dass ein E-Bike ein sehr cleveres Fortbewegungsmittel ist, weil es körperliche Aktivität und motorenunterstützten Antrieb zu einer Einheit verbindet. Und diese Verbindung macht es so attraktiv. Lange Fahrradtouren werden auch untrainierte Radfahrer attraktiv, Ausflugsziele, die man aufgrund der Entfernung vorher nie in Erwägung gezogen hat, werden plötzlich erreichbar, ohne dass man sich über die Maße verausgaben muss. Der Benefit der sportlichen Betätigung bleibt trotzdem erhalten. Die Anstrengung mag geringer sein, dafür aber länger. Und längere Belastung im unteren Grundlagenausdauerbereich (oder auch „Wohlfühlbereich“) sorgt für mehr Fitness.
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Was mir jedoch auch aufgefallen ist – und hier sind wir wieder bei den E-Bikern, „die in einem enormen Tempo um eine Kurve fahren und dabei ein wenig so aussehen, als wüssten sie nicht, was sie gerade tun“: Radbeherrschung ist auf dem E-Bike fast noch wichtiger als auf einem normalen Rad. Ich muss ein Gefühl dafür entwickeln, welchen Einfluss der Motor auf das Fahren hat, wann der Motor mir welchen Schub gibt und wie lange ich brauche, um abzubremsen. Wie schnell kann ich in eine Kurve fahren, um sicher zu sein, dass ich das Rad hundertprozentig unter Kontrolle habe. Und wie stelle ich in einer plötzlichen Gefahrensituation sicher, dass das Rad genau das tut, was ich will und was es soll. Das braucht Training und dessen sollte sich jeder, der auf ein E-Bike steigt, bewusst sein. Erst dann wird es zu diesem cleveren Fortbewegungsmittel, dem ein großer Teil der Zukunft gehört
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