Krim-Annexion: Putin schafft Fakten – Merkel verspricht "geeinte europäische Antwort"
Russland feiert sich – und seinen Präsidenten Wladimir Putin. Der, wie er selbst sagte, den historischen Fehler Nikita Chrutschschows nun korrigierte, und die Krim wieder nach Hause holte. In seiner Parlamentsrede machte der Kreml-Chef zwar deutlich, dass er keine Spaltung der Ukraine wolle, doch die Turbo-Angliederung der Schwarzmeer-Halbinsel schürt in Kiew die Angst, dass Putins Hunger beim Essen kommt. Der Westen wirkt angesichts der Ereignisse auf der Krim geradezu paralysiert. Merkel telefonierte wieder mal mit Obama. Der französische Außenminister Laurent Fabius sprach via Twitter von einer Suspendierung Russlands aus der G8-Gruppe.

Derweil geht die Rückführung der Krim in die finale Phase. Der Vertrag ging im Verfassungsgericht in St. Peterburg zur Prüfung ein. Anschließend sollen die Staatsduma und der Föderationsrat das von Putin und der moskautreuen Krim-Führung in Moskau unterzeichnete Dokument ratifizieren.
USA, EU, Nato und die Ukraine verurteilten unisono die Annexion ukrainischen Territoriums und wollen den Schritt nicht anerkennen. Washington drohte Moskau mit weiteren Sanktionen, Angela Merkel (CDU) beriet deshalb erneut mit US-Präsident Barack Obama. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach von einem "gefährlichen Weg", den Russland beschreite.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärten, die Staats- und Regierungschefs der EU würden bei ihrem bevorstehende Gipfel am Donnerstag und Freitag "eine geeinte europäische Antwort" beschließen. Neben den verhängten Sanktionen setze die EU weiter auch auf Dialog, sagte Merkel. In der schwersten Krise seit Ende des Kalten Krieges hatten EU und USA Kontosperrungen und Einreiseverbote für Funktionäre in Russland und auf der Krim beschlossen. Auch Japan verhängte Sanktionen.
US-Außenminister John Kerry dringt weiter auf eine diplomatische Lösung: "Unsere Hoffnung ist, dass wir einen Ausweg finden können." Allerdings habe ihn die Rede an die Nation des russischen Präsidenten Wladimir Putin überrascht und enttäuscht. "Das war sehr konfrontativ und sehr triumphierend über einen Bruch internationalen Rechts. Und ich glaube, dass die Menschen darüber zutiefst besorgt sind." Komme es zu einer "Annexion" der Halbinsel Krim durch Russland, gebe es keine andere Wahl, als die Regeln der internationalen Gemeinschaft durchzusetzen, sagte Kerry.
Die EU-Kommission will heute Details ihrer geplanten Finanzhilfe für die Ukraine vorstellen. Brüssel will das Land in den kommenden Jahren mit elf Milliarden Euro unterstützen. Zum Abschluss des EU-Gipfels soll zudem der politische Teil des Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine im Beisein des Kiewer Regierungschefs Arseni Jazenjuk unterschrieben werden.
Prorussische Kräfte erobern Hauptquartier der ukrainischen Marine
Auf der Krim selbst gab es unterdessen die ersten Toten. Nach Polizeiangaben wurden ein ukrainischer Soldat und ein Mitglied der prorussischen sogenannten Selbstverteidigungskräfte erschossen. Ein Heckenschütze habe nahe einer ukrainischen Militärbasis in Simferopol in verschiedene Richtungen gefeuert. Zwei weitere Soldaten seien verletzt worden. "Das könnte eine geplante Provokation sein, um die Lage am Tag der Unterzeichnung des Krim-Vertrags zu destabilisieren", hieß es auf der Homepage der Krim-Polizei.
Prorussische Uniformierte stürmten das Hauptquartier der ukrainischen Marine in Sewastopol. Dutzende zum Teil Maskierte hissten die russische Flagge. Mehrere ukrainische Soldaten sollen sich verbarrikadiert haben. Der Oberkommandeur der in Sewastopol stationierten russischen Schwarzmeerflotte, Alexander Witko, verhandele über eine friedliche Übergabe, meldeten russische Agenturen.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) forderte die Aufklärung des Mordes an einem 39 Jahre alten Krimtataren. "Das Verschwinden und die Ermordung von Reschat Ametow verdeutlichen das seit einer Woche herrschende Klima der Gesetzlosigkeit", sagte HRW-Sprecherin Rachel Denber. Der Bauarbeiter habe sich zuletzt an Protesten der Krimtataren gegen einen Beitritt der Halbinsel zu Russland beteiligt und sei am 3. März in Simferopol verschwunden.
Um fundierte Aussagen über die derzeitige Situation auf der Krim und in der Ostukraine treffen zu könne, wäre die von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) angestrebte OSZE-Beobachtermission unabdingbar. Noch scheitert diese jedoch an russischen Einwänden. 56 der 57 OSZE-Staaten seien bereit gewesen, einen Entwurf für eine solche Mission zu verabschieden, sagte der US-Botschafter bei der OSZE, Daniel Baer. Allein Russland habe trotz vieler Zugeständnisse weiter Bedenken zu Ausmaß und geografischen Arealen einer solchen Mission. Die OSZE will weiter beraten. Ein Entwurf müsste noch vom Ständigen Rat abgesegnet werden.
Auf der Krim hatten die Bewohner am Sonntag bei einem international nicht anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt. Die USA, die EU und die Ukraine sehen einen eklatanten Bruch des Völkerrechts.