Machtkampf auf der Krim: Pro-russische Milizen schlagen ukrainische Truppen in die Flucht

Im Eiltempo treibt Moskau die Angliederung der Krim an die russische Föderation voran. So teilt Russland nun offiziell Pässe auf der von Kiew abtrünnigen Halbinsel aus. "Alle Einwohner der Krim, die sich an die Behörden wenden, erhalten einen Pass, da sie seit gestern Bürger der Russischen Föderation sind", sagte der Chef der Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski. Die Ratifizierung des von Putin und der moskautreuen Krim-Führung unterzeichneten Vertragswerkes ist nur noch Formsache – und eine Frage der Zeit.

epa04132088 US Vice President Joe Biden attends a press conference after a meeting with Latvian President Andris Berzins and Lithuania's president Dalia Grybauskaite in Vilnius, Lithuania, 19 March 2014. Biden reassured Poland and the Baltic states on 19 March that the United States would protect them from any aggression such as the actions the Kremlin has taken in Crimea. Biden's visit comes as violence against Ukraine soldiers stationed in Crimea was on the rise. At least one Ukrainian soldier and a member of the so-called self defence force have been killed. EPA/VALDA KALNINA +++(c) dpa - Bildfunk+++
US-Vizepräsident Biden sicherte in Litauen den Nato-Partnern Bündnistreue zu.

Ebendiese scheint für die ukrainischen Truppen auf der Schwarzmeer-Halbinsel mittlerweile abgelaufen. Dutzende pro-russische Kräfte stürmten das Gelände der ukrainischen Marine in Sewastopolt, um kurze Zeit später dort die russische Flagge zu hissen. Ukrainische Soldaten und ihre Kommandeure übergaben den Stützpunkt kampflos. Es habe weder Gewalt noch Verletzte gegeben. Die Krim-Führung hatte zuvor die ukrainischen Soldaten auf der Halbinsel zum Seitenwechsel aufgefordert. Das ukrainische Verteidigungsministerium wiederum erteilte die Erlaubnis zum Waffeneinsatz zur Selbstverteidigung. Einer Delegation der Übergangsregierung in Kiew verwehrte man den Zugang zur Schwarzmeer-Halbinsel. Krim-Ministerpräsident Sergej Axjonow sagte: "Sie sind nicht willkommen auf der Krim, keiner wird sie einreisen lassen, sie werden zurückgeschickt", zitiert ihn die Agentur Interfax.

Am Vortag waren bei Scharmützeln in Simferopol ein ukrainischer Soldat und ein pro-russischer Aktivist getötet worden. Beide Seiten warfen sich "Provokationen" vor. Ein Heckenschütze soll die Schüsse abgegeben haben, um die Panik zu schüren.

"So lange Russland diesem dunklen Pfad folgt, wird es Isolation erfahren"

Von "unverhüllter Aggression" sprach in diesem Zusammenhang US-Vizepräsident Joe Biden. "So lange Russland diesem dunklen Pfad folgt, wird es wachsende politische und wirtschaftliche Isolation erfahren", sagte er in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Ebenso wie bei seinem Besuch in Polen am Vortag versicherte Biden der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite und ihrem lettischen Amtskollegen Andris Berzins US-Bündnistreue im Rahmen der Nato.

Die Annexion der Krim sei "nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine, sondern für die gesamte internationale Gemeinschaft", sagte Grybauskaite. "Dies ist eine direkte Bedrohung unserer regionalen Sicherheit." Berzins nannte die Situation alarmierend. "Der Ukraine muss sowohl politisch als auch wirtschaftlich geholfen werden", sagte er. Neben einer sofortigen Deeskalation seien langfristige Lösungen für eine "Sicherheitsarchitektur" gefragt, sagte er.

Beim EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs eine gemeinsame europäische Antwort geben. Die Bundesregierung rechnet dabei nicht damit, dass der Gipfel eine weitreichende Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau beschließen wird. Wie es aus Regierungskreisen hieß, würde die Stufe Drei des Anfang März beschlossenen Sanktionsplans nur bei einer weiteren massiven Destabilisierung über die Krim hinaus greifen.

Gesprochen werde aber voraussichtlich über zusätzliche Maßnahmen der Stufe Zwei, also über weitere Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Konten. Die EU-Außenminister hatten solche Sanktionen zu Wochenbeginn bereits gegen 21 Verantwortliche aus Russland und der Krim verhängt. Betroffen ist aber nicht die politische Spitzenebene. EU-Diplomaten in Brüssel schlossen Wirtschaftssanktionen nicht aus. "Das ist ein laufender Prozess", so ein Beteiligter.

Weitaus deutlicher positionierte sich im Vorfeld des Gipfels Großbritannien. So teilte der britische Außenminister William Hague mit, eine militärische Kooperation mit Russland vorerst auszusetzen. Moskau reagierte empört und kritisierte die Entscheidung. Das mache alle positiven Entwicklungen der Vergangenheit zunichte, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax das russische Verteidigungsministerium. Premierminister David Cameron brachte zudem einen permanenten Ausschluss Russlands aus der Gruppe der G8-Staaten ins Gespräch.